Was passiert, wenn die Technik streikt? Das Betriebsrisiko im Arbeitsverhältnis.

  • 6 Minuten Lesezeit

Stellen Sie sich vor, Sie finden sich an Ihrem Arbeitsplatz ein, bereit in den Arbeitstag zu starten - und dann streikt die notwendige Technik. Egal ob es sich dabei um den Computer, entsprechende Maschinen, die Internetverbindung oder andere Arbeitsmittel handelt: wenn die wesentlichen Arbeitsmittel nicht funktionieren, können Sie Ihre Arbeitsleistung nicht erbringen. Doch was ist jetzt mit dem Gehalt? Erhalten Sie dieses auch ohne entsprechende Arbeitsleistung?


Grundsatz

Die Leistungen innerhalb eines Arbeitsvertrages stehen in einem gegenseitigen Verhältnis. Der Arbeitnehmer erbringt seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung und der Arbeitgeber zahlt hierfür das vertraglich oder tariflich vereinbarte Arbeitsentgelt. Der sich daraus im Umkehrschluss ergebende Grundsatz „Ohne Arbeit, kein Lohn“ dürfte daher zunächst allgemein bekannt sein.


Bekanntere Ausnahmen von diesem Grundsatz sind dabei insbesondere die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie die Wahrnehmung von Urlaubstagen. In beiden Fällen ist der Arbeitnehmer, unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung, für einen gewissen Zeitraum von der Arbeitsleistung befreit.


Der Arbeitgeber will Ihre Leistung nicht annehmen

Es gibt jedoch auch Konstellationen, in denen der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zwar erbringen möchte, der Arbeitgeber diese aber aus eigenem Antrieb ablehnt. Der Arbeitgeber befindet sich in diesen Fällen im sog. Annahmeverzug und ist gesetzlich zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts verpflichtet.


In Betracht kommt dies oftmals vor allem in laufenden Kündigungsschutzverfahren, wenn der Arbeitgeber von der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die ausgesprochene Kündigung ausgeht und die Annahme der Arbeitsleistung daher verweigert. Sofern sich später herausstellt, dass die Kündigung unwirksam war, muss der Arbeitgeber in der Regel die Vergütung nachzahlen. Dieses Risiko bildet für Arbeitnehmer in einem solchen Prozess daher eine gute Verhandlungsposition im Kampf um eine möglichst hohe Abfindung.


Der Arbeitgeber kann Ihre Leistung nicht annehmen

Denkbar sind jedoch auch Situationen, in denen der Arbeitgeber die Arbeitsleistung zwar gern annehmen würde, diese aber gar nicht annehmen kann. Die möglichen Gründe können unterschiedlich und zahlreich sein, führen letztlich jedoch dazu, dass der Arbeitgeber keine sinnvolle Verwendung für die Arbeitsleistung hat. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen dem Wirtschaftsrisiko und dem Betriebsrisiko, welche letztlich jedoch zu ähnlichen Ergebnissen führen - denn in der Regel muss der Arbeitgeber auch hier zahlen.


Das Wirtschaftsrisiko erfasst dabei die Fälle, in denen die Erbringung der Arbeitsleistung grundsätzlich zwar noch möglich ist, die Fortsetzung des Betriebs aber wirtschaftlich sinnlos wäre. Denkbare Fälle sind hier vor allem eine schlechte Auftragslage und ein Absatzmangel. Wenn Sie also z.B. von 15:00 - 20:00 Uhr für die Arbeit eingeteilt sind und ab 18:00 Uhr bleibt die Kundschaft aus, so erhalten Sie dennoch für die volle Zeit ihre Vergütung.


Unter das Betriebsrisiko fallen hingegen die eingangs erwähnten Situationen, in denen die Arbeitsleistung betriebstechnisch unmöglich ist. Der Arbeitgeber kann die Leistung nicht annehmen, weil der Arbeitnehmer diese ebenfalls gar nicht erbringen kann. Es handelt sich also um ein Versagen der sachlichen oder persönlichen Mittel des Betriebs, z.B. aufgrund von Naturkatastrophen, Bränden, Internetstörungen oder Stromausfällen. Nach den gesetzlichen Regelungen wird in solchen Fällen der Arbeitgeber so behandelt, als ob er sich mit der Annahme der Arbeitsleistung im Verzug befände. Voraussetzung für die Anwendung des Betriebsrisikos ist jedoch, dass beide Vertragsparteien den Ausfall nicht zu verschulden haben. Hat der Arbeitnehmer also den Ausfall verursacht, ist die Sache durchaus anders zu bewerten.


