Vergütungsansprüche im Stresstest: Boni, Sonderzahlungen und die Hürden im Rechtsstreit

  • 5 Minuten Lesezeit
Dr. Marc Laukemann legt dar, wie wichtig die Vorbereitung auf potenzielle Konflikte zwischen Geschäftsführern und Gesellschaften ist. Anhand eines Urteils des OLG München vom 21.02.2024 zeigt er auf, dass die Durchsetzung von Vergütungsansprüchen ohne schriftliche Vereinbarungen und genaue Dokumentation sehr schwierig ist. Vier Beispielfälle verdeutlichen, dass Ansprüche auf Sondervergütungen, mündlich zugesagte Provisionen, Überstundenvergütungen und Sonderleistungen ohne entsprechende schriftliche Absicherungen und formale Beschlüsse kaum erfolgreich durchgesetzt werden können. Der Beitrag betont, wie entscheidend klare dienstvertragliche Vereinbarungen, detaillierte Aufzeichnungen und die Vermeidung von rein mündlichen Zusagen für Geschäftsführer sind. Dr. Laukemann empfiehlt, sich auf rechtlich verlässliche Grundlagen zu stützen, um im Konfliktfall geschützt zu sein.

Von Dr. Marc Laukemann*



Ein plötzlich eskalierter Streit zwischen Geschäftsführung und Gesellschaft – ein Szenario, das viele Geschäftsführer zu spät ernst nehmen. Oft glauben sie, dass mündliche Absprachen oder informelle Vereinbarungen im laufenden Geschäft ausreichen, um spätere Vergütungsansprüche durchzusetzen. Doch was in friedlichen Zeiten funktioniert, erweist sich im Ernstfall als fatale Fehleinschätzung. Das aktuelle Urteil des OLG München (21.02.2024 – 7 U 3629/22) zeigt deutlich: Das Hauptproblem liegt darin, dass Geschäftsführer sich nicht rechtzeitig ausreichend auf den Konfliktfall vorbereitet haben. Fehlen schriftliche Vereinbarungen und eine saubere Dokumentation, wird die Durchsetzung von Ansprüchen extrem schwierig.


1. Der Fall: Vier gescheiterte Ansprüche des Geschäftsführers

a) Sondervergütung für ein Verkaufsprojekt: Der Geschäftsführer argumentierte, dass er für die Realisierung eines Sonderprojekts – die Sicherstellung einer vertraglich vereinbarten Sicherheit – eine zusätzliche Vergütung verdiene. Doch das OLG wies seinen Anspruch ab. Der Grund: Es gab keine schriftliche Vereinbarung, die das Projekt als „Sonderprojekt“ im Sinne des Anstellungsvertrags klassifizierte. Hier zeigt sich, wie gefährlich es ist, auf die nachträgliche Interpretation von Aufgaben zu setzen. Ohne klare vertragliche Absicherung werden solche Ansprüche nicht anerkannt.

b) Mündlich zugesagte Provision: In einer E-Mail hieß es: „We agreed at yesterday's ARS that commission should be paid...“. Der Geschäftsführer sah darin eine mündliche Zusage einer Provision. Doch das Gericht entschied: Solche informellen Absprachen reichen nicht aus, um eine rechtlich durchsetzbare Forderung zu begründen. Ohne formellen Aufsichtsratsbeschluss bleibt der Geschäftsführer hier ohne Vergütung. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Geschäftsführer oft erst dann merken, wie wichtig formelle Prozesse sind, wenn es zu spät ist.

c) Überstundenvergütung: Der Geschäftsführer beanspruchte eine Vergütung für 64 zusätzliche Arbeitsstunden, die er in einem bestimmten Zeitraum geleistet haben will. Doch das Gericht lehnte diesen Anspruch ab, da der Geschäftsführer es versäumt hatte, die Mehrarbeit konkret zu dokumentieren. Pauschale Angaben zu Zeiträumen und Tätigkeiten reichten nicht aus. Die Lektion hier: Wer als Geschäftsführer keine detaillierten Aufzeichnungen führt, hat später kaum eine Chance, seine Ansprüche durchzusetzen.

d) Sonderleistungen ohne schriftliche Vereinbarung: In der Vergangenheit wurden Sonderleistungen des Geschäftsführers stets mündlich mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden verhandelt. Der Geschäftsführer glaubte, dass dies auch in Zukunft ausreichen würde. Doch das Gericht machte klar: Ohne schriftliche Vereinbarungen und formale Beschlüsse gibt es keine rechtliche Grundlage für solche Ansprüche. Die informelle Praxis der Vergangenheit wird im Streitfall zum Verhängnis.


