Verjährung im StGB
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Verfolgungsverjährung bedeutet, dass nach einem bestimmten Zeitablauf eine Straftat nicht mehr verfolgt werden kann. Nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist kann keine Anklage mehr erhoben werden und kein Urteil ergehen, selbst wenn die Straftat bewiesen ist. Das gilt in Deutschland für alle Straftaten außer Mord. Mord verjährt nie. Ebenso Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Daneben gibt es noch die Vollstreckungsverjährung. Diese betrifft den Fall, wenn schon ein rechtskräftiges Strafurteil vorliegt. Die Vollstreckung eines Strafurteils muss innerhalb bestimmter Fristen erfolgen. Tritt zuvor die Vollstreckungsverjährung ein, weil sich der Verurteilte der Vollstreckung des Urteils lang genug entziehen konnte, beispielsweise in einem Land, das nicht nach Deutschland ausliefert, dann kann die mit dem Urteil verhängte Strafe nicht mehr vollstreckt werden, sollte der Täter später doch noch gefasst werden oder wieder einreisen.
Die Länge der Verjährungsfristen richtet sich dabei nach der Länge der zu erwartenden oder der erkannten Strafen.
Verfolgungsverjährung
Sie ist in § 78 StGB geregelt. Nach Ablauf einer bestimmten Frist entsteht das Verfahrenshindernis der Verjährung. Die Tat kann nicht mehr geahndet werden.
Sie beginnt mit der Beendigung der Straftat oder bei Eintritt des zum Tatbestand gehörendem Erfolges, § 78a StGB.
Die Verfolgungsverjährung kann auch während eines bereits laufenden Strafprozesses eintreten. Dann muss das Verfahren eingestellt werden. Bei mehreren Taten können Einzeltaten verjähren. Relativ häufig geschieht dies zB bei Prozessen wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Bei diesen Taten kann ein Ermittlungsverfahren sehr lange dauern und bis die Anklage dann erhoben und tatsächlich prozessiert wird, kann es vorkommen, dass jeden Monat eine Tat verjährt.
Allerdings kann die Verfolgungsverjährung durch Unterbrechungstatbestände, § 78c StGB, hinausgeschoben werden. Und § 78b StGB sieht ein Ruhen der Verjährung für bestimmte Fallkonstellationen vor. Das kann im Einzelfall sehr kompliziert werden. Hier ist eine sorgfältige Beratung den konkreten Fall betreffend angeraten.
Allgemein gilt:
Keine Verfolgungsverjährung bei Mord und entsprechenden Delikten wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
30 Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind.
20 Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von über 10 Jahren bedroht sind.
10 Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als 5 bis 10 Jahren bedroht sind.
5 Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als 1 Jahr bis 5 Jahren bedroht sind.
Und bei allen anderen Strafen nach 3 Jahren.
Vollstreckungsverjährung
Sie ist in § 79 StGB geregelt. Nachdem sie abgelaufen ist, kann eine Strafe nicht mehr vollstreckt werden. Die Strafe selbst besteht weiterhin, sie darf nur nicht mehr vollstreckt werden. Nicht betroffen hiervon ist die Sicherheitsverwahrung, weil sie keine Strafe ist, und eine lebenslange Freiheitsstrafe. Deren Vollstreckung kann schon logisch nicht verjähren, es steht aber auch noch ausdrücklich in § 79 II StGB, dass sie nicht verjährt.
Bei einer Geldstrafe bis 30 Tagessätze tritt die Vollstreckungsverjährung nach 3 Jahren ein.
Bei einer Geldstrafe über 30 Tagessätze oder einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr beträgt sie schon 5 Jahre.
Bei Freiheitsstrafe über 1 Jahr bis 5 Jahre sind es 10 Jahre.
Bei Freiheitsstrafe über 5 Jahre bis 10 Jahre sind es 20 Jahre.
Bei Freiheitsstrafe über 10 Jahre sind es 25 Jahre.
Auch die Vollstreckungsverjährung kann ruhen, § 79a StGB, und auf Antrag der Vollstreckungsbehörde einmalig verlängert werden, § 79b StGB.
Fristen der Verfolgungsverjährung einiger Delikte:
Betrug
Der einfache Betrug ist in § 263 StGB geregelt. Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren. Somit beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 StGB III Nr. 4 StGB auch 5 Jahre.
Beim Betrug kann allerdings der Beginn der Verjährungsfrist schwierig zu bestimmen sein. Denn sie setzt die Beendigung voraus, § 78a S. 1 StGB. Die Beendigung tritt beim Betrug erst bei vollständiger Erlangung des Vorteils bzw. mit Vorliegen des endgültigen Schadens ein. Wird ein Gesamtschaden erst durch mehrere Verfügungen herbeigeführt, gilt der Grundsatz, dass der Betrug zwar mit der ersten Teilverfügung vollendet aber erst mit dem letzten Teilakt beendet ist.
§ 78 IV StGB regelt, dass Strafmilderungen und Strafschärfungen für die Verjährungsfrist unberücksichtigt bleiben. Daher ändert sich die Verjährungsfrist für den besonders schweren Fall des Betrugs, § 263 III StGB, nicht, auch wenn dafür eine Höchststrafe von 10 Jahren droht.
