Urheberrecht: Pastiche - Was ist das?

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Was ist ein Pastiche? Seit Juni 2021 beschäftigt diese Frage nicht nur Urheber und Kreative. Damals trat im Urheberrecht eine neue Schrankenregelung in Kraft, die auch den so genannten Pastiche erfasst und seither viele Fragen aufwirft. Was hat es mit dieser Kunstform auf sich? Was hat sich der Gesetzgeber dabei gedacht? Welche Chancen birgt diese neue Schranke? Gibt es schon belastbare Rechtsprechung hierzu?

Die neue Schranke des § 51a UrhG: Karikatur, Parodie und Pastiche

Zweck der neuen Schranke des Urheberrechts sollte es sein, Nutzungen von eigenständigen Werken zu erleichtern, die sich kreativ an ein bestehendes Original anlehnen, ohne aber bloße Plagiate zu sein. Bereits die InfoSoc-Richtlinie der EU aus 2001 sah solche Ausnahmeregelungen für Karikaturen, Parodieren und Pastiches vor.  In Deutschland waren entsprechende Ausnahmen vor 2021 jedenfalls für die Parodie und die Karikatur schon in § 24 UrhG geregelt. Diese Vorschrift musste jedoch aus dem Urheberrecht gelöscht werden, nachdem der EuGH festgestellt hatte, dass sie nicht mit EU-Recht vereinbar war.  Anstelle der gelöschten Vorschrift des § 24 UrhG wurde also der neue § 51a UrhG geschaffen. Dieser soll eine Nutzung von Werken im Rahmen von Karikaturen, Parodien und Pastiches auch ohne Zustimmung des Urhebers möglich machen.

Unschärfe des Begriffs „Pastiche“

Doch was versteht man genau unter einem Pastiche? Anders als die Begriffe "Karikatur" und "Parodie" handelt es sich bei dem Pastiche um eine im Deutschen bislang wenig gebräuchliche Bezeichnung.

Die Parodie  zeichnet sich vor allem durch die Elemente Humor und Verspottung aus. Bei der Karikatur hingegen handelt es sich um eine übertriebene bildliche Darstellung gewisser charakteristischer Züge einer Person oder Situation unter Zuhilfenahme eines fremden Werkes. Doch was soll ein Pastiche sein? Hier sollen laut Gesetzgeber, ähnlich einer Hommage, auch Elemente wie Ehrerbietung und Wertschätzung für das Original zum tragen kommen. Der Gesetzgeber möchte hier unter Berücksichtigung der Kunstfreiheit gewisse Anlehnungen an originale Werke oder Werkteile in neuen Werken gestatten. Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, muss auch ein Pastiche eine Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Werk erkennbar werden lassen. Es müssen auch deutlich wahrnehmbare Unterschiede zum Original bestehen.

Beispiele: Meme, Sampling, Remix etc.

In der Gesetzesbegründung sind zum Pastiche ausdrücklich zeitgenössische Praktiken wie Remix, Meme, GIF, Mashup, Fan Art, Fan Fiction oder Sampling erwähnt. Diese Aufzählung sollte aber nicht den Eindruck erwecken, als sei jeder Remix, jedes Meme usw. automatisch eine vom Urheber eines Originals zu duldende Nutzung.  Vielmehr dürfte es für ein Pastiche vor allem darauf ankommen, ob dem neuen Werk ein ausreichend eigenständiger Charakter zukommt, der es rechtfertigt, ihn als selbstständig neben dem verwendeten Originalwerk anzusehen.

Bislang wenig Rechtsprechung zur Frage des Pastiche

Noch liegen nicht allzu viele gerichtliche Entscheidungen zur Frage des Pastiche vor. Einige wenige Entscheidungen zeichnen jedoch schon das Spannungsfeld vor, in dem sich der Streit um den Pastiche in den kommenden Jahren wohl abspielen wird:

So hat das LG München I (Urteil vom 20.06.2022 - 42 S 231/21) klargestellt, dass es für ein Pastiche jedenfalls nicht ausreicht, ein Foto mit der bloßen Bildunterschrift „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ zu versehen.  

