Unverschuldeter Verkehrsunfall – Was ist zu tun?

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Keiner wünscht sich eine derartige Situation, aber fast jeder Autofahrer wird im Laufe seines Lebens mindestens einmal mit einem solchen Vorfall konfrontiert: Man wird – hoffentlich unverschuldet – in einen Verkehrsunfall verwickelt, der – ebenso hoffentlich – lediglich Sachschaden zur Folge hat.

Auch wenn man also statistisch mit einem solchen Geschehen rechnen muss, stellt sich in dieser Situation für die Beteiligten die Frage, wie man sich in einem solchen Moment sinnvollerweise zu verhalten hat.

Hier zunächst mein erster Tipp im Vorfeld: Wer am Straßenverkehr teilnimmt, sollte in jedem Falle über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, die auch Verkehrsangelegenheit übernimmt, so dass man sich im Falle des Falles um etwaige Rechtsanwaltskosten keine zusätzlichen Gedanken machen muss. Sollte eine bereits bestehende Rechtsschutzversicherung dieses Rechtsgebiet nicht umfassen, so ist es in der Regel kein Problem, den Vertrag kostengünstig entsprechend zu erweitern.

Im Falle eines Verkehrsunfalles mit nennenswertem Sachschaden, also einem Schaden der über einen reinen Bagatellschaden hinausgeht, haben Sie grundsätzlich das Recht, sich einen Anwalt zu wählen, der Ihnen dann auch bei der Wahl eines geeigneten Kfz-Sachverständigen behilflich sein kann, womit der zweite wesentliche Punkt angesprochen ist: nämlich die sach- und fachgerechte Feststellung sämtlicher entstandenen Schäden, welche letztlich die Grundlage aller Ihrerseits gegenüber dem Unfallgegner geltend zu machenden Ansprüche ist.

Genau an dieser entscheidenden Stelle versuchen jedoch die Unfallversicherer zunehmend Einfluss zu nehmen. Dies geschieht im Wesentlichen in zwei Schritten: zum einen dadurch, dass den Geschädigten aktiv ein „Rundum-Sorglospaket“ angeboten wird, welches sich in der Praxis so darstellt, dass Ihnen seitens der gegnerischen Versicherung das Angebot unterbreitet wird, das beschädigte Fahrzeug bei Ihnen abgeholt und Ihnen im reparierten Zustand wieder vor die Tür gestellt wird, zum anderen dadurch, dass man Ihnen nahelegen wird, die Angelegenheit „unkompliziert“ ohne Inanspruchnahme eines Anwaltes abzuwickeln.

Dieses Angebot scheint zunächst einmal verlockend, doch sollten Sie bedenken, dass Sie mit Ihrer Zustimmung zu einer solchen Verfahrensweise das Geschehen nahezu vollständig aus der Hand geben. Die entstandenen Schäden werden in diesem Falle durch Sachverständige der gegnerischen Haftpflichtversicherung bzw. durch Werkstätten, die mit ihr unter Vertrag stehen, festgestellt und behoben. Zumindest eine Einflussnahme auf die genaue Feststellung sämtlicher bei dem Unfallgeschehen entstandenen Schäden ist damit weitestgehend ausgeschlossen.

Ohne jede Unterstellung unlauteren Handelns dürfte wohl einleuchten, dass Beteiligte, die in einem engen wirtschaftlichen Verhältnis zu der gegnerischen Haftpflichtversicherung stehen, nicht unbedingt daran interessiert sind, zu deren Nachteil zu handeln. In diesem Zusammenhang dürfte nicht zuletzt auch angesichts dieser zunehmenden Praxis der Versicherer interessant sein, dass sich deren Kosten in diesem Bereich der Schadensregulierung in den letzten zehn Jahren trotz gestiegenem Verkehrsaufkommens und gestiegener Werkstattkosten nicht nennenswert erhöht haben.

Welche Schlüsse man auch immer aus diesen Entwicklungen und Tatsachen ziehen möchte, so würde ich dringend dazu raten wollen, das „Heft des Handelns“ stets in eigenen Händen zu halten, bis sämtliche Ihnen entstandene Schäden vollständig ausgeglichen sind. Dies muss umso mehr gelten, als Sie im Falle einer konservativen Herangehensweise kaum mehr belastet werden, als durch die nahezu vollständige Abgabe der Angelegenheit in fremde Hände.

