VW-Dieselskandalmotor EA189: Bei Leasing auch nachträglich Schadensersatz geltend machen

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Ein Leasingnehmer kann auch nach Rückgabe des Fahrzeugs noch Schadensersatz für den wirtschaftlichen Schaden erhalten, den er durch den Skandalmotor EA189 erlitten hat. Dafür wird von den Leasinggesamtkosten die Nutzungsentschädigung abgezogen. 

Im Dieselskandal rund um den VW-Motor EA189 ist ein weiteres relevantes Urteil (Landgericht Mainz, Urteil vom 12.06.2020, Az.: 1 O 350/19) gesprochen worden. Streitgegenständlich war ein Volkswagen Tiguan mit der Schadstoffklasse Euro 5, in dem der Skandalmotor verbaut ist. Dieses Fahrzeug hatte der geschädigte Verbraucher im August 2014 geleast (Anschaffungspreis rund 45.000 Euro) und nach den 36 Monaten Vertragslaufzeit bereits zurückgegeben. Der Gesamtbetrag der eingegangenen Verbindlichkeiten betrug mehr als 20.000 Euro (Leasingraten plus Leasingsonderzahlung). Bei der Rückgabe wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von rund 61.500 Kilometern auf. Das Gericht verurteilte die Volkswagen AG zur Zahlung von 8472,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 10. April 2020 sowie 808,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 10. April 2020 zu zahlen. Ebenso muss die Volkswagen AG 83 Prozent der Kosten des Rechtsstreit tragen. 

Bekanntlich steht der VW-Motor EA189 im Mittelpunkt des Dieselskandals. Dieser Motor ist mit einer Software ausgestattet, die anhand der Fahrzyklen erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Abgasprüfstand befindet oder eben nicht. Ist dies der Fall, bewirkt die Software, dass das Fahrzeug in dem Modus gefahren wird, der im normalen Betrieb nicht zum Einsatz kommt. Damit erhöht die Software auf dem Abgasprüfstand die Abgasrückführung, was eine Verringerung der gemessenen Stickoxidwerte zur Folge hat. Unter normalen Fahrbedingungen läuft das Fahrzeug hingegen im sogenannten Modus 0, was mit einem deutlich höheren Stickoxidausstoß verbunden ist. 

„Das Landgericht Mainz hat in der Urteilsbegründung herausgestellt, dass der frühere Leasingnehmer wirtschaftlich geschädigt wurde und ihm deshalb wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB Schadensersatz zusteht. Das bedeutet: Ein Leasingnehmer ist bezüglich der gezahlten Raten abzüglich der Nutzungsentschädigung geschädigt und kann daher auch nachträglich Schadensersatz geltend machen“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde. Der Kläger sei laut dem Gericht so zu stellen, wie er ohne die schädigende Haltung der Organe der Volkswagen AG gestanden hätte – also so, als wenn er den Leasingvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht geschlossen hätte. Folglich könne er gegenüber der Volkswagen AG im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung des Leasingvertrags unter Anrechnung entsprechender Nutzungsvorteile verlangen. 

Darüber hinaus weist Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung darauf hin, dass es hinsichtlich Schadensersatzklagen bezüglich des EA189 keine Verjährung Ende 2018 gegeben habe. Damit seien Rückabwicklungen unter Zahlung interessanter finanzieller Kompensationen auch für ältere Fahrzeuge weiterhin möglich. Ebenso müsse der Kläger bei seinem Vortrag keine Angaben zu den unternehmensinternen Vorgängen machen, die zu den Manipulationen geführt hätten, um die Herstellerhaftung durchzusetzen. 

Auch nimmt das Gericht Bezug auf das Software-Update, damit das vom Dieselskandal betroffene Fahrzeug die erforderlichen Abgaswerte auch ohne Manipulation einhalten konnte. Dabei steht laut Dr. Hartung auch das Software-Update für den Diesel-Abgasskandal-Motor EA189 von Volkwagen im Verdacht, ebenfalls ein Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung zu beinhalten. Sollte sich dies erhärten, könnte ein neues Delikt vorliegen und Volkswagen dafür gegenüber geschädigten Verbrauchern haftbar sein – und das, obwohl die Hersteller und allen voran VW behaupten, durch Software-Updates könnten die Probleme der Fahrzeuge gelöst werden.“ Diese Haltung beruht auf der Haltung der EU-Generalanwältin Eleanor Sharpston, die herausgestellt hat, dass Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen grundsätzlich unzulässig seien und eben auch temperaturabhängige Abgaskontrollsysteme unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne des sogenannten Thermofensters darstellten. 

In dem Zusammenhang hat der Regensburger Juraprofessor Michael Heese betont, dass das Software-Update beim EA189 nicht zu einer Beseitigung des Schadens und auch nicht zu einer Erfüllung des Schadensersatzanspruchs führe. Das hätten Zivilgerichte bereits mehrfach bestätigt. Laut Professor Michael Heese spricht daher vieles dafür, dass bei der Unzulässigkeit des Thermofensters im Aufspielen von Software-Updates ein erneutes und etwa auch in Ansehung der Verjährung eigenständiges zu behandelndes Delikt im Sinne von § 826 BGB zu sehen sei. 

Dr. Hartung rät: „Daher sollten Anleger sich nicht auf die Software-Updates verlassen, sondern Klagen nach § 826 BGB einreichen. Das ergibt alles Voraussicht nach im EA189-Komplex auch noch 2020 und darüber hinaus Sinn.“

Foto(s): Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH


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