Urheberrechtlicher Schutz von Datenschutzerklärungen

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Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass nahezu jede Website eine Datenschutzerklärung benötigt. Hintergrund ist, dass bei einem Besuch von Websites häufig zahlreiche Daten verarbeitet werden, sei es z.B. über Tracking-Tools, wie Google Analytics, Kontaktformulare oder implementierte Drittinhalte, wie YouTube-Videos. Da die meisten dieser Sachverhalte bereits häufig von fremden Datenschutzerklärungen erfasst sind, liegt es nahe, sich daran zu orientieren oder gar identisch zu übernehmen. Die Praxis zeigt jedoch, dass sich dabei Unternehmen, Werbeagenturen und auch häufig deren anwaltliche Berater oft nicht der rechtlichen Fallstricke bewusst sind.


Was setzt ein urheberrechtlicher Schutz voraus?


Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) spricht generell allen Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst urheberrechtlichen Schutz zu. Als „Werk“ definiert das Gesetz jede persönliche geistige Schöpfung. Für die Schutzfähigkeit kommt es also darauf an, ob die Leistung eine Schöpfungshöhe aufweist. Anders als vielfach angenommen wird, bedeutet dies allerdings nicht, dass die Leistung außerordentlich kreativ oder gar etwas Neues bzw. nie Dagewesenes sein muss. So muss sich z.B. ein Text auch nicht durch einen journalistischen, wissenschaftlichen oder schöngeistigen Inhalt auszeichnen. Vielmehr genügt ein geringer Grad individuellen Schaffens. Diese Voraussetzung ist bereits dann erfüllt, wenn bei der Gestaltung der Leistung ein Gestaltungsspielraum besteht und der Urheber hiervon Gebrauch macht.


Bei Texten kann die schöpferische Leistung sowohl in der individuellen Sprachführung als auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Inhalts liegen. Dabei ist anerkannt, dass die Schutzgrenze niedrig anzusetzen ist. Dem urheberrechtlichen Schutz unterfällt damit auch ein Werk der sog. kleinen Münze, also eine Leistung mit einem schwachen Maß an individueller, schöpferischer und gestalterischer Ausdruckskraft. Oder anders ausgedrückt: Urheberrechtlicher Schutz scheidet nur dann von vornherein aus, wenn ein Dritter die Leistung genau oder nahezu identisch umgesetzt hätte.


In der Rechtsprechung gibt es bereits zahlreiche Beispiele für Fälle, in denen der Urheberrechtliche Schutz von Gebrauchstexten bejaht wurde. So wurde beispielweise bereits die Schutzfähigkeit folgender Gebrauchstexte bejaht: Allgemeine Geschäftsbedingungen, soweit sie sich nicht auf Standardklauseln beschränken (vgl. z.B. LG Hamburg, Az. 310 O 310/19; OLG Köln, Urteil vom 27.02.2009, 6 U 193/08); Anwaltsschriftsatz (Hamburgische OVG, Urt. v. 20.09.2021, Az. 3 Bf 87/18); Merkblatt einer Krankenkasse (BGH, Urt. v. 09.10.2986, Az. I ZR 145/84); Bedienungsanleitung einer Motorsäge (BGH, Urt. v. 10.10.1991, Az. I ZR 147/89).


Datenschutzerklärung ist nicht gleich Datenschutzerklärung

Primär geht es in der Datenschutzerklärung darum, die Besucher der Website darüber aufzuklären, welche personenbezogenen Daten in welchem Umfang und zu welchen Zwecken verarbeitet werden und darüber, welche Rechte sie gegebenenfalls haben. Dies hört sich auf den ersten Blick da-nach an, als wäre der Inhalt eines solchen Gebrauchstextes immer gleich. Dem ist aber keineswegs so.


Vergleicht man verschiedene Datenschutzerklärungen einmal genauer, so kann festgestellt werden, dass diese sehr unterschiedlich ausfallen. Zuweilen sind solche Erklärungen auf das Minimum und die Wiedergabe der absolut notwendigsten Fakten beschränkt. Soweit hier nur Stichpunktartig die rechtlichen Vorgaben umgesetzt werden, dürfte ein urheberrechtlicher Schutz ausscheiden. Anders sieht es jedoch aus, wenn solche Texte eine eigenschöpferische Gedankenformung und –führung des dargestellten Inhalts haben. Denn auch ein Gebrauchstext lässt sich mit den Mitteln der Sprache auf ganz unterschiedlichste Weise formulieren und darstellen.


