Vordere Kreuzbandplastik falsch eingesetzt: 20.000 Euro

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Mit außergerichtlichem Vergleich vom 22.06.2023 hat sich die Haftpflichtversicherung eines Krankenhauses verpflichtet, an meine Mandantin 20.000 Euro sowie meine außergerichtlichen Gebühren (2,0-Geschäftsgebühr, 1,5-Vergleichsgebühr) zu zahlen.

Die 1977 geborene Angestellte erlitt bei einem Fahrradsturz eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes bei erhaltener Kontinuität und normalem Schrägverlauf mit Dissektion im distalen Drittel. Nach einer Arthroskopie erhielt die Mandantin während eines stationären Aufenthaltes eine Kreuzbandersatzplastik durch Semitendinosus- und Grazilissehne vom selben Bein. Auch nach dieser Operation litt sie unter Schmerzen im linken Kniegelenk und einer erheblichen Instabilität. Sie konnte das Knie nicht strecken und nicht gehen. Eine Röntgenaufnahme des linken Kniegelenkes zeigte, dass Button und Metallplättchen nicht kortikal anliegend seien. Lateral sei eine Gelenksspaltverschmälerung vorhanden. Eine Kontroll-MRT ergab, dass das vordere Kreuzband im gesamten Verlauf ödematös durchtrennt und deutlich verdickt sei, mit offensichtlich insuffizienter Fixierung weit ventral an der Eminentia intercondylaris mit Metallartefakten in den intercondylären Weichteilen. Vier Monate nach der ersten Operation musste wegen der chronischen Instabilität des linken Kniegelenkes eine Arthroskopie des linken Kniegelenkes mit Bohrkanalauffüllung femoral und tibial mit Metallentfernung durchgeführt werden. Ein Jahr später erfolgte eine weitere VKB-Ersatzplastik mit Semitendinosus- und Grazilissehne der Gegenseite in einem Nachfolgekrankenhaus.

Ich hatte dem Operateur vorgeworfen, den femoralen Bohrkanal fehlerhaft gesetzt zu haben. Die sagittalen T1-Schnittbilder der postoperativen MRT zeigten, dass der femorale Bohrkanal falsch gesetzt worden sei. Auch der tibiale Bohrkanal sei fehlerhaft angelegt worden. Offenbar sei der tibiale Bohrkanal abweichend vom natürlichen Verlauf des vorderen Kreuzbandes an der vorderen Schienbeinkopfkante angelegt worden. Es liege offenbar nur eine Knochenrinne vor. In diese sei das Sehnentransplantat eingelegt und fixiert worden. Das Kreuzbandtransplantat lag dadurch sehr weit vorne und konnte zwar eine Stabilität des Kniegelenkes erreichen. Die Lage des Transplantates führe jedoch dazu, dass die Kniegelenksbeweglichkeit links sowohl für die Streckung als auch für die Beugung dauerhaft eingeschränkt geblieben sei. Die in der postoperativen Nachbehandlung aufgetretene Arthrofibrose beruhe auf einer chronischen antibakteriellen Entzündung der Kniegelenkskapsel links mit der Folge einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes. Überragende Ursache der Beuge- und Streckbehinderung des linken Kniegelenkes sei die mangelhafte Anlage des tibialen Bohrkanals und damit die mechanische Blockierung der Bewegung durch das Transplantat gewesen.

Unter Bezug auf die Entscheidungen Landgericht Bochum, Vergleich vom 17.06.2015, AZ: I-6 O 422/13 =  15.000 Euro; OLG München, Urteil vom 30.04.2008, AZ: 1 O 4679/07 =  20.000 Euro für fehlerhaft behandelte Ruptur des Kreuzbandes; LG Duisburg, Urteil vom 26.05.2008, AZ: 4 O 465/05 = 20.000 Euro für falsch behandelte Ruptur des Kreuzbandes, habe ich ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000 Euro geltend gemacht sowie einen Zukunftsschadensvorbehalt für alle weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden gefordert.

Die Haftpflichtversicherung der Gegenseite hatte eingewandt, eine Röntgenkontrolle zur Lagebestimmung des Bohrkanals sei intraoperativ kein Standard. Die Fehllage des Bohrkanals sei vielmehr eine verfahrensspezifische Komplikation, die auch bei sorgfältigem Vorgehen vorkommen könne. Auch die nachbehandelnden Ärzte hätten die Fehllage des Kreuzbandersatzes nicht korrigiert, als sie nach der MRT die Fehllage feststellten. Sie hätten vielmehr ein zu erwartendes Zerreißen der Plastik abgewartet, bis sie erneut tätig geworden seien. Dies habe seinen Hintergrund auch in der Adipositas der Mandantin gehabt, was die Operationsbedingungen erschwert habe. Bei einer Adipositias mit einem BMI von 35 seien intraoperativ die anatomischen Verhältnisse schwierig darzustellen. Damit hätte bereits der beklagte Operateur zu kämpfen gehabt. Wie ein weiterer Gutachter in einem Zivilprozess die Situation beurteile, sei offen.

Auf Wunsch der Mandantin habe ich mich zur Vermeidung eines langwierigen Rechtsstreites auf eine Gesamtabfindung von 20.000 Euro verglichen. Die Versicherung hat auch meine Anwaltsgebühren für die außergerichtliche Tätigkeit mit einer 2,0-Geschäfts- und einer 1,5-Vergleichsgebühr aus dem Erledigungswert von 20.000 Euro übernommen.

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht und Verkehrsrecht


Foto(s): adobe stock fotos


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