Unschuldsvermutung und Begründung der Einstellungsentscheidung

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Wird ein Strafverfahren eingestellt, ohne dass die Hauptverhandlung bis zur Schuldspruchreife durchgeführt wird, fehlt es an einer prozessordnungsgemäßen Grundlage für eine Erkenntnis zur Schuld. Wie die Einstellung nach § 153 StPO, verlangt auch die Regelung des § 45 JGG nur eine sogenannte „hypothetische Schuldbeurteilung“. Mit dieser Begründung hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 08.03.2017 – 2 BvR 2282/16 - die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers beschieden und die Sache an die Staatsanwaltschaft zurückverwiesen. Diese hatte ein Ermittlungsverfahren gegen den der Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB verdächtigen jugendlichen Beschuldigten, welcher in Nähe des Tatortes von der Polizei angetroffen worden war und dessen Freund an den Fingernägeln entsprechende Farbspuren wie unter anderem zwei besprühte Sitzbänke aufwies, beendet, indem es gem. § 45 Abs. 1 JGG von der weiteren Verfolgung absah. Begründet wurde dies mit den einleitenden Worten: „Ihr Mandant hat sich durch sein Verhalten einer Straftat schuldig gemacht, die normalerweise eine Anklageerhebung und eine Gerichtsverhandlung zur Folge hätte. Ausnahmsweise werde ich aber in diesem Fall von der weiteren Verfolgung absehen, weil mir sein Verschulden nicht groß erscheint...“


Der Beschwerdeführer rügte hierauf einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Diese schließt es zwar nicht aus, vor Abschluss der Hauptverhandlung den Grad des Verdachtes zu beurteilen und einen verbleibenden Tatverdacht festzustellen, Festlegungen zu Schuld, Strafe und deren Zumessung sind indes erst erlaubt, wenn die Schuld des Angeklagten in einem rechtsstaatlichen, prozessordnungsgemäß durchgeführten Verfahren nachgewiesen ist. Demgegenüber können Rechtsfolgen ohne Strafcharakter in einer verfahrensabschließenden Entscheidung an einen verbleibenden Tatverdacht geknüpft werden, wobei allerdings aus der Begründung deutlich hervorgehen muss, dass hiermit keine gerichtliche Schuldfeststellung verbunden ist. Dem verfassungsrechtlichen Rang der Unschuldsvermutung entsprechend sollen Gerichte und Strafverfolgungsorgane nur solche Formulierungen verwenden, die von vornherein jeden Anschein einer unzulässigen Schuldzuweisung vermeiden und sich auf die hypothetische Prüfung beschränken, ob die Schuld des Angeklagten gering wäre, wenn die Feststellungen in einer Hauptverhandlung der Verdachtslage entsprächen, diese also lediglich beschreiben und bewerten. Hieran gemessen verletzte die mitgeteilte Begründung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.


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