Inzwischen gibt es mehrere Gerichtsverfahren in Deutschland und Österreich, die sich mit der Frage des urheberrechtlichen Schutzes von Datenschutzerklärungen beschäftigt haben. Das Landgericht München I hat die Frage der Schutzfähigkeit einer Datenschutzerklärung bereits mehrfach bejaht. Hierzu hat es z.B. in seinem Urteil vom 07.09.2022 (Az. 44 O 13813/21) folgendes ausgeführt (H.d.d.U.):


„Der streitgegenständliche Text weist individuelle Eigenart auf. Diese findet ihren Ausdruck in der eigenen Untergliederung des Textes, die anders als die Beklagte meint, über eine Gliederung in einen „allgemeinen" und einen „besonderen" Teil und die Formulierung der Überschriften in Frageform hinausgeht und die sachverhaltsübergreifend wiederaufgegriffen wird, um dem Nutzer einen möglichst großen Orientierungs- und Wiedererkennungswert zu liefern. Soweit der Beklagte weitere Datenschutzerklärungen entgegenhält, enthalten diese eine vergleichbare Untergliederung nicht, bzw. nicht in der in der streitgegenständlichen Datenschutzerklärung verwendeten Stringenz in den meisten Unterabschnitten. Die individuelle Eigenart findet ihren Ausdruck zudem in der Sprachführung, die an vielen Stellen durch eine blumige Ausdrucksweise gekennzeichnet ist.“

In einem neueren Verfahren hat die auf Urheberrecht spezialisierte Kammer des Landgerichts München I am 21.08.2023 folgenden Hinweis erteilt:

„Die Beklagtenseite wird darauf hingewiesen, dass die Klage nach vorläufiger Einschätzung gute Erfolgsaussichten zeitigt: Der Klageseite dürfte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG sowie die weiter geltend gemachten Folgeansprüche auf Schadensersatz nach § 97 Abs.2 UrhG sowie Kostenerstattung nach § 97a Abs. 3 UrhG zustehen. (…)


Das Handelsgericht Wien hat die Schutzfähigkeit der dort gegenständlichen Datenschutzerklärung ebenfalls in einer Entscheidung vom 17.02.2023 (Az. 39 Cg 84/22d – 14) ebenso bejaht und führt hierzu u.a. aus (H.d.d.U.):


„Dass das Werk geistig besonders hoch stehen müsste, wird nicht verlangt, solange es nur eigentümlich, dh. nicht allein aufgrund äußerer Vorgaben geschaffen wurde oder von jedem anderen grundsätzlich auch so geschaffen würde. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, erschöpft sich der von der Klägerin in den Generator gestellte Text ja bei weitem nicht in der Wiedergabe des Gesetzestextes, sondern stellt Informationen aus ganz verschiedenen Quellen in einer eigenen logischen Ordnung und übersichtlich gegliedert zusammen. Technische Begriffe und Funktionen werden mit eigenen Worten in einer auch für Laien fassbaren Weise erläutert.


Übereinstimmend hierzu hat das OLG Innsbruck in einer weiteren Entscheidung vom 01.06.2023 (Az. 2 R 60/23z) ebenfalls die Schutzfähigkeit einer Datenschutzerklärung bejaht und dies u.a. wie folgt begründet (H.d.d.U.):


„Da es für die Bejahung des Werkscharakters bereits genügt, dass eine individuelle Zuordnung zwischen Werk und Schöpfer insofern möglich ist, als dessen Persönlichkeit auf Grund der von ihm gewählten Gestaltungsmittel zum Ausdruck kommt und die Rechtsprechung auch kein besonde-res Maßes an Originalität verlangt (RS0076312 [T3]; 4 Ob 162/08i), ist der hier zu beurteilenden Da-tenschutzerklärung nach Ansicht des erkennenden Senats ein urheberrechtlicher Werkcharakter iSd §§ 1, 2 Abs 1 Z 1 UrhG zuzubilligen.”


Nicht bei allen Verfahren, die sich mit der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Datenschutzerklärungen beschäftigen, kam es zu vollständigen Endurteilen. Die eine oder andere Beklagtenpartei hat es aufgrund deutlicher Hinweise des Gerichts dann doch vorgezogen, die Klage vorab anzuerkennen oder aber ein sog. Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen. Dies geschah beispielsweise in folgenden Fällen:

  • AG Esslingen, Versäumnisurteil vom 26.01.2016, Az. 7 C 1719/15
  • AG Stuttgart, Versäumnisurteil vom 31.03.2016, Az. 14 C 994/16
  • AG Stuttgart, Versäumnisurteil vom 01.04.2016, Az. 18 C 1102/16
  • LG München I, Anerkenntnisurteil vom 07.04.2022, Az. 42 O 10188/21
  • AG München, Versäumnisurteil vom 12.12.2022, Az. 161 C 14571/22
  • AG München, Anerkenntnisurteil vom 02.01.2023, Az. 161 C 14826/22
  • LG München I, Anerkenntnisurteil vom 17.01.2023, Az. 42 O 12401/22
  •  AG München, Endurteil vom 09.02.2023, Az. 161 C 15858/22

Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass bislang sind ausschließlich Urteile bekannt sind, die die Schutzfähigkeit der jeweils gegenständlichen Datenschutzerklärungen bejaht haben. Dies heißt umgekehrt: Es gibt bislang keinen einzigen gerichtlichen Fall, in dem der Urheberrechtsschutz an einer Datenschutzerklärung verneint wurde.