Das LG Berlin (Urteil vom 02.11.2021 - 15 O 551/19) hat in einem anderen Fall das Vorliegen eines Pastiche bejaht: Hier hatte ein bekannter Künstler eine Computergrafik aus dem Internet sehr weitgehend in ein eigenes collageartiges Ölgemälde übernommen. Das Gericht beurteilte dies in diesem Einzelfall als einen zulässigen Pastiche, obwohl hier von Wertschätzung für das verwendete Werk keine Rede sein konnte – der Künstler hatte von einem „Inferno von Kitsch“ gesprochen. Entscheidend für das Gericht war hier eine ausreichende inhaltliche Auseinandersetzung des Künstlers mit dem ursprünglichen Werk.

Das OLG Hamburg (Urteil vom 28.04.2022, Az. 5 U 48/05) sieht in der Übernahme einer nur zwei Sekunden dauernden Rhythmussequenz eines Kraftwerk-Songs in einem Lied von Sabrina Setlur ein zulässiges Pastiche. Jedoch hat der BGH diesen Rechtsstreit erneut dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Der EuGH soll nun in dieser Sache Grundsätzliches zur Auslegung des Begriffs „Pastiche“ klären.

Bei der Berufung auf die Pastiche-Regelung ist Vorsicht geboten

Trotz der vorliegenden Gerichtsentscheidungen ist gerichtlich noch weitgehend ungeklärt, wo die Grenze des zulässigen Pastiche zur rechtswidrigen Nutzung verläuft. Schon jetzt ist erkennbar, dass die Unschärfe des Pastiche-Begriffs von vielen als eine Chance begriffen wird, urheberrechtlich geschützte Inhalte ohne eine besondere Einwilligung des Urhebers zu nutzen. Nicht wenige Geschäftsmodelle setzen auf die nicht gestattete Nutzung von Musik, Grafiken, Fotos und Videos und berufen sich hierbei auf die Pastiche-Regelung.

Doch hier ist Vorsicht geboten! Es ist nicht damit zu rechnen, dass jegliche Form von Remixen, Memes, GIFs, Mashups, Fan Art, Fan Fiction oder Sampling von dieser Schranke erfasst sein werden.

Wer sich bei der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke auf die Pastiche-Regelung berufen will, sollte sich z. B. die folgenden Fragen stellen:

  • Liegt eine ausreichende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Original vor?
  • Liegen ausreichend wahrnehmbare Unterschiede zum Original vor?
  • Kommt dem neuen Werk ein ausreichend eigenständiger Charakter zu?

Bei der Frage, wie weitgehend die Pastiche-Regelung auszulegen ist, dürfte auch der Drei-Stufen-Test für Schrankenregelungen im Urheberrecht nicht unberücksichtigt bleiben. Danach sind entsprechende Einschränkungen der Rechte des Urhebers nur in Sonderfällen gestattet. Sie dürfen die normale Auswertung des Werkes nicht beeinträchtigen. Zudem dürfen sie die berechtigten Interessen des Urhebers nicht unzumutbar verletzen.

Wer vorhat, urheberrechtlich geschützte Inhalte unter Berufung auf die Pastiche-Regelung zu nutzen, sollte sich auch der Regelung des § 5 Abs. 2 UrhDaG bewusst sein. Danach hat ein Diensteanbieter dem Urheber für die öffentliche Wiedergabe von Pastiches eine angemessene Vergütung zu zahlen.

Möchten Sie sich zu den Chancen und Risiken der Pastiche-Regelung beraten lassen? Wollen Sie Werke unter Berufung auf diese Schranke nutzen? Fragen Sie sich als Urheber, ob Sie Nutzungen Ihrer Werke nach dieser Regelung dulden müssen? Sprechen Sie uns an. Rechtsanwalt Otto Freiherr Grote aus Düsseldorf berät seit Jahren zahlreiche Mandanten bundesweit in Fragen des Medien- und Urheberrechts. Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf, entweder per E-Mail unter otto.grote@ameleo-law.com oder telefonisch (Tel.: 0211-54 20 04 64).


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