Verwertbarkeit von WhatsApp-Nachrichten in beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren
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Die Verwertbarkeit von WhatsApp-Nachrichten im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren kann von verschiedenen Faktoren abhängen. Grundsätzlich können digitale Kommunikationsmittel, wie WhatsApp, als Beweismittel herangezogen werden, solange sie rechtmäßig erlangt wurden und die entsprechenden Datenschutzbestimmungen beachtet werden.
Es ist wichtig, dass die Nachrichten authentisch sind und nicht manipuliert wurden.
In einem neuerlichen Beschluss des Hessischer Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 30.06.2023 - 28 E 803/23.D) hat das Gericht sich zur disziplinarrechtlichen Relevanz von WhatsApp-Nachrichten bei einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung gegenüber einem Beamten (Polizist) geäußert.
Das Gericht hat betont, dass Inhalte, die in einem Einzelchat zwischen freundschaftlich verbundenen Personen geteilt werden, grundsätzlich nicht disziplinarisch von Relevanz Relevanz sind. Damit hat sich das Gericht einem Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.01.2022 (2 WD 4/21) in einer wehrdisziplinarrechtlichen Angelegenheit angeschlossen.
Das Gericht hat betont:
„Der Kreis möglicher Vertrauenspersonen ist nicht auf Eheleute oder Eltern beschränkt, sondern erstreckt sich auf ähnlich enge - auch rein freundschaftliche - Vertrauensverhältnisse. Entscheidend für den grundrechtlichen Schutz der Vertrauensbeziehung ist, dass ein Verhältnis besteht, welches für den Betroffenen in seiner Funktion, ihm einen Raum zu bieten, in dem er ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen verkehren kann, dem Verhältnis vergleichbar ist, wie es in der Regel zu Eheleuten, Eltern oder auch anderen Familienangehörigen besteht. Ein solches besonderes Näheverhältnis kann auch zwischen Menschen bestehen, die als Mitglieder einer Gruppe Gleichgesinnter mit gemeinsamen Freizeitgewohnheiten („Clique“) befreundet sind. Für junge Menschen sind in der Funktion als Ort entlasteter und entlastender vertrauensvoller Kommunikation häufig gerade Freundschaften dieser Art besonders wichtig. Zur Beurteilung, ob im Einzelfall zwischen den an einer Kommunikation Beteiligten ein derartiges Vertrauensverhältnis besteht, sind neben dem Charakter der Vertrauensbeziehung die Art und der Kontext der (ehrverletzenden) Äußerung zu berücksichtigen (zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2022 - 2 WD 4/21 -, juris Rn. 52 m. w. N.).
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(b) Danach sind die vom Antragsteller vorgelegten WhatsApp-Inhalte zwischen dem Antragsgegner und PK D. disziplinarisch von vornherein nicht von Relevanz. Zwischen dem Antragsgegner und PK D. bestand nach Aktenlage ein vorstehend beschriebenes Vertrauensverhältnis. Dass es sich um Kollegen handelt, steht dem nicht entgegen. Auf eine freundschaftliche Verbundenheit lässt sich nicht nur aufgrund der miteinander geteilten Inhalte, auf deren gegenseitige Verschwiegenheit sie wohl vertrauten, schließen. Hierfür spricht vor allem auch, dass sich beispielsweise dem ausgedruckten „Chatverlauf“ entnehmen lässt, dass sie auch im Urlaub miteinander Kontakt pflegten (Nachricht vom 28. Mai 2021), der Antragsgegner über seine Cousine schrieb (Nachricht vom 30. Juni 2021) und eine Konversation offensichtlich mit Bezug zur Schwangerschaft der Partnerin des PK D erfolgte (Nachricht vom 30. August 2021). Für eine freundschaftliche Verbundenheit streiten auch weitere Nachrichten, auch dem „Report_B.“ auf der dem Antrag beigefügten DVD. Darin vertraut der Antragsgegner beispielsweise PK D mit den einleitenden Worten „Das bleibt jetzt unter uns“ an, dass er sich „offensichtlich auf die Hose gekotzt“ habe (Nachricht vom 26. Juni 2021). Ferner finden sich mehrfache Unterhaltungen über Angelsport und der Austausch bzgl. der Pin eines wohl gemeinsamen genutzten Netflix-Kontos (Nachrichten vom 22. März 2022).“
Das Gericht geht ferner auch auf die Auslegung von WhatsApp-Nachrichten ein und stellt dessen Verhältnis zum Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes dar:
„Die Annahme des Verwaltungsgerichts ist schon deshalb nicht tragfähig, weil es die jeweiligen WhatsApp-Inhalte nicht unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ausgelegt und einer eingehenden rechtlichen Prüfung unterzogen hat. Es führt zwar zunächst aus, es dürften sich zwar einige der vom Antragsteller aufgeführten Äußerungen noch im Bereich der im Rahmen der Meinungsfreiheit zulässigen Kritik an der Politik der Regierung, insbesondere deren Flüchtlings- und Minderheitenpolitik, bewegen. Sodann nimmt das Verwaltungsgericht aber pauschal an, dass einige Äußerungen hingegen deutlich für eine fremden- und demokratiefeindliche Gesinnung des Beamten sprächen. Ohne weitere Ausführungen und einer Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gerecht werdenden Auslegung werden im Folgenden vom Verwaltungsgericht selbst „herausgepickte“ Nachrichten/Dateien als Verstoß gegen die Treuepflicht aufgelistet. Das Verwaltungsgericht berücksichtigt dabei auch nicht, dass der Antragsteller den ausgedruckten „Chatverlauf“ lediglich fragmentarisch vorgelegt hat und die kommentarlos auf der beigefügten DVD enthaltenen Dateien ungeordnet sind sowie offensichtliche Belanglosigkeiten enthalten. Vielmehr misst das Verwaltungsgericht den Äußerungen des Antragsgegners offenbar allein eine verschärfende und damit überzogene Deutung bei. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.“
Sollte gegen Sie als Beamter ein disziplinarrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, empfiehlt es sich schon im Hinblick auf etwaige Konsequenzen anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Wir stehen insofern bundesweit Beamten zur Verfügung.
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