Wie bereits gesagt, wird Sie ein erfahrener Anwalt sicherlich bei der Auswahl eines geeigneten Kfz-Sachverständigen unterstützen, welcher sodann die an Ihrem Fahrzeug entstandenen Schäden entweder bei Ihnen vor Ort begutachtet, oder aber Ihr Fahrzeug in der Werkstatt, in welches Ihr Fahrzeug verbracht wurde, daraufhin sorgfältig überprüft. Der von Ihnen beauftragte Sachverständige wird dabei bemüht sein, auch solche Schäden aufzufinden, die aufgrund der immer komplexer werdenden Bauart der Fahrzeuge nur schwer und für den Laien oftmals gar nicht zu erkennen sind. Die Frage, ob dies auch bei Sachverständigen der gegnerischen Haftpflichtversicherung der Fall ist, muss zumindest erlaubt sein. Zudem sind diese Sachverständigen zumeist sehr gut vernetzt und werden Ihnen auch bei der Auswahl der geeigneten Werkstatt wertvolle Tipps geben können.

Das Ergebnis der Begutachtung wird sodann dem beauftragten Anwalt in Form eines detaillierten Sachverständigengutachtens zugestellt, der alles Weitere veranlassen, also insbesondere die gegnerische Haftpflichtversicherung auf Grundlage dieser Feststellungen zur Regulierung des Ihnen entstandenen Schadens auffordern wird.

Ihnen verbleibt damit weitestgehend das Recht zu entscheiden, wann, durch wen und in welchem Umfange Sie die Schäden reparieren lassen, da letztlich auch eine Schadensregulierung nach Gutachten möglich ist. Es besteht also keine Pflicht zur Behebung der unfallbedingt entstandenen Sachschäden, da das BGB in derartigen Fällen lediglich eine „billige Entschädigung in Geld“ für die erlittenen Vermögenseinbußen vorsieht, über die Sie letztlich frei verfügen können.

Selbstverständlich erhalten Sie auch auf diesem Wege ebenfalls für die im Gutachten festgelegte Reparaturdauer ein angemessenes Ersatzfahrzeug oder aber eine entsprechende Nutzungsausfallentschädigung.

Relativ unbekannt ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Haftpflichtversicherer inzwischen vermehrt dazu übergegangen sind, Sachverständigengutachten computerunterstützt in größerem Umfang und automatisiert zu kürzen. Das AG Eisenach beispielsweise hat den Haftpflichtversicherungen daher sogar eine „Nichtregulierungspraxis“ vorgeworfen (AG Eisenach, Aktenzeichen 57 C 175/16).

In diesem Zusammenhang bleibt nochmals darauf hinzuweisen, dass Sie im Falle eines unverschuldeten Verkehrsunfalles immer das Recht haben, einen vereidigten Sachverständigen sowie einen Anwalt eigener Wahl zu beauftragen, wobei die dadurch entstehenden Kosten ebenfalls von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu tragen sind, so dass Sie in einem solchen Fall nicht einmal eine Verkehrsrechtsschutzversicherung abgeschlossen haben müssen, um in allen Phasen der Schadensabwicklung gut beraten und betreut zu sein.

Im Rahmen eines solchen Artikels können naturgemäß nicht einmal ansatzweise sämtliche Aspekte der Schadensregulierung angesprochen werden, da sich im Einzelfall selbstverständlich sowohl sachliche als auch juristische Probleme (wie zum Beispiel der Vorwurf eines Mitverschuldens oder etwaige Vorschäden etc.) auftreten können, bei deren Lösung Ihnen ohnehin nur der beauftragte Sachverständige bzw. der mandatierte Rechtsanwalt adäquat zur Seite stehen kann.

Wie aus dem Vorstehenden jedoch deutlich geworden sein dürfte ist, dass ein scheinbares Mehr an Service nicht unbedingt auch im wirtschaftlichen oder rechtlichen Interesse des Betreffenden stehen muss. Es sollte dabei vielmehr immer bedacht werden, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung nicht „Ihr Freund in der Not“ ist, sondern als marktwirtschaftliches Unternehmen naturgemäß stets an der Optimierung der eigenen Bilanz interessiert ist, wozu das Angebot eines „Rundum-Sorglospaketes“ ein geeignetes Mittel zu sein scheint.

Seit einigen Jahren schon versucht die Versicherungsbranche, die bewährte und schlagkräftige Kombination von sachverständigem und juristischem Fachwissen auszuhebeln und die gesamte Schadensabwicklung mit eigenen Mitarbeitern und Werkstätten durchzuführen, was natürlich nur eines zum Ziel hat, nämlich die Reduktion der eigenen Kosten, was in zahlreichen Fällen für den Geschädigten jedoch leider nicht zu dem gewünschten Ergebnis, nämlich einer möglichst vollständigen Behebung des erlittenen Schadens, führt.

Im Sinne einer möglichst zufriedenstellenden und umfänglichen Schadensabwicklung kann daher nur wärmstens empfohlen werden, in derartigen Fällen den bewährten und konventionellen Weg zu beschreiten und auf die professionelle Unterstützung durch Sachverständige und Anwälte zurückzugreifen. „Im Falle des Falles“ stehe ich Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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