Wann braucht man keinen Elternunterhalt zu zahlen?

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Gemäß § 1601 BGB müssen nicht nur die Eltern ihren Kindern Unterhalt zahlen, sondern in späteren Jahren auch volljährige Kinder ihren Eltern, wenn sie bedürftig werden und nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu versorgen. Voraussetzung ist natürlich, dass die volljährigen Kinder finanziell dazu in der Lage sind, Elternunterhalt zu zahlen.

Nach § 1618 a BGB besteht zwischen Eltern und Kindern eine Pflicht zu Beistand und Rücksichtnahme. Das gilt nicht nur für die Eltern den Kindern gegenüber, sondern auch für die Kinder gegenüber ihren Eltern.

Hier soll es nicht um die Fragen der Zahlungsfähigkeit oder der Bedürftigkeit gehen, sondern um den Wegfall einer (an sich bestehenden) Unterhaltspflicht der volljährigen Kinder den Eltern gegenüber in besonderen Fällen. Gemäß § 1611 BGB kann die Verpflichtung zur Zahlung von Elternunterhalt beschränkt werden oder bei „grober Unbilligkeit“ ganz wegfallen, wenn die Mutter oder der Vater

1. durch ihr bzw. sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist,

2. die eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem volljährigen Kind, das nun in Anspruch genommen werden soll, gröblich vernachlässigt hat,

3. wenn sich der Vater oder die Mutter vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des volljährigen Kindes schuldig gemacht hat.

Ein „sittliches Verschulden“ liegt z. B. vor, wenn die Eltern durch Spiel-, Drogen- oder Alkoholsucht bedürftig geworden sind.

Soweit diese Sucht als Krankheit diagnostiziert wird, bleibt es bei der Verpflichtung, Elternunterhalt zu zahlen. Ein sittliches Verschulden und damit ein Wegfall oder eine Beschränkung der Unterhaltsverpflichtung liegt auch vor, wenn der Vater oder die Mutter eine erfolgversprechende Behandlung, die die Erwerbstätigkeit wiederherstellt, verweigert.

Die grobe Vernachlässigung der Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren jetzt volljährigen Kindern kann auch in einer Vernachlässigung der Betreuung liegen.

Insbesondere ist das dann der Fall, wenn z. B. die Mutter über einen längeren Zeitraum die elementaren Bedürfnisse ihrer Kinder nach Versorgung mit Nahrung und Hygiene missachtet hat. Eine Vernachlässigung der Betreuung und somit die Verletzung der Unterhaltspflicht kann auch dann gegeben sein, wenn die Mutter ihr Kind im Kleinkindalter bei den Großeltern zurückgelassen hat und sich in der Folgezeit nicht mehr um dieses gekümmert hat, obwohl sie sorgeberechtigt war. Darin liegt eine schwere Verfehlung, ein grober Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme der Mutter gegenüber ihrem jetzt volljährigen Kind, die ebenfalls zu einer Beschränkung oder dem Wegfall der Unterhaltsverpflichtung führen kann.

Der BGH hat das damit begründet, dass, auch wenn das Kind bei den Großeltern gut versorgt wurde, die Mutter die Betreuung ohne jedweden Einsatz (brieflicher oder telefonischer Kontakt, Anteilnahme an der Entwicklung des Kindes und an seinem Leben) allein den Großeltern überlassen hat.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat im Beschluss vom 04.01.17 die Verpflichtung einer erwachsenen Tochter, für ihren bedürftigen Vater Elternunterhalt zu zahlen, wegen grober Unbilligkeit abgelehnt. Der Vater hatte sechs Jahre lang nichts für die damals noch bedürftige Tochter gezahlt, obwohl er in der Lage gewesen wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Darüber hinaus hatte er bei der Trennung von der Mutter per Einschreiben mitgeteilt, dass er von seiner Familie nichts mehr wissen wolle. Das Oberlandesgericht stellte fest, dass ein solcher Kontaktabbruch eine grobe Verfehlung gegenüber der Tochter und eine Verletzung der väterlichen Pflicht zu Beistand und Rücksicht darstellt. Der Kontaktabbruch allein wäre nicht ausreichend gewesen, um die grobe Unbilligkeit zu begründen, die zum Wegfall der Unterhaltspflicht gegenüber dem Vater führte.

Ferner kann die Verpflichtung der Kinder, Elternunterhalt zu zahlen, beschränkt oder ausgeschlossen sein bei bewusst falschen Strafanzeigen gegen das volljährige Kind, von dem Unterhalt gefordert wird, sowie tätlichen Angriffen, Bedrohungen oder Denunziationen, um das unterhaltspflichtige Kind beruflich oder wirtschaftlich zu schädigen.

Die Unterhaltspflicht wird beschränkt oder fällt weg, wenn die Eltern das jetzt volljährige Kind als Kind sexuell missbraucht haben, Prozessbetrug zum Nachteil des volljährigen Kindes verübt haben oder wenn die Eltern seit 30 Jahren keinen Kontakt mehr zum volljährigen Kind hatten. Die Kontaktverweigerung allein darf jedoch nicht als eine schwere Verfehlung bewertet werden. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen. Hier sind die Lebensverhältnisse umfangreich zu prüfen. Haben die Eltern, während das Kind noch minderjährig war, ihre Fürsorge- und Unterhaltspflicht erfüllt, ist das den Eltern zugute zu halten, sodass der Anspruch nicht verwirkt ist.

Hat der jetzt bedürftige Vater nach der Scheidung keinerlei Kontakt mehr zu dem jetzt auf Unterhalt in Anspruch genommenen, damals 12 Jahre alten Kind gehabt und auch nicht nachgesucht, läßt dies die Inanspruchnahme auf Unterhalt als grob unbillig erscheinen. Andererseits muss auch das eigene Verhalten des jetzt unterhaltspflichtigen Kindes berücksichtigt werden, bzw. die Tatsache, dass der Unterhaltsberechtigte nicht die alleinige Verantwortung für den Bruch der Beziehung trägt und bereit ist, die persönlichen Beziehungen wieder zu ordnen.

Nicht ausreichend für den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung ist ein zeitlich begrenzter Kontaktabbruch oder z. B. die Kontaktverweigerung durch Nichterscheinen zum Gerichtstermin.

Wenn die Eltern krankheitsbedingt (auch wegen einer psychischen Erkrankung) unfähig waren, sich ausreichend um das Kind zu kümmern, wird der Unterhaltsanspruch gegen das Kind nicht eingeschränkt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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