Von Haftschäden, Abschreckung und Alternativlosigkeit

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"Haftschäden" werden umgangssprachlich die Folgewirkungen von freiheitsentziehenden Maßnahmen bezeichnet. Es sind Verhaltensmuster oder Angewohnheiten, die Menschen während ihrer Inhaftierung entwickeln und danach selten wieder loswerden. Hierunter fallen Kleinigkeiten, wie das Aufhorchen beim Geräusch eines Schlüsselbundes, aber auch schwerwiegendere Muster wie Selbstgespräche und Ängste. Internalisierte Verhaltensstrukturen bleiben.


Der Inhaftierte erlernt Verhaltensweisen und Denkmuster und internalisiert diese, um das Leben an die Umstände in Haft anzupassen. Die Psyche verändert sich dabei, um sich vor den äußeren Begebenheiten zu schützen. Regeln, die den Alltag bestimmten und täglich neu durchlebt werden, brennen sich dabei in das Unterbewusstsein ein.


Inhaftierte berichten, dass gerade die (temporäre) Unterbringung im sog. besonders gesicherten Haftraum die Psyche fast unaushaltbar belastet. In diesen Räumlichkeiten steht dem Betroffenen nichts zur Verfügung, um einen menschenwürdigen Alltag abzubilden. Die Zelle ist nur mit einer Matratze und Decke ausgestattet. Dies soll gerade für suizidgefährdete Inhaftierte eine genaue Überwachung ermöglichen; gelegentlich wird es auch als zusätzliche Bestrafung eingesetzt. Die menschliche Psyche ist nicht darauf ausgelegt, dauerhaft alleine und unstimuliert zu sein. Um zu verarbeiten und zu funktionieren braucht es Beschäftigung. Die Psyche braucht Stimulanz, um nicht in Stress zu verfallen. Oftmals sieht man dies auch – nur im übertragenen Sinne gemeint – im Zoo. Tiere ohne Beschäftigung in zu kleinen Gehegen verfallen in stressbedingte Verhaltensmuster, beispielsweise in sog. „pacing“, dem ständigen hin- und herlaufen oder „Weben“, dem Auf- und Abschwingen des Kopfes. Hierdurch will das Unterbewusstsein mentalen Stress der Enge und Gleichförmigkeit durch Bewegung abbauen. Das Unterbewusstsein übernimmt quasi den Körper, um ihn zu schützen. Übernimmt es in kleinen oder großen Ausprägungen über eine längere Zeit das Verhalten der betroffenen Person, bleiben die gespeicherten Verhaltensmuster erhalten.


Viel zu selten wird diese Seite der Haft thematisiert. Dabei ist die Beleuchtung der Vor- UND Nachteile der freiheitsentziehenden Maßnahmen gerade wichtig, um Freiheitsentzug überhaupt rechtfertigen zu können. 

Strafe soll zum Zweck haben, den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten (sog. Spezialprävention) und andererseits andere mögliche Täter durch die Strafandrohung von der Begehung abzuhalten (sog. Generalprävention).


Es stellt sich also unweigerlich die Frage: Wenn Inhaftierung die Psyche derart belastet und die Strafzwecke darauf ausgelegt sind, Straftaten (auch an der konkreten Person) präventiv zu verhindern, erfüllt Haft dann seinen Zweck?

Diese Frage haben sich bereits viele vor mir gestellt und so wie es aussieht werden es auch noch viele nach mir tun – denn aus Alternativlosigkeit ergibt sich ein Festhalten an alten Strategien und Methoden. Dabei sind die Rückfallzahlen hoch. So hoch, dass man sich fragen könnte, ob die Abschreckungswirkung nicht ad absurdum geführt wird. Gerade weil das Gefängnis auch als „Schule des Verbrechens“ fungieren kann. Zudem entwurzelt Haft in gesellschaftlicher Hinsicht und kann ein zuvor einigermaßen stabiles Umfeld gefährden. 


Wenn Menschen ihr autonomes Handeln genommen wird, welches uns als Individuum ausmacht, was bleibt dann und ist das, was bleibt resozialisierende oder tragische Konsequenz der Vollzugssystems?

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