Motorrad-Unfall: 125.000 Euro

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Mit Urteil vom 11.12.2014 hat das Landgericht Essen die Haftpflichtversicherung eines Autofahrers verurteilt, an meinen Mandanten ein Schmerzensgeld in Höhe von 125.000 Euro und Zinsen seit dem 30.04.2010 zu zahlen. Ebenso ist die Haftpflichtversicherung unter Berücksichtigung eines eigenen Haftungsanteils des Mandanten von 25 % mit einer Quote 75 % verpflichtet, alle weiteren materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall zu zahlen.

Der am 23.06.1960 geborene Selbständige erlitt im Juni 2005 als Motorradfahrer einen schweren Verkehrsunfall, als ihm ein PKW die Vorfahrt nahm. Durch den Unfall erlitt der Mandant eine erstgradig offene Oberschenkelschaftquerfraktur rechts, eine Tibiakopffraktur rechts, ein instabiles Kniegelenk rechts mit Hämarthros, eine geschlossene Oberschenkelschaftfraktur links, eine Ulnaschaftfraktur rechts proximal, einen Pneumothorax rechts, einen Leberriss, eine Scapulafraktur beidseits, eine Blutungsanämie, eine Infektion mit ESBL-Enterobacter in der Blutkultur, einen Abszess der zentralen Venenkathetereinstichstelle rechts infraclavikulär, eine Narbenhernie nach mercedessternförmiger Laparatomie und einem Pleuraerguss beidseits. Er lag über mehrere Wochen im Koma, musste zahlreiche Nachoperationen über sich ergehen lassen. Außergerichtlich hatte die Haftpflichtversicherung des PKW-Fahrers auf die Schmerzensgeldansprüche des Mandanten 80.000 Euro gezahlt.

Mit der Klage machte er ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 45.000 Euro geltend, da er insgesamt ein Schmerzensgeld von 125.000 Euro für angemessen hielt.

Das Landgericht Essen hat eine Haftungsverteilung von 75 % auf Beklagtenseite und zu 25 % auf Klägerseite ausgeurteilt. Der Verkehrsverstoß des Mandanten liege in einer Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 9 km/h bei erlaubten 50 km/h. Der Sachverständige habe nach Auswertung des Unfallortes und der Unfallspuren eine Annäherungsgeschwindigkeit des Mandanten von 59 km/h bis 74 km/h errechnet. Die zugrundeliegende Geschwindigkeitsüberschreitung belaufe sich auf 9 km/h, da nur eine feststehende Geschwindigkeitsüberschreitung zu Lasten der jeweiligen Partei zugrunde zu legen sei. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung sei auch unfallursächlich geworden. Bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit habe der Mandant den Unfall vermeiden können. Die Vorfahrtsverletzung sei jedoch als gravierender Verstoß gegen das Straßenverkehrsrecht und mit 75 % zu bewerten.

Wegen der schweren Körperverletzungen sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 125.000 Euro angemessen. Der zur Entscheidung berufene Richter habe sich anhand mehrerer Tabellen (Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, sowie Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld) orientiert. Die Verletzungen des Klägers träten allerdings in der forensischen Praxis eher selten auf. Zu berücksichtigen seien die umfangreichen Primärverletzungen wie die Unterschenkelschaftfrakturen beidseits, rechts offen, links geschlossen, die Tibiakopffraktur rechts mit instabilem Kniegelenk, die Ulnafraktur rechts, die Scabulafraktur (Schulter) beidseits, die Clavikulafraktur (Schlüsselbein) links, die Lungenkontusion (Lungenquetschung) mit Pneumothorax rechts und die Leberrupturen.

Ebenso sei die Behandlungsdauer mit den umfangreichen Krankenhausaufenthalten – etwa zur Entfernung von operativ eingefügten metallischen Stabilisierungselementen – sowie die Zeit der Genesung zu berücksichtigen. Der gerichtliche Sachverständige habe zudem aktuell weitere unfallbedingte Gesundheitsbeeinträchtigungen beschrieben. Es bestünde ein deutlich rechts hinkendes Gangbild, eine verminderte funktionelle Beugefähigkeit des rechten Kniegelenkes. Auf drei der vier Extremitäten bestätige der Sachverständige zahlreiche Operationsnarben ebenso wie am Rumpf. Die chronisch-rezidivierenden Rücken-, Kopf- und Nackenschmerzen seien aufgrund der Beinverkürzung rechts mit entsprechendem Beckenschiefstand und einer reduzierten Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes als unfallbedingt einzustufen.

Nach einer Zeitspanne von 20 bis 30 Minuten könne der Mandant nicht mehr sitzen. Er müsse durch einen Wechsel der Körperhaltung durch Aufstehen oder Gehen für Entlastung sorgen. Ebenso drohe wegen der unfallbedingten Arthrose im rechten Kniegelenk eine Knieprothese mit einer weiteren Operation. Die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit belaufe sich auf 50 %, bezogen auf die allgemeine Teilnahme am Arbeitsleben.

Die verbliebenen Schäden seien davon geprägt, dass der Mandant ein Leben lang mit den Folgen des Unfalles werde leben müssen. Das Schmerzensgeld in Höhe von 125.000 Euro erscheine auch unter dem Gesichtspunkt der 25 %-igen Mithaftung des Mandanten angemessen.

(Landgericht Essen, Urteil vom 11.12.2014, AZ: 3 O 145/10)

Christian Koch, Fachanwalt für Verkehrsrecht


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