Verzicht auf künftigen Pflichtteil: Wie wird die Abfindung besteuert?

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Einführung

Durch lebzeitigen Pflichtteilsverzicht kann die Nachfolgeplanung erheblich erleichtert werden. Allerdings verlangt der Verzichtende dafür in aller Regel eine Abfindung. Kann der künftige Erblasser (in der Regel der Vater oder die Mutter) keine Abfindung zahlen, ist Hopfen und Malz noch nicht verloren. Statt der Eltern zahlen eben die Geschwister als künftige Erben die Abfindung. Grundlage dafür ist der sogenannte Erbschaftsvertrag gemäß § 311b Abs. 5 BGB. Hat der Verzichtende in einem solchen Fall die Abfindung aus steuerlicher Sicht vom (künftigen) Erblasser oder von den (künftigen) Erben erhalten? Je nach Antwort können sich erhebliche Unterschiede in der steuerlichen Belastung ergeben.

Der konkrete Fall

Über einen solchen Sachverhalt hatte der Bundesfinanzhof zu entscheiden. Der Kläger hatte im Jahr 2006 mit seinen drei Brüdern einen notariell beurkundeten Erbschaftsvertrag abgeschlossen. Er versprach seinen Brüdern, keine Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend zu machen, sollte die Mutter ihn enterben. Als Gegenleistung erhielt er von jedem Bruder einen Abfindungsbetrag von 150.000 Euro, insgesamt also 450.000 Euro.

Das Finanzamt sah die Zahlung der Abfindung von 450.000 Euro als (fiktive) Schenkung der Mutter an. Es rechnete die Schenkungen der letzten 10 Jahre hinzu und verlangte vom Verzichtenden die Zahlung von Schenkungsteuer.

Dagegen wehrte sich der Verzichtende. Die von seinen Brüdern gezahlten Abfindungen könnten nicht als Schenkung der Mutter an ihn besteuert werden.

Die Entscheidung

Der Bundesfinanzhof gibt in seinem Urteil vom 16.05.2013 dem Kläger Recht. Wenn künftige gesetzliche Erben in einem Erbschaftsvertrag nach § 311b Abs. 5 BGB vereinbaren, dass einer der künftigen Erben auf seine künftigen Pflichtteilsansprüche gegen Zahlung einer Abfindung verzichte, sei die Zahlung als freigebige Zuwendung der Brüder zu bewerten, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, weil die Zahlung aus dem Vermögen der Brüder geleistet werde.

Es sei nicht möglich, stattdessen eine fiktive freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers an den Empfänger der Abfindungszahlung zu besteuern. Dafür gebe es keine gesetzliche Grundlage. Der Sondertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG, wonach als Schenkung unter Lebenden gilt, was als Abfindung für einen Erbverzicht nach dem Erbfall gewährt werde, sei auf die Fälle des Verzichts auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch nicht anwendbar.

Nur die Steuerklasse richte sich nach dem Verhältnis zwischen (künftigem) Erblasser und (künftigem) gesetzlichen Erben. Das hat zum Ergebnis, dass die günstigere Steuerklasse I anzuwenden ist und nicht die Steuerklasse II, die sonst für Geschwister gilt.

Es handelt sich damit nicht um eine Schenkung der Mutter in Höhe von 450.000 Euro, sondern um drei „Schenkungen" der Brüder in Höhe von jeweils 150.000 Euro.

Beim (künftigen) Erbfall können die Brüder die Abfindungszahlung vom steuerlichen Erwerb abziehen, sodass eine später eine Steuerersparnis eintreten kann.

Offene Fragen

Ungeklärt ist noch, welcher Freibetrag für die freigebigen Zuwendungen gelten - der Freibetrag für Kinder in Höhe von 400.000 Euro oder der Freibetrag für Geschwister in Höhe von (nur) 20.000 Euro. Der Bundesfinanzhof hat diese wichtige Frage nicht entschieden. Konsequent wäre es, den Freibetrag zu Grunde zu legen, den § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG für Kinder vorsieht, also 400.000 Euro. Dann wäre der Erwerb des verzichtenden Bruders völlig steuerfrei.

Die Finanzverwaltung wird vermutlich lediglich den Freibetrag unter Geschwistern in Höhe von 20.000 Euro gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 5 anerkennen. In diesem Fall muss der Verzichtende jeweils 130.000 Euro mit einem Satz von 11 % versteuern, also jeweils 14.300 Euro für jeden Erwerb zahlen, zusammen 42.900 Euro.

Der nächste Streit ist programmiert.

Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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