Vollstreckung vor Fälligkeit bzw. Frist bei Unterhaltsschulden

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Unterhalt deckt den Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten ab. Wird der Unterhalt bei Fälligkeit nicht rechtzeitig gezahlt, droht die Zwangsvollstreckung. Geht es um Unterhaltsansprüche und deren Fälligkeit, tauchen in der Praxis immer wieder interessante Fragen auf, in denen es meist darum geht, Handlungsoptionen aufzuzeigen. So ist der Unterhaltsberechtigte daran interessiert, dass er den Unterhalt erhält. Der Unterhaltspflichtige wird wissen wollen, unter welchen Voraussetzungen und wann genau er Unterhalt zahlen muss. Die Sachverhalte beurteilen sich danach, …

  • wann Unterhaltsschulden fällig sind,
  • unter welchen Voraussetzungen eine Zwangsvollstreckung in Betracht kommt,
  • was der Unterhaltspflichtige tun kann, wenn Vollstreckungsmaßnahmen zu befürchten sind,
  • was möglich ist, wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht.

Wann sind Unterhaltszahlungen fällig?

Nach § 1612 BGB sind Unterhaltszahlungen monatlich im Voraus zu zahlen. Steht der Unterhalt beispielsweise für den Monat März an, wäre der Unterhalt am 1. März fällig und zahlbar.

Ist der Unterhalt nach § 1612 BGB fällig, bedeutet dies noch lange nicht, dass der Unterhaltspflichtige verantwortungsvoll zahlt und der Unterhaltsberechtigte in den Genuss seines Unterhalts kommt. Insoweit steht der Unterhaltsanspruch zunächst nur auf dem Papier. Zahlt der Unterhaltspflichtige nicht freiwillig, muss der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt ausdrücklich geltend machen. In letzter Konsequenz muss er sich einen vollstreckbaren Unterhaltstitel beschaffen. Nur ein Unterhaltstitel eröffnet den Weg zur Zwangsvollstreckung.

Wann sind Unterhaltszahlungen vollstreckbar?

Will sich der Unterhaltsberechtigte einen vollstreckbaren Unterhaltstitel beschaffen, besteht der erste Schritt darin, dass der Unterhaltspflichtige in Verzug gesetzt wird. Mit der richtigen Inverzugsetzung kann der fällige Unterhalt auch für die Vergangenheit verlangt werden. Fehlt es an einer Inverzugsetzung, verfallen die in der Vergangenheit begründeten Unterhaltsansprüche. Gemäß § 1613 BGB kann die Inverzugsetzung dadurch erfolgen, dass …

  • der Unterhaltspflichtige aufgefordert wird, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen oder
  • der Unterhaltspflichtige aufgefordert wird, konkret Unterhalt zu zahlen oder
  • der Unterhaltsanspruch bei Gericht im Wege einer Unterhaltsklage geltend gemacht wird.

Es empfiehlt sich immer, den Unterhaltspflichtigen formal richtig in Verzug setzen. Eine sofortige Unterhaltsklage bei Gericht sollte erst der ultimative Schritt sein. Es könnte ja sein, dass der Unterhaltspflichtige sich seiner Verantwortung bewusst wird und den Unterhalt freiwillig zahlt. Eine voreilig eingereichte Unterhaltsklage bei Gericht könnte dazu führen, dass der Unterhaltsberechtigte die Verfahrenskosten tragen muss.

Um den Unterhaltsanspruch vollstreckbar zu gestalten, muss der Anspruch rechtsverbindlich festgestellt werden. In der Sprache der Juristen ist der Anspruch zu titulieren. Nur ein Unterhaltstitel bietet die Grundlage, um den Unterhaltsanspruch gegebenenfalls zwangsweise zu vollstrecken.

Geht es um Kindesunterhalt, kann der Unterhaltspflichtige den Unterhaltsanspruch des Kindes in einer Jugendamtsurkunde ausdrücklich anerkennen und dem Kind damit einen vollstreckbaren Titel an die Hand geben. Genauso gut kann der Unterhaltspflichtige seine Unterhaltspflicht auch notariell beurkunden. Werden diese Optionen nicht wahrgenommen, bleibt in letzter Konsequenz nur, den Unterhalt per Gerichtsbeschluss festsetzen zu lassen. Geht es um Trennungs- oder Ehegattenunterhalt, kann der Unterhaltsanspruch in einer Trennungs- oder Scheidungsfolgenvereinbarung notariell rechtsverbindlich festgeschrieben oder per Gerichtsurteil festgestellt werden.

Was bedeutet es, wenn der Anwalt eine Frist setzt?

Macht der Unterhaltsberechtigte Unterhalt geltend und beauftragt dazu einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, wird der Anwalt dem Unterhaltspflichtigen zur Inverzugsetzung zunächst eine Frist setzen, in der Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen ist oder zur Zahlung von Unterhalt auffordern. Kommt der Unterhaltspflichtige der Aufforderung nicht nach, riskiert er eine Unterhaltsklage bei Gericht.

Ist der Unterhaltsanspruch bereits rechtsverbindlich festgestellt und tituliert, ist der Anspruch auf Unterhalt vollstreckbar. Die Vollstreckbarkeit beginnt in dem Augenblick, der in der vollstreckbaren Urkunde als Zahlungstermin bestimmt ist. Wurde der Unterhalt per Gerichtsbeschluss festgestellt, ist der Beschluss aufgrund richterlicher Anordnung oft bereits vor seiner Rechtskraft vorläufig vollstreckbar, meist aber nur unter der Voraussetzung, dass der Unterhaltsberechtigte eine Sicherheitsleistung erbringt.

