Vorfälligkeitsentschädigung: Volksbanken verwenden unwirksame Klauseln

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Darlehensnehmer, die mit der Sparkasse ab dem 21. März 2016 einen Immobiliardarlehensvertrag geschlossen haben und wegen der vorzeitiger Rückzahlung eine sog. Vorfälligkeitsentschädigung bezahlt haben, können diese in vielen Fällen erfolgreich zurückfordern bzw. eine Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung vermeiden.

Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind unklar

Das Landgericht Konstanz hat die VR-Bank am 08.12.2020 verurteilt, an ihre Kunden die Vorfälligkeitsentschädigung zurückzuzahlen (Aktenzeichen: C 4 O 155/20). Die Vertragsangaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind nach Auffassung des Gerichts unzureichend im Sinne des gesetzlichen Vorschriften. Die Kläger erhalten in Höhe von über 8.200,00 Euro zurück. 

Klauseln sind unzureichend

Im streitgegenständlichen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag heißt es unter Ziff. 8:

 „Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung (vergleiche Ziffer 7 dieses Vertrages) oder im Fall der außerordentlichen Kündigung auf der Grundlage eines berechtigten Interesses (vergleiche Ziffer 8 Satz 2 der Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen) hat der Darlehensnehmer der Bank denjenigen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der vorzeitigen Rückzahlung entsteht. Der Berechnung dieses Schadens wird der Darlehensgeber die vom Bundesgerichtshof für zulässig befundene Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode zugrunde legen, welche davon ausgeht, dass die durch die Rückzahlung frei gewordenen Mittel laufzeitkongruent in Hypothekenpfandbriefen angelegt werden.

Danach wird berücksichtigt:

- Der Zinsverschlechterungsschaden als der finanzielle Nachteil aus der vorzeitigen Darlehensablösung, das heißt, die Differenz zwischen dem Vertragszins und der Rendite von Hypothekenpfandbriefen mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens entspricht. Die Differenz zwischen dem Vertragszins des abzulösenden Darlehens und der Hypothekenpfandbriefrendite ist um angemessene Beträge sowohl für ersparte Verwaltungsaufwendungen als auch für das entfallene Risiko des abzulösenden Darlehens zu kürzen. Die auf der Grundlage der so ermittelten Nettozinsverschlechterungsrate für die Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens sich ergebenden Zinseinbußen werden dann auf den Zeitpunkt der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung abgezinst. Dabei wird auch hier der aktive Wiederanlagezins, das heißt, die Renditelaufzeit kongruenter Hypothekenpfandbriefe zugrunde gelegt. (…)“

Weiter heißt es in Ziff. 14:

 „Sondertilgungsrecht:

Ab 30.12.2017 sind pro Kalenderjahr Sondertilgungen während der bestehenden Zinsbindung bis zu einer Höhe von maximal 14.200,00 € möglich. Ein Vorfälligkeitsentgelt fällt dafür nicht an. Nicht erfolgte Sonderzahlungen können weder auf ein anderes Darlehenskonto, noch auf folgende Kalenderjahre übertragen werden. Die Leistungsrate (bestehend aus Zins- und Tilgung) verändert sich nach der Sonderzahlung nicht. Die Zinsberechnung wird aber selbstverständlich nur auf das neue - reduzierte - Restkapital vorgenommen. Die Vereinbarung über die Sondertilgungsmöglichkeit gilt bis zum 30.12.2027.“

Des Weiteren heißt es in Ziff. 7.1:

 „Kündigung von Krediten mit Sollzinsbindung:

Der Kreditnehmer kann einen Kreditvertrag mit einem gebundenen Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,

- wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 1 Monat, frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Kreditnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen;

- in jedem Fall nach Ablauf von 10 Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten; wird nach dem Empfang des Kredits eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunktes des Empfangs.“

Schließlich heißt es in den „Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen“ unter Ziff. 12.2:

„Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag (vgl. Nummer 7.5) ist der Schaden zu ersetzen, der aus der vorzeitigen Rückzahlung entsteht. Diesen Schaden wird der Kreditgeber nach den vom Bundesgerichtshof für die Berechnung vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen berechnet, die insbesondere

- ein zwischenzeitlich gesunkenes Zinsniveau,

- die für den Kredit ursprünglich vereinbarten Zahlungsströme,

- den dem Kreditgeber entgehenden Gewinn,

- den mit der vorzeitigen Rückzahlung verbundenen Verwaltungsaufwand sowie

- die infolge der vorzeitigen Rückzahlung ersparten Risiko- und Verwaltungskosten berücksichtigen.

