Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen im Kündigungsschutzprozess

  • 2 Minuten Lesezeit

Einmal mehr wurde durch ein Gericht bestätigt, dass es im Datenschutzrecht auf eine Einzelfallbetrachtung der widerstreitenden Interessen ankommt.  

Sachverhalt – Kündigung wegen vorgetäuschter Ableistung einer Schicht

Ein in einer Gießerei beschäftigter Mann soll vor Schichtbeginn das Werksgelände wieder verlassen und trotzdem Lohn für die Schicht kassiert haben. Ein schwerer, womöglich sogar strafrechtlich relevanter Vorwurf, der zur sofortigen Kündigung berechtigen könnte. Dieser Ansicht war zumindest der Werkbetreiber und kündigte den Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise ordentlich. Ein anonymer Hinweis hatte den Arbeitgeber auf ein Video einer am Tor des Geländes angebrachten Überwachungskamera gestoßen, welches den vorzeitigen Feierabend des Mannes belegen sollte. Gegen diese Kündigung reicht der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage ein und trug vor, ordnungsgemäß zur Arbeit erschienen zu sein. Als der Werksbetreiber das Video zum Beweis des „wichtigen Grundes“ zur Kündigung in die Verhandlung einführen wollte, widersprach der Arbeitnehmer. Die Überwachung verstoße gegen Bundes- und EU-Datenschutzrecht. Auch seien die Aufnahmen zu lange gespeichert worden. Hinweisschilder hätten eine Speicherdauer von 96 Stunden ausgewiesen, die im vorliegenden Fall überschritten worden seien. Nach Ansicht des Arbeitnehmers unterlägen die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung einem Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot und dürften daher im Kündigungsschutzprozess nicht berücksichtigt werden. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Über die hiergegeben gerichtete Revision der Beklagten (Arbeitgeber) entschied nun das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 29.06.2023 – 2 AZR 296/22).

Bundesarbeitsgericht bejaht Verwertbarkeit des Überwachungsverbots

Die Richter in Erfurt hoben die Entscheidung der vorherigen Instanz auf und verwiesen die Sache an das LAG zurück. Es spiele „keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der DSGVO entsprach“, so die Ausführungen des BAG. Eine Verwertung der personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers durch die Gerichte für Arbeitssachen stehe der DSGVO nicht entgegen. Das gelte jedenfalls dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein vorsätzliches Fehlverhalten in Rede steht und die Videokamera durch ein Schuld ausgewiesen und sonst nicht zu übersehen sei. Ein möglicher Datenschutzverbot führe daher nicht automatisch zum Beweisverwertungsverbot. Vielmehr müsse das Gericht die widerstreitenden Interessen abwägen. Im Prozess um eine fristlose Kündigung wegen eines vorsätzlichen Fehlverhaltens wiege das Interesse an der Aufklärung des Sachverhalts stärker als die Datenschutzinteressen des Arbeitnehmers. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn die offene Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstelle, welche im hier gelagerten Fall verneint werden kann. Das Gericht stellt damit einmal mehr klar, dass Datenschutz kein Täterschutz ist.


Sie haben Fragen zu dem Thema? Unsere erfahrenen und kompetenten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für Arbeitsrecht und Datenschutzrecht beraten und unterstützen Sie gerne. Melden Sie sich bei uns und vereinbaren Sie einen Termin. 

Foto(s): Foto(s): Adobe Stock - #596055957- Paulius

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Sabrina Schmitt

Beiträge zum Thema