Unterhaltszahlungen während der Haft

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Grundsätzlich müssen auch Strafgefangene Unterhalt zahlen. Allerdings können Inhaftierte in der Regel keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen oder nur ein geringes Arbeitsentgelt in der JVA erzielen. Insofern kann eine längere Strafhaft zu einer Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten nach §1603 Abs.1 BGB führen. Eine Leistungsunfähigkeit führt grundsätzlich dazu, dass ein Unterhaltspflichtiger keinen Unterhalt zahlen muss und dieser auf Null herabgesetzt werden kann.

Es geht dabei um die Frage, ob der Unterhaltsschuldner unter den Bedingungen der Haft überhaupt eine Möglichkeit hat, Einkommen oder zusätzliches Einkommen zu erzielen, welches es ihm ermöglicht, Unterhaltszahlungen zu leisten und gleichzeitig zumindest die notwendigen Ausgaben für sich selbst zu bestreiten. Das ist jedoch bei den meisten inhaftierten Unterhaltsschuldnern nicht der Fall. Die Einkommen aus einer Tätigkeit in der JVA liegen erheblich unter der Einkommensfreigrenze für Unterhaltsschuldner und der Betroffene ist in der Regel auch nicht in der Lage, durch Zusatzverdienste ein weiteres Einkommen zu erzielen. Insofern ist seine finanzielle Situation aus unterhaltsrechtlicher Sicht betrachtet unverschuldet. 

Sofern in einem solchen Fall nun ein Unterhaltstitel existiert – das kann ein Urteil des Familiengerichtes sein oder auch eine vom Unterhaltsschuldner beim Jugendamt unterzeichnete Unterhaltsurkunde –, läuft die Unterhaltsschuld automatisch weiter. Die Schulden steigen Monat für Monat um den titulierten Betrag und unterliegen auch nicht der regelmäßigen Verjährung. Dem kann und sollte entgegengewirkt werden, indem man die erforderlichen Schritte zur vorübergehenden Herabsetzung des Unterhalts auf Null möglichst schnell einleitet. 

Von dem Arbeitsentgelt, das ein Strafgefangener durch seine Arbeit verdient, darf der Strafgefangene 3/7 als sog. Hausgeld verwenden. Dieser Teil seiner Einkünfte steht ihm zu seiner freien Verfügung, z. B. für den Einkauf von zusätzlichen Lebensmitteln, Kosmetika, Tabakwaren, etc. Aus den weiteren 4/7 der Bezüge wird zum einen das sog. Überbrückungsgeld gebildet, also ein Betrag, der den notwendigen Unterhalt des Strafgefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach der Haftentlassung sichern soll. Dieser Betrag wird dem Gefangenen erst bei seiner Entlassung ausgezahlt und steht ihm während der Haft nicht zur Verfügung – ist also nicht pfändbar und steht während der laufenden Haft nicht zu Unterhaltszwecken zur Verfügung.

Der nicht für den Aufbau des Überbrückungsgeldes benötigte Teil der 4/7 des Arbeitsentgelts stellt das sog. Eigengeld dar. Es ist pfändbar und stellt ein Einkommen dar, das grundsätzlich für Unterhaltsverpflichtungen einzusetzen ist. Grundsätzlich könnte also auch ein Strafgefangener aus dem so genannten Eigengeld Unterhalt zahlen. Doch muss dieses Eigengeld in voller Höhe für Unterhaltszwecke eingesetzt werden? Der Bundesgerichtshof hatte im Jahr 2015 einen Fall zu entscheiden, in dem ein inhaftierter Unterhaltsverpflichteter die Herabsetzung des Unterhaltes auf Null begehrte (BGH, Entscheidung vom 01.07.2015, AZ: XII ZB 240/14)

Minderjährigen Kindern gegenüber besteht eine sogenannte gesteigerte Unterhaltspflicht. Gemäß §1603 Abs.2 BGB sind Eltern verpflichtet, alle ihnen verfügbare Mittel zu ihrem Unterhalt und dem Unterhalt der Kinder gleichmäßig zu verwenden. Auch ein Strafgefangener hätte somit alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel, also auch das sog. Eigengeld, für den Unterhalt einzusetzen.

