VGH Baden-Württemberg erklärt den Planfeststellungsbeschluss zum Polder Bellenkopf/Rappenwört für rechtswidrig

  • 2 Minuten Lesezeit

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat nach insgesamt fünf Verhandlungstagen im September und November 2023 den Planfeststellungsbeschluss zum Polder Bellenkopf/Rappenwört nun für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Der Tenor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren liegt zwar seit dem 01.12.2023 vor, allerdings (noch) nicht die ausführlichen Entscheidungsgründe. Der Begründung des zwischenzeitlich vorliegenden Beschlusses im einstweiligen Verfügungsverfahren vom 22.12.2023 lässt sich jedoch entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtswidrigkeit auf drei wesentliche Gründe stützt, die wie folgt zusammengefasst werden können:


1.

Die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses beruht zunächst darauf, dass die geplanten Baumaßnahmen am Hauptdamm XXV mit der Landesstraße 566 in erheblichem Umfang mit der Verwirklichung baubedingter und artenschutzrechtlicher Zugriffsverbote im Sinne des § 45 Abs. 1 BNatSchG einhergehen. Die im Hinblick auf die Zulassungsausnahmen im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG durchgeführte behördliche Prüfung zumutbarer Alternativen hat nach Auffassung des VGH Baden-Württemberg den Anforderungen des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG nicht genügt. Denn die Planfeststellungsbehörde hat die nach einem vom Gericht erhobenen Sachverständigenbeweis als technisch möglich festgestellte Alternative der Ertüchtigung des Hochwasserdamms XXV durch Einprägung einer statisch wirksamen Hochwasserschutzwand (Spundwand), mit der ein deutlich geringerer Flächenverbrauch und auch geringere Auswirkungen auf die angrenzenden Gehölzbestände einhergehen würde als mit dem im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Damm, nicht hinreichend in Erwägung gezogen und mit einer rechtlich nicht tragfähigen Entscheidungsgrundlage verneint.


Diese Abwägungsmängel führt nach der Auffassung des 3. Senats des Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 22.12.2023 (einstweiliges Verfügungsverfahren) gleichzeitig zu einer Verletzung des naturschutzrechtlichen Vermeidungsgebots (§ 15 Abs. 1 BNatSchG).


2.

Außerdem leidet der Planfeststellungsbeschluss nach Auffassung des Senats auch an Abwägungsmängeln im Hinblick auf das Schutzgut Boden, weil die Behörde den Umfang und die Auswirkungen von Schadstoffeintragungen über Schwebstoffe in den Retentionsraum infolge von Retentionsflutungen und ökologischen Flutungen oberhalb von Abflusswerten von 2.600 m³/s am Pegel Maxau unzutreffend ermittelt hat.


Das Gericht geht davon aus, dass die Behörde den Planfeststellungsbeschluss hierbei auf eine nicht nachvollziehbare Datengrundlage gestützt hat.


Die behördliche Auswirkungsprognose sei nach Auffassung des Gerichts daher insgesamt rechtlich nicht tragfähig, so dass nicht beurteilt werden könne, ob die vorhabenbedingten negativen Auswirkungen der beabsichtigten ökologischen Flutungen auf Böden und die hiermit verbundenen Schadstoffeinträge als angeblich „nicht erheblich“ angesehen werden können, wovon der Planfeststellungsbeschluss aber mit unzureichender Begründung ausgeht.


3.

Schließlich hält das Gericht den Planfeststellungsbeschluss zusätzlich auch deswegen für rechtswidrig und nicht vollziehbar, weil auf der Basis von Darlegungen des wissenschaftlichen Direktors der kommunalen Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) im Rahmen der mündlichen Verhandlung davon auszugehen sei, dass die mit den im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen ökologischen Flutungen einhergehende Zunahme der Stechmückenpopulation nicht hinreichend im Rahmen der behördlichen Abwägung berücksichtigt wurde. Die behördliche Annahme im Planfeststellungsbeschluss, wonach mit einer Zunahme der Stechmückenpopulation durch die vorgesehenen ökologischen Flutungen angeblich nicht zu rechnen sei, ist nach der Auffassung des 3. Senats des VGH auf Basis des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung nicht nachvollziehbar.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Marc Pflüger

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten