„Verschlimmerungsantrag“ – häufig keine sinnvolle Alternative zu Widerspruch oder Klage!

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Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen können das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) behördlich feststellen lassen (§ 152 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX).

Ab einem GdB von 50 liegt eine Schwerbehinderung vor (§ 2 Abs. 2 SGB IX) und es kann ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt werden. Dieser berechtigt zur Inanspruchnahme wichtiger Nachteilsausgleiche, wie z. B. Altersrente für schwerbehinderte Menschen, Kündigungsschutz, Steuerfreibetrag. Bestimmte Nachteilsausgleiche können bereits ab einem GdB von 30 erlangt werden.

Die behördlichen Feststellungen zur Höhe des Grades der Behinderung entsprechen vielfach nicht dem tatsächlichen Ausmaß der behinderungsbedingten Einschränkungen. Der im Bescheid ausgewiesene GdB bleibt häufig hinter den Erwartungen und Beeinträchtigungen zurück.

Betroffene erhalten in dieser Situation vielfach den „gut gemeinten Rat“ in Kürze einen „Verschlimmerungsantrag“ zu stellen. Widerspruch oder gar Klage zum Sozialgericht seien doch zu aufwendig und wenig erfolgversprechend.

Wird der vermeintlich kluge Rat befolgt, münden die weiteren Bemühungen um einen Schwerbehindertenausweis häufig in einer Sackgasse, wie z. B. in folgender Konstellation:

Die Behörde stellt per Bescheid einen GdB von 40 fest. Richtigerweise hätte das erhebliche Ausmaß der behinderungsbedingten Einschränkungen aber mit einem GdB von 50 bewertet werden müssen. Einen Widerspruch legt die betroffene Person wegen des „Tipps“ nicht ein, obwohl sie mit der Entscheidung nicht einverstanden ist. Der fehlerhafte Bescheid erlangt nach Ablauf der Widerspruchsfrist Bestandskraft, d. h. sein Inhalt (GdB 40) wird grundsätzlich bindend.

Einige Zeit später, eine Änderung der gesundheitlichen Situation ist nicht eingetreten, beantragt die betroffene Person eine Neufeststellung des Grades der Behinderung („Verschlimmerungsantrag“). Der Antrag wird mit der – insoweit zutreffenden – Begründung abgelehnt, dass eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht eingetreten ist.

Die Behörde verweist auf § 48 Abs. 1 SGB X. Danach darf sie einen bestandskräftigen Bescheid nur dann aufheben und eine günstigere Entscheidung treffen, wenn seit der letzten Feststellung (GdB 40) eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten ist. Daran fehlt es im Beispielsfall jedoch. Das Ausmaß der gesundheitlichen Einschränkungen ist gleichbleibend.

Nur die fristgerechte Anfechtung eines Bescheides oder Widerspruchsbescheides mittels Widerspruch oder Klage hindert den Eintritt der Bestandskraft der fehlerhaften Entscheidung. Im Rahmen der Rechtsbehelfsverfahren können unzutreffende Beurteilungen korrigiert und sachgerechte Feststellungen durchgesetzt werden. 

Der zeitliche Aufwand ist meist überschaubar. Widerspruchsverfahren sind häufig in drei bis vier Monaten erledigt und gerade im Schwerbehindertenrecht bietet das sozialgerichtliche Klageverfahren beachtliche Erfolgsaussichten.

Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und kann eine individuelle Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.


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