Trotz gesteigerter Unterhaltspflicht ist den Eltern aber ein Selbstbehalt zu belassen, also ein Betrag, der den eigenen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen sicherstellt. Die finanzielle Leistungsfähigkeit endet also spätestens dort, wo der Unterhaltspflichtige nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern. Wie hoch ist dieser Selbstbehalt für einen Strafgefangenen? Was benötigt ein Strafgefangener an Einkünften, um seine eigene Existenz zu sichern? Man könnte argumentieren, die Existenz eines Strafgefangenen ist doch bereits durch seine Unterbringung in der Strafanstalt und durch die Gewährung von Verpflegung, Bekleidung und Gesundheitsfürsorge gesichert. Durch diese Naturalleistungen erspart sich der Strafgefangene die entsprechenden Zahlungen. Und die in den Sozialhilfesätzen enthaltenen Beträge für eine soziale Teilhabe am Leben (z. B. Besuch von Kulturveranstaltungen, Teilnahme in Vereinen, etc.) fallen für einen Strafgefangenen ja ohnehin nicht an. 

Dennoch muss nach Ansicht des BGH „auch einem Strafgefangenen jedoch grundsätzlich ein Bargeldbetrag verbleiben, um ihm in einem Mindestmaß die Befriedigung solcher Bedürfnisse zu ermöglichen, die über die auf Existenzsicherung ausgerichtete Versorgung durch die Justizvollzugsanstalten hinausgehen“ (s. BGH AZ: XII ZB 240/14). Bei der Bemessung dieses Bargeldbetrags nimmt der BGH Rückgriff auf den Taschengeldsatz, der einem Strafgefangenen zusteht, wenn er ohne Verschulden kein Arbeitsentgelt und keine Ausbildungsbeihilfe erhält. Da bei einem im Vollzug arbeitenden Strafgefangenen in der Regel davon auszugehen ist, dass der so bestimmte Selbstbehalt durch das Belassen des Hausgelds gedeckt ist, kann nach Ansicht des BGH in diesem Fall das sog. Eigengeld in voller Höhe für den Unterhalt eingesetzt werden. Erreicht das Hausgeld im Einzelfall nicht die Höhe des monatlichen Taschengeldes, dann ist dem Strafgefangenen so viel an Eigengeld zu belassen, wie es zum Erreichen des Taschengeldes erforderlich ist. Je nachdem in welcher Höhe Eigengeld vorhanden ist, wäre also grundsätzlich eine Pfändung möglich – was sich jedoch in den meisten Fällen abwenden lässt und der Unterhalt ist auf Null herabzusetzen. 

Zu unterscheiden ist bei jeder Unterhalszahlung, ob ein gerichtlicher Titel besteht oder der Verpflichtete auf Grund von Unterhalsvorschusszahlungen in Anspruch genommen wird. Bei Zahlung von Unterhaltsvorschuss durch die zuständige Stelle lässt sich die Unterhaltsverpflichtung für den Inhaftierten grundsätzlich auf Null herabsetzen, da keine Leistungsfähigkeit besteht. Dies ist mit einem formlosen Antrag möglich, der allerdings frühzeitig gestellt werden muss, da die Jugendämter nicht direkt bei Inhaftierung tätig werden und nach dem Einkommen anfragen. Die Unterhaltsverpflichtung läuft daher auch bei Haftantritt weiter und die Schulden wachsten Monat für Monat und unterliegen auch nicht der regelmäßigen Verjährungsfrist. Dem kann nur durch einen entsprechenden Antrag entgegengewirkt werden.

Bei Bestehen eines gerichtlichen Titels zur Zahlung von Kindesunterhalt muss die Abänderung des Titels in einem neuen Verfahren beim zuständigen Familiengericht beantragt und dort die Herabsetzung auf Null angestrebt werden, da die Unterhaltsverpflichtung sonst automatisch weiterläuft.

Neben der Unterhaltszahlung durch den Kindesvater besteht auch noch die Möglichkeit, Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) für maximal 72 Monate (6 Jahre) bzw. bis zum 12. Geburtstag des Kindes zu beziehen. Wird der 12. Geburtstag vor Ende der 72 Monatsfrist erreicht, so gilt dieser als Leistungsende. Die Reform zum UVG kommt nun zum 01.07.2017: Hiernach soll die Bezugsberechtigung künftig bis zum 18. Geburtstag des Kindes gehen und die Bezugsdauer auf mehr als 6 Jahre erweitert werden. Die Bezugszeiten können dadurch erheblich erweitert und die Unterhaltszahlungen auf längere Zeit gesichert werden.

Daneben besteht auch noch die Möglichkeit der sog. Ersatzhaftung nach § 1607 BGB und es können z. B. die Großeltern des Kindes auf Unterhaltszahlungen in Anspruch genommen werden, wenn ein Elternteil – hier der Inhaftierte – nicht leistungsfähig ist. 

Gerne kann eine persönliche Beratung erfolgen.


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