2. Rechtliche Leitsätze des OLG München: Vorbereitung ist alles!

a) Schriftliche Beschlüsse des Aufsichtsrats erforderlich: Das OLG München stellte klar, dass Sondervergütungen für Geschäftsführer nur dann wirksam sind, wenn sie durch einen ordnungsgemäßen Aufsichtsratsbeschluss gedeckt sind. Mündliche Absprachen oder informelle Vereinbarungen haben keinerlei rechtliche Wirkung. § 112 AktG fordert ausdrücklich einen formalen Beschluss, der in einer Sitzung gefasst wird (Rn. 66). Viele Geschäftsführer verlassen sich zu oft auf informelle Zusagen, doch im Ernstfall zählen nur dokumentierte Entscheidungen.

b) Vergütungsansprüche und § 612 BGB: § 612 BGB ermöglicht grundsätzlich einen Anspruch auf Vergütung für Leistungen, die über die vertraglich geschuldete Tätigkeit hinausgehen. Doch für Geschäftsführer gelten hier strengere Maßstäbe, da sie Dienstleistungen „höherer Art“ erbringen (§ 627 BGB). In der Praxis bedeutet dies, dass zusätzliche Arbeitsstunden nur dann bezahlt werden, wenn sie vertraglich geregelt sind. Ohne klare Vereinbarung über den Umgang mit Mehrarbeit wird es für Geschäftsführer schwer, Vergütungsansprüche erfolgreich durchzusetzen.

c) Substanziierungspflicht bei Mehrarbeit: Ein zentraler Punkt des Urteils war die Substanziierungspflicht. Das Gericht betonte, dass pauschale Angaben zu geleisteter Mehrarbeit nicht ausreichen. Der Geschäftsführer hätte detailliert darlegen müssen, welche Tätigkeiten er wann und in welchem Umfang ausgeführt hat (Rn. 100). Hier zeigt sich besonders deutlich: Wer als Geschäftsführer keine genauen Aufzeichnungen führt, hat keine Chance, seine Ansprüche durchzusetzen. Es reicht nicht, nur die Ergebnisse zu kennen – es müssen die einzelnen Schritte dokumentiert werden.

d) Keine Gleichbehandlung mit anderen Teammitgliedern: Der Geschäftsführer argumentierte, dass ein externer Berater für ähnliche Leistungen eine Vergütung erhalten habe und er deshalb ebenfalls Anspruch auf eine Sonderzahlung habe. Das Gericht stellte jedoch klar, dass dies irrelevant sei. Entscheidend sind die individuellen Vereinbarungen zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung besteht nicht (Rn. 85). Die Annahme, dass ähnliche Leistungen automatisch gleiche Vergütungen nach sich ziehen, erweist sich oft als Trugschluss.


Fazit: Dokumentation und vertragliche Absicherung als Schutzschild

Das Urteil des OLG München verdeutlicht eindrucksvoll, dass das Hauptproblem für viele Geschäftsführer darin liegt, dass sie sich nicht rechtzeitig auf den Konfliktfall vorbereiten. Mündliche Absprachen, informelle Zusagen und fehlende Dokumentationen machen es im Streitfall nahezu unmöglich, Vergütungsansprüche, Boni oder Sonderzahlungen durchzusetzen. Wer darauf vertraut, dass bisherige mündliche Absprachen auch in Konfliktsituationen Bestand haben, riskiert, im Ernstfall ohne rechtliche Grundlage dazustehen.

Für Geschäftsführer heißt das:

  1. Treffen Sie klare Vereinbarungen in Ihrem Dienstvertrag: Sondervergütungen oder Überstundenvergütungen bedürfen für Geschäftsführer i.d.R. einer besonderen Rechtfertigung, andernfalls sind sie (meist) mit einem angemessenen Gehalt bereits abgedeckt.
  2. Schriftliche Vereinbarungen sind unerlässlich – jede Sondervergütung sollte klar dokumentiert und durch das zuständige Organ (bei der GmbH i.d:R. alle Gesellschafter oder deren bevollmächtigter Vertreter), soweit vorhanden bei einem Aufsichtsrat) abgesegnet werden.
  3. Führen Sie detaillierte Aufzeichnungen über geleistete Mehrarbeit und zusätzliche Leistungen, um im Streitfall vorbereitet zu sein.
  4. Verlassen Sie sich nicht auf mündliche Absprachen oder informelle Zusagen oder eine „betriebliche Übung“, denn diese bieten keinen rechtlichen verlässlichen Schutz.



Über den Autor: Dr. Marc Laukemann ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei LFR Wirtschaftsanwälte. Seine Schwerpunkte liegen im Prozessrecht und der Beratung bei Gesellschafterstreitigkeiten. Er berät Geschäftsführer und Unternehmer in komplexen Rechtsfragen und vertritt sie in Konflikten rund um Vergütungsansprüche und Boni.

Über die Kanzlei

LFR Wirtschaftsanwälte ist eine auf Wirtschaftsrecht spezialisierte Kanzlei mit Sitz in München. Unsere erfahrenen Anwälte beraten mittelständische Unternehmen, Gesellschafter und Führungskräfte in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts, von der Gründung bis zur Konfliktbewältigung. Mit einem interdisziplinären Team bieten wir maßgeschneiderte Lösungen für Ihre rechtlichen Herausforderungen.

Weitere Informationen finden Sie unter Prozessrecht & ADR und Gesellschafterstreit.


Foto(s): kreiert mit ChatGpt 4.0. am 20.10.24

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann

Beiträge zum Thema