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„Vier von fünf Baukrediten seit 2002 sind fehlerhaft.“

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So titelte Deutschlands größte Regionalzeitung Westdeutsche Allgemeine (WAZ) auf ihrer Titelseite in ihrer Samstagausgabe vom 21. Juni 2014. Seitdem reißen die Anrufe in unserer Kanzlei zu den Möglichkeiten des Widerrufs von Darlehen, insbesondere von Immobiliendarlehen nicht ab. Verunsicherte Bankkunden wünschen den Rat unserer Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarkrecht.

Eine genaue rechtliche Überprüfung der Kreditvertrage kann sich in der Tat lohnen und viel Geld sparen. Das gilt insbesondere für ältere Immobiliendarlehensverträge, die zu schlechten Konditionen abgeschlossen worden sind.

Die Brisanz des Themas hat uns veranlasst, einen tieferen Blick in die durchaus komplexe Thematik zu gewähren.

Rechtlich passiert Folgendes:

Sobald der Verbraucher seine Willenserklärung auf Abschluss des damaligen Kredites widerruft, ist der Vertrag vom Zeitpunkt des Widerrufs an unwirksam. Es entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis zwischen der Bank und dem Verbraucher, in welchem die erhaltenen Leistungen zurückgewährt werden müssen. Der Verbraucher muss folglich das erhaltene Darlehen zum Nennbetrag zurückzahlen. Gleichzeitig hat er die gezogenen Nutzungen auszukehren. Dabei besteht rechtlich die Möglichkeit, sich bei den Nutzungen am vereinbarten Darlehenszins zu orientieren. Wahlweise kann sich der Verbraucher auch auf den üblichen Marktzins beziehen. Im Gegenzug kann auch der Verbraucher die bereits auf das Darlehen gezahlten Raten bei der Rückführung wegen gezogener Nutzungen der Bank verzinsen. Hierbei gibt es Rechenmodelle von 8 % p.a. als Rendite auf Eigenkapital. Problemlos dürfte zumindest die Verzinsung mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sein, in Anlehnung an den Mindestverzugsschaden per Gesetz. Der größte Nutzen liegt jedoch darin, dass sich der Verbraucher in Zeiten günstiger Zinsen die Vorfälligkeitsentschädigung erspart und gleichzeitig auch nicht zur Erfüllung der Vertragslaufzeit bzw. der Zinsbindungsfrist verpflichtet ist.

Um zu dieser günstigen Rechtsfolge zu gelangen, muss natürlich die im Vertrag enthaltene Widerrufsbelehrung fehlerhaft sein. Der Verbraucher muss ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt werden. Wird der Verbraucher dies nicht, so ist er bei Ausübung des Widerrufs nicht mehr an den Vertrag gebunden unabhängig von Fragen der Verjährung.

Ausgehend von der Rechtsprechung zur Gesetzlichkeitsfiktion ist im ersten Schritt zu prüfen, ob die in dem Darlehensvertrag enthaltene Widerrufsbelehrung der Musterwiderrufsbelehrung entspricht. Der Gesetzgeber hatte eine Musterwiderrufsbelehrung gesetzlich kodifiziert, die infolge der fortschreitenden Jurisprudenz nach und nach den Vorgaben der Rechtsprechung angepasst wurde. Getreu dem Motto „ Wie soll ich es besser als der Gesetzgeber machen“ lässt es die Rechtsprechung genügen, wenn die Widerrufsbelehrung der Musterwiderrufsbelehrung in der zum Abschluss des Vertrages gültigen Fassung entsprach, sogenannte Gesetzlichkeitsfiktion. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) gelingt den Banken der Rückgriff auf die Gesetzlichkeitsfiktion nur, wenn die Widerrufsbelehrung in jeglicher Hinsicht der Musterwiderrufsbelehrung entspricht. Kleinste Abweichungen verhindern die Berufung auf die Musterwiderrufsbelehrung.

 

Die Vorgaben des BGH sind hier eindeutig, indem er erklärt, die Widerrufsbelehrung müsse in jeder Hinsicht sowohl gestalterisch als aber auch inhaltlich der Musterwiderrufsbelehrung entsprechen. Bei kleinsten gestalterischen oder inhaltlichen Umgestaltungen entfällt die Schutzwirkung. 

Ist die Entsprechung verneint worden, folgt in dem nächsten wichtigen Schritt die Prüfung, ob das Abweichen von der Musterwiderrufsbelehrung wegen inhaltlicher Fehler zu einer fehlerhaften und damit unwirksamen Widerrufsbelehrung führt. Mithin müssen die gesetzlichen Vorgaben jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eingehalten werden.