Beispiel aus der Praxis

Der Rechtsanwalt des Unterhaltsberechtigten setzt dem Unterhaltspflichtigen eine Frist wegen rückständigen Unterhalts. Vereinbarungsgemäß hätte der Unterhaltspflichtige den Unterhalt bis zum dritten Werktag des Monats zahlen müssen. Obwohl der Unterhaltspflichtige fünf Tage vor Ablauf der anwaltlichen Frist den Unterhalt zahlt, pfändet der Anwalt den Lohn des Unterhaltspflichtigen bei dessen Arbeitgeber und lässt dessen Girokonto sperren.

Soweit der Unterhaltsanspruch vollstreckbar ist, kann der Anwalt dem Unterhaltspflichtigen jederzeit eine weitere Frist setzen, um den Unterhalt zu zahlen. Verpflichtet ist er dazu nicht. Der Anwalt kann sofort die Zwangsvollstreckung die Wege leiten. Sofern vorher eine Frist gesetzt wird, erscheint es allenfalls als ein Gebot der Fairness, eine eventuelle Zwangsvollstreckung erst nach Ablauf der Frist einzuleiten. Wird vor Ablauf der Frist vollstreckt, ist das Verhalten des Anwalts zwar widersprüchlich, ändert aber nichts daran, dass der Anspruch vollstreckbar ist und die Vollstreckung auf den Weg gebracht werden kann.

Was tun, wenn Vollstreckungsmaßnahmen zu befürchten sind?

Sind Vollstreckungsmaßnahmen zu befürchten, hat der Unterhaltspflichtige mehrere Optionen.

  • Es kann sich empfehlen, mit der Gegenseite Kontakt aufzunehmen und darüber zu verhandeln, ob eventuell individuell Zahlungsmodalitäten vereinbart werden können.
  • Der Unterhaltspflichtige sollte sein Girokonto frühzeitig in ein Pfändungsschutzkonto umwandeln. Dann ist das Guthaben auf dem Konto bis in Höhe des persönlichen Pfändungsfreibetrages vor der Zwangsvollstreckung geschützt und bleibt verfügbar. Wird der Unterhaltspflichtige von der Pfändung überrascht, ist die Bank verpflichtet, binnen dreier Tage das Girokonto in ein P-Konto umzuwandeln, so dass der Unterhaltspflichtige sein pfandfreies Guthaben immer noch rechtzeitig schützen kann.
  • Ist die Pfändung des Gehalts beim Arbeitgeber zu befürchten, könnte der Unterhaltspflichtige mit dem Arbeitgeber absprechen, dass das Gehalt kurze Zeit früher überwiesen und damit einer eventuellen Pfändung entzogen wird. Die Maßnahme wirkt allerdings nur insoweit, als lediglich das erste Gehalt außen vor bleibt und das Gehalt der nächsten Monate der Pfändung unterliegt. Die Absprache kann soweit hilfreich sein, als der Unterhaltspflichtige sich Zeit verschafft, die Unterhaltsfrage endgültig zu klären und mit dem Unterhaltsberechtigten vielleicht über Zahlungsmodalitäten zu verhandeln.

Was tun, wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht?

Klingelt der Gerichtsvollzieher an der Tür und will den Unterhaltstitel vollstrecken, ist der Unterhaltspflichtige nicht verpflichtet, die Tür zu öffnen und den Gerichtsvollzieher in die Wohnung zu lassen. Diese Verweigerungshaltung ist aber insoweit nicht konstruktiv, als der Gerichtsvollzieher sich per Gerichtsbeschluss den Zutritt zur Wohnung verschaffen kann. Es empfiehlt sich daher, das Gespräch mit dem Gerichtsvollzieher zu suchen und eventuelle Zahlungsmodalitäten zu sprechen.

  • Kann der Unterhaltspflichtige die offene Forderung sofort bezahlen, besteht die einfachste und schnellste Lösung darin, den Betrag direkt an den Gerichtsvollzieher zu zahlen.
  • Kann der gesamte Betrag nicht auf einmal gezahlt werden, wird sich der Gerichtsvollzieher meist auf eine Ratenzahlung einlassen. Dann kann der Gesamtbetrag in mehreren Teilbeträgen über einen bestimmten Zeitraum ausgeglichen werden. Im Regelfall sollte der Gesamtbedarf aber innerhalb eines Jahres bezahlt sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eventuell weitere Unterhaltsbeträge auflaufen und sich die Schuld insgesamt weiter erhöht.
  • Der Gerichtsvollzieher kann die Forderung auch stunden, sofern der Unterhaltspflichtige glaubhaft darlegen kann, dass er kurzfristig über liquide Mittel verfügen wird.
  • Will der Gerichtsvollzieher Gegenstände in der Wohnung pfänden, kann der Unterhaltspflichtige bei Gericht Vollstreckungsschutz beantragen, der die Pfändung bestimmter Vermögenswerte verhindert. Dabei geht es meist um Gegenstände, die der Unterhaltspflichtige für die Haushaltsführung benötigt oder für die Berufsausübung unerlässlich sind.

Alles in allem

Wird der Unterhalt zwangsweise vollstreckt, ist noch längst nicht aller Tage Abend. Auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung bestehen immer Möglichkeiten, das Problem zu regeln. Es empfiehlt sich, frühzeitig und erst recht bei Bekanntgabe einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ein Anwalt kann aufzeigen, welche Handlungsoptionen bestehen.

Foto(s): Bild erstellt mit KI-generierter Grafik von OpenAI

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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