Die Vorfälligkeitsentschädigung wird folgende Beträge nicht überschreiten:

- ein Prozent bzw., wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung weniger als ein Jahr beträgt, 0,5 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrages,

- den Betrag der Sollzinsen, den der Kreditnehmer in dem Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung entrichtet hätte.

Ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist ausgeschlossen, wenn die Rückzahlung aus den Mitteln einer Versicherung bewirkt wird, die aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung im Kreditvertrag abgeschlossen wurde, um die Rückzahlung zu sichern oder im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrages, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.“

Angaben in Ziff. 8 des Immobiliardarlehensvertrag sind unwirksam

Das Landgericht führt hierzu aus:

"In Ziff. 8 des Darlehensvertrags ist hinsichtlich der Berechnungsweise der Vorfälligkeitsentschädigung davon die Rede, dass es auf den Zinsverschlechterungsschaden als der finanzielle Nachteil aus der vorzeitigen Darlehensablösung ankomme, womit die Differenz zwischen dem Vertragszins und der Rendite von Hypothekenpfandbriefen mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens entspreche, gemeint sei. Dies ist jedoch nicht zutreffend. Denn im Rahmen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode kommt es ganz entscheidend auf den Zeitpunkt an, zu dem erstmals ordentlich gekündigt werden könnte (BGH, Urteil v. 19.01.2016 - XI ZR 388/14, juris)."

"Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, ob und wenn ja, inwieweit Sondertilgungsrechte eingeräumt wurden. Beide vorgenannten Parameter tauchen in den Angaben in Ziff. 8 des zwischen den Parteien geschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages aber nicht auf.  Die Angaben erwecken vielmehr den Eindruck, es komme hinsichtlich der Berechnung des Zinsverschlechterungsschadens auf die gesamte Restlaufzeit des Darlehens an. Dies ist aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers durchaus geeignet, diesen von der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens - ein zentrales Recht des Verbrauchers als Vertragspartner eines Darlehensvertrages - abzuhalten. Denn die Beklagte suggeriert im vorliegend streitgegenständlichen Darlehensvertrag, es falle eine Vorfälligkeitsentschädigung unter Berücksichtigung des Zinsschadens bezogen auf die gesamte Vertragslaufzeit an. Eine so berechnete Vorfälligkeitsentschädigung kann wesentlich höher ausfallen, als sie dies bei Berücksichtigung von Kündigungs- und Sondertilgungsrechten täte."

Zu Ziff. 14 des Immobiliardarlehensvertrags führt das Landgericht weiter aus:

"Der vorgenannte Befund wird nicht durch die Angaben in Ziff. 14 des zwischen den Parteien geschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages infrage gestellt. Dort wird zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Vorfälligkeitsentgelt für Sondertilgungen nicht anfalle. Dies liegt für sich genommen jedoch für jedermann auf der Hand und ist gerade Sinn der Einräumung eines Sondertilgungsrechts. Dass von dieser Vertragspassage auch andere Darlehensrückzahlungen, das heißt solche, die sich außerhalb eines etwaigen Sondertilgungsrechtes bewegen, in Bezug genommen werden sollen, erschließt sich aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers demgegenüber nicht."

Abschließend kommt das Landgericht zu dem Ergebnis:

" Es ist bereits völlig unklar, in welchem Verhältnis Ziff. 7 und Ziff. 12.2 des Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages zueinander stehen. Allein dies führt bereits zu einer ausreichenden Unklarheit der Angaben (...)"

Volksbanken und andere Banken verwendeten ab März 2016 inhaltsgleiche Verträge

Die Volksbanken haben seit März 2016 deutschlandweit inhaltsgleiche Vertragsbedingungen verwendet. Aber auch andere Banken verwendeten - wenn nicht inhaltsgleiche, so doch ähnliche - Vertragsbestimmungen. Deshalb hat das Urteil des Landgerichts Konstanz auch für Immobilardarlehensverträge, die außerhalb Baden-Württembergs abgschlossen wurden, eine große Signalwirkung.

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Rechtsanwalt Markus Mehlig ist seit mehr als 10 Jahren auf das Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Er vertritt Darlehensnehmer deutschlandweit bei der Rückforderung von Vorfälligkeitsentschädigungen. Gerne steht er Ihnen in einem kostenfreien Erstgespräch zur Verfügung.


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