Es ist zwingend erforderlich, dass der Verbraucher die Frist des Widerrufs, mithin Beginn und Ende, bestimmen kann. Es müssen die Bedingungen des Widerrufs klar erkennbar sein. Ferner muss ordnungsgemäß über die Rechtsfolgen aufgeklärt werden. Hier beginnt für den Verbraucher die eigentliche Problematik, da zum einen jetzt die juristische Prüfung und Subsumtion beginnt, zum anderen zahlreiche Einzelfallentscheidungen ergangen sind, die eine Überprüfung der eigenen Widerrufsbelehrung zwar anleiten, jedoch die Masse der Einzelfallentscheidungen einen Rückschluss auf den eigenen Fall häufig undurchsichtig machen. Man kann sich jedoch an den Kriterien der gesetzlichen Bestimmung orientieren. Fristbeginn, -ablauf und –verkürzungen müssen klar sein. So hat der BGH beispielsweise auch entschieden, dass die weiche Formulierung „ frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung“ nicht ausreichend ist, da hier für den Verbraucher nicht klar ist, wann genau der Fristbeginn ist. Fehler gehen sodann zu Lasten des Verwenders.

Eine weitere Fallkonstellation betrifft fehlende Hinweise auf die Rechtsfolgen des Widerrufs, da der Verbraucher auch nur dann eine Entscheidung über die Sinnhaftigkeit eines Widerrufs treffen kann, wenn er weiß, was auf ihn als rechtliche Folge der Widerrufserklärung zukommt. Eckpfeiler der Jurisprudenz ist hierbei, dass der Verwender der Widerrufsbelehrung sich nicht nur auf die Pflichten des Verbrauchers konzentrieren darf, sondern auch auf dessen Rechte einzugehen hat. So sind auch Belehrungen fehlerhaft, die nicht darüber aufklären, dass dem Verbraucher auch die bereits erbrachten Leistungen und damit Zahlungen zurück zu gewähren sind.

Ein Klassiker ist insoweit auch die fehlende Aufklärung des Verbrauchers, unter welchen Bedingungen es sich beispielsweise um ein sogenanntes verbundenes Geschäft handelt und welche Rechtsfolgen bspw. der Widerruf für das verbundene Geschäft (so z. B. der finanzierte Vertrag) haben kann.

Sollte feststehen, dass die Widerrufsbelehrung im Immobiliendarlehensvertrag von der Musterwiderrufsbelehrung aus der BGB Info-Verordnung abweicht, kann in den meisten Fällen der Darlehensvertrag noch widerrufen werden. Das hat zur Folge, dass der Darlehensnehmer das Darlehen vollständig an die Bank zurückzahlen muss. Darüber hinaus hat die Bank einen Anspruch auf die marktübliche Verzinsung des Darlehens bis zum Zeitpunkt des Widerrufs. Dabei dürfte der Wert der „marktüblichen“ Zinsen deutlich unterhalb der vertraglich vereinbarten Zinsen liegen.

Der Darlehensnehmer hat nach dem Widerruf ebenfalls einen Anspruch auf Verzinsung, nämlich für jede gezahlte Rate an die Bank. Diese Verzinsung dürfte auch erheblich höher ausfallen, als die der Bank. Es wird nämlich vermutet, dass ein Kreditinstitut im Rahmen seiner Geldgeschäfte Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB verdient.

Fazit:

Die rechtliche Prüfung der Widerrufsbelehrung lohnt sich in den meisten Fällen. Häufig ist ein Widerruf des Darlehensvertrages noch Jahre später möglich. Wir empfehlen jedoch dringend, den Widerruf nicht ohne anwaltliche Hilfe zu erklären. Es sollte ein Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht eingeschaltet werden. Bei der Prüfung der Verträge kommt es auf rechtliche Details an, die einer genauen Prüfung im Einzelfall bedürfen. Ansonsten drohen eine teure gerichtliche Auseinandersetzung mit der Bank und möglicherweise auch die Forderung nach einer sofortigen Rückzahlung des offenen Darlehens, sowie im schlimmsten Falle die Zahlung der Vorfälligkeitszinsen.

Sollten Sie Zweifel an der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung in Ihrem Kreditvertrag haben und das Urteil eines Experten benötigen, stehen Ihnen unsere Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht gerne zur Verfügung.

SH Rechtsanwälte ist eine auf das Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisierte Kanzlei. Unser Team besteht aus Rechtsanwälten und Fachanwälten für Bank- und Kapitalmarktrecht und vertritt betroffene Bankkunden bundesweit.


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