Diebstahl
Er ist in § 242 StGB geregelt. Wie beim Betrug droht eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren, so dass die Verjährungsfrist bei 5 Jahren liegt. Auch hier gilt § 78 IV StGB, so dass sich die Verjährungsfrist bei einem besonders schweren Fall nicht ändert.
Achtung, § 78 IV StGB gilt nicht bei Qualifikationen, zB dem Diebstahl mit Waffen, Bandendiebstahl und Wohnungseinbruchdiebstahl, § 244 StGB. Hier beträgt die Verjährungsfrist 10 Jahre, weil die Höchststrafe 10 Jahre beträgt.
Körperverletzung
Die Antwort auf die Frage wann sie verjährt, kann sehr kompliziert werden. Liegt eine einfache Körperverletzung vor? Eine gefährliche? Eine schwere? Oder gar eine mit Todesfolge? Das Gesetz sieht dafür unterschiedliche Höchststrafen vor und somit sind nach § 78 StGB die Fristen der Verfolgungsverjährung unterschiedlich lang.
Zum Beispiel:
Für die einfache Körperverletzung sieht § 223 StGB eine Höchststrafe von 5 Jahren Freiheitsstrafe vor. Sie verjährt somit gem. § 78 StGB nach 5 Jahren. Dieselbe Verjährungsfrist gilt für eine fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB, die nur eine Höchststrafe von 3 Jahren vorsieht.
Bei einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 StGB ist die gesetzliche Höchststrafe 10 Jahre, die Verjährungsfrist beträgt damit auch 10 Jahre. Dasselbe gilt für die schwere Körperverletzung. Schwere Körperverletzung und gefährliche Körperverletzung werden häufig in der Presse verwechselt oder gleichgesetzt, sind aber unterschiedliche Delikte.
Und 20 Jahre Verjährungsfrist gilt für Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB, oder die Verstümmelung weiblicher Genitalien, § 226a StGB, weil das Höchststrafmaß bei beiden bei 15 Jahren liegt.
Mord verjährt nie, er kann immer verfolgt werden.
Steuerstrafrecht
§ 367 I AO geht dem § 78 IV StGB als Spezialvorschrift vor. Hier wird die 10jährige Verjährungsfrist aus der Strafrahmenerhöhung für besonders schwere Regelbeispielsfälle abgeleitet.
Vergewaltigung
§ 177 VI Nr. 1 StGB. Sie sieht als Mindeststrafe 2 Jahre vor und als Höchststrafe 15 Jahre. Sie verjährt somit gem. § 78 III Nr. 2 StGB in 20 Jahren.
§ 177 VI Nr. 1 StGB wird hierbei nicht als strafrahmenmodifiziernde Vorschrift gesehen, dann wäre der erhöhte Strafrahmen nach § 78 IV StGB für die Verjährungsfrist unerheblich, sondern als eigener Straftatbestand.
Wichtig ist hierbei aber, dass sich der Verjährungsbeginn nach dem Alter des Opfers richtet. Nach § 78b I Nr. 1 StGB ruht die Verjährung bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers. Das ist eine Ausnahme von der Regel, dass die Verjährung sonst mit Beendigung der Tat beginnt. Dies gilt rückwirkend für alle Taten, die bis zum 22.01.2015 noch nicht verjährt waren. Für Alttaten vor den Gesetzesänderungen in 1997 und 1998 richtet sich die Verjährung nach dem jeweils günstigeren Recht.
Verjährungsfristen im Bundeszentralregister und Führungszeugnis
Hier geht es nicht um die Frage, wann Straftaten noch verfolgt und Strafen verhängt oder vollstreckt werden dürfen, sondern, wie lange eine rechtskräftige Verurteilung in den jeweiligen Registern eingetragen bleibt und wann sie dort zu löschen ist. Das hängt von der tatsächlich verhängten Strafe ab. Und je nach Länge oder Art dieser tatsächlichen Strafe gelten dann unterschiedliche Fristen, wobei die Fristen im Bundeszentralregister und Führungszeugnis unterschiedlich sind. Und schließlich kann es auch auf das konkrete Delikt und etwaige bestehende Voreintragungen ankommen.
Die obigen Ausführungen sind nur eine generalisierende Übersicht. Im Einzelfall kann es auf weitere Umstände ankommen, zum Beispiel die oben angesprochene Hemmungs- und Ruhenstatbestände, Gesetzesänderungen während der Vollstreckungsverjährung, Teilverbüßung einer Strafe mit anschließender Ausweisung etc.
Fragen der Verjährung sollten genau geprüft werden. Denn wenn fälschlich von bereits eingetretener Verjährung ausgegangen wird und eine Tat dann gestanden oder nach zehn Jahren wieder nach Deutschland eingereist wird im Glauben, dass nichts mehr passieren kann, könnte ein böses Erwachen erfolgen, wenn die Verjährung wegen eines besonderen Umstandes doch noch nicht eingetreten war. Dann droht überraschend eine Anklage oder Strafvollstreckung.
Wenn Sie Fragen zu einem konkreten strafrechtlichen Verjährungsfall haben, können Sie sich gerne an mich wenden.
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