Welche Ansprüche bestehen bei einer Rechtsverletzung?


Im Falle einer Urheberrechtsverletzung steht dem Rechteinhaber in jedem Fall ein Anspruch auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz sowie Kostenerstattung zu.

Schadensersatz

Im Urheberrecht bestehen verschiedene Möglichkeiten der Schadensberechnung, zwischen welchen der verletzte Rechteinhaber wählen kann. In den vorgenannten Entscheidungen erfolgte die Berechnung des Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie, d.h. auf Grundlage einer fiktiven Lizenz. Die Berechnung des Schadensersatzes bemisst sich bei dieser Methode der Höhe nach rein objektiv danach, was bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte (vgl. beispielhaft BGH, GRUR 1990, 353 (355) – Raubkopien; BGH, GRUR 1987, 37 (39) – Videolizenzvertrag; BGH, GRUR 1990, 1008 (1009) – Lizenzanalogie). Aufgrund des rechtswidrigen Eingriffes in fremde Rechte kommt es gerade nicht darauf an, ob der Verletzer tatsächlich zum Abschluss eines Nutzungsvertrages bereit gewesen wäre (Wandtke/Bullinger/v. Wolff, UrhR, 2006, § 97 Rdnr.68).


In allen vorgenannten Gerichtsverfahren wurde dem Rechteinhaber Schadensersatz zugesprochen. Die ausgeurteilten Beträge bewegten sich dabei zwischen 150,00 EUR bis 500,00 EUR. Hierbei orientierten sich die Gerichte primär an der jeweiligen Lizenzpraxis des verletzten Rechteinhabers.

Anwaltskosten

Zusätzlich hat der Rechtsverletzer dem verletzten Rechteinhaber die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten zu erstatten. In den oben genannten Verfahren wurde mehrfach ein Gegenstandwert für den Unterlassungsanspruch von 6.000,00 EUR bestätigt, der sich je nach Wert der weiteren Ansprüche (Auskunft, Schadensersatz) noch erhöhte.

Verhalten nach Erhalt einer Abmahnung

In vielen Fällen wendet sich der abgemahnte Rechtsverletzer an einen Anwalt. Dies sollte er auch tun, um keinen Fehler zu machen, der zu teuren Folgekosten führt.

Vorsicht ist allerdings bei einigen Anwälten geboten, die Ihre Dienste allzu lautstark als Vertreter von „Abmahnopfern“ anbieten. Viele von Ihnen richten entsprechend suchmaschinenoptimierte Webseiten ein, um bei Eingabe spezieller Suchworte (wie z.B. Abmahnung Datenschutzerklärung) in eine Suchmaschine gefunden zu werden. Einige von Ihnen gehen dabei recht vorschnell mit lautstarken Parolen wie „Abzocke“ und „Betrug“ auf Stimmenfang, ohne dies auf fundierte Prüfung und Kennt-nisse stützen zu können. Man könnte es zum Teil auch als Geschäftsmodell bezeichnen, sein Geld damit zu verdienen, Mandanten in unnötige Prozesse zu treiben. Wer eine Abmahnung erhalten hat, sollte sich hier nicht von der Stimmungsmache mancher Anwälte blenden lassen, sondern auf eine seriöse Einschätzung Wert legen, die auch eine realistische Betrachtung etwaiger Folgekosten umfasst.

Fazit

In bislang allen bekannt gewordenen gerichtlichen Verfahren, haben die Gerichte die Schutzfähigkeit der dort jeweils gegenständlichen Datenschutzerklärungen bejaht. Der reflexhafte Verweis darauf, bei einer Datenschutzerklärung handele es sich um eine Gebrauchsschrift oder der Inhalt sei gesetzlich vorgegeben, greift daher deutlich zu kurz und entspricht meist nicht den Gegebenheiten. Unternehmen und Werbeagenturen sind daher schlecht beraten, wenn Sie im Falle einer Rechtsverletzung eine außergerichtliche Regulierung ablehnen. Schon gar nicht sollten Sie auf die polemischen Parolen einiger Anwälte hereinfallen, die Abmahnungen gerne vorschnell als „Abzocke“ oder „Betrug“ deklarieren, nur um damit selbst Mandaten zu ködern.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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