Die dargestellten Regelungen zum Betriebs- und Wirtschaftsrisiko können grundsätzlich innerhalb des Arbeitsvertrages oder eines Tarifvertrages auch anderweitig geregelt werden. So ist es durchaus möglich für spezielle Situationen die Fortzahlung der Arbeitsvergütung auszuschließen oder zu beschränken. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die jeweilige Regelung hinreichend deutlich ist, d.h. der jeweilige Einzelfall muss klar und verständlich dargestellt sein. Eine generelle Verlagerung des Betriebsrisikos zu Lasten des Arbeitnehmers dürfte hingegen unangemessen und somit unwirksam sein. Ob die jeweilige Vertragsklausel wirksam ist muss daher im Einzelfall geprüft werden.


Ausnahmen für behördliche Betriebsschließungen und Streiks

Eine Ausnahme stellt jedoch die Betriebsstilllegung aufgrund einer Corona Verordnung dar. Insbesondere in den Jahren 2020 und 2021 waren zahlreiche Betriebe wegen der Pandemie gänzlich geschlossen, so dass die Arbeitsleistung nicht erbracht werden konnte. Auch hier stellte sich die Frage - erhalten Arbeitnehmer dennoch ihr Geld? Das Bundesarbeitsgericht hatte letztlich entschieden, dass dies keinen Fall des Betriebsrisikos darstelle, wenn sich die Verfügung nicht gegen ein Risiko aus der Sphäre des Betriebs richte, sondern allgemein alle Betriebe die Arbeit einstellen müssten. Der Arbeitnehmer sei in diesen Fällen durch entsprechende Ausgleichsregelungen, wie etwa die Beantragung von Kurzarbeitergeld, geschützt.


Eine weitere Ausnahme gilt für Streiks der Arbeitnehmer und der jeweiligen Gewerkschaft. Während eines rechtmäßigen Streiks werden die gegenseitigen Arbeitspflichten suspendiert, d.h. sowohl die Arbeitsleistung als auch die Vergütung sind nicht zu erbringen. Hierbei kann es passieren, dass der Arbeitgeber den Betrieb gänzlich schließen muss - und hierbei auch Arbeitnehmer ausschließt, welche sich nicht am Streik beteiligen. Aufgrund des sog. Streikrisikos erhalten Arbeitnehmer in diesen Fällen daher in der Regel keine Vergütung.


Sind auch Störungen meines Arbeitsweges erfasst?

Nicht erfasst sind zudem Fälle, in denen lediglich der Arbeitnehmer aufgrund von Witterungsbedingungen, Stromausfällen oder auch Streiks daran gehindert ist die Arbeitsstätte zu erreichen. Denn dies fällt unter das sog. Wegerisiko - und dieses liegt auf Seiten des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat folglich dafür Sorge zu tragen, dass er pünktlich an seinem Arbeitsplatz erscheint und die Arbeit aufnehmen kann. Insbesondere mit Blick auf Pendler und die zuletzt oftmals sehr kurzfristigen Streiks bei der Deutschen Bahn kann dies somit zu Problemen führen. In der Regel empfiehlt sich hier eine offene Kommunikation mit dem Arbeitgeber um derartige Probleme möglichst zeitnah lösen zu können.


Gilt das Betriebsrisiko auch im Homeoffice?

Doch was ist, wenn in den Wohnräumen des Arbeitnehmers das Internet, der Strom oder der Computer ausfällt? Gilt auch hier das Betriebsrisiko, wenn der Arbeitnehmer seine Leistung nicht erbringen kann? In der Regel wird man auch hier von der Anwendung der dargestellten Grundsätze ausgehen können. Denn auch wenn sich der Arbeitsplatz in den Wohnräumen des Arbeitnehmers befindet, so handelt es sich dennoch um einen Arbeitsplatz, welcher dem Arbeitgeber zuzuordnen ist. Allein die Vereinbarung oder die Gewährung der Möglichkeit, im Homeoffice arbeiten zu können, stellt keinen Ausschluss des Betriebsrisikos dar. Hierfür müsste vielmehr eine entsprechende ausdrückliche, vertragliche Regelung vorliegen.


Fazit

Es bleibt somit festzuhalten, dass zahlreiche Abweichungen von dem Grundsatz „Ohne Arbeit, kein Lohn“ bestehen können. Insbesondere in den dargestellten Fällen aber, in welchen das Wirtschaftsrisiko oder das Betriebsrisiko zur Anwendung kommt, ist der Arbeitgeber in der Regel zur Fortzahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Zwar können diese Risiken und die eintretenden Folgen grundsätzlich auch beschränkt oder ausgeschlossen werden, dies bedarf für seine Wirksamkeit jedoch einer eindeutigen vertraglichen Regelung.


Sie haben Fragen zu Ihrem Arbeitsverhältnis oder benötigen Unterstützung in einem arbeitsrechtlichen Fall? Ich berate und vertrete Sie gern. Schreiben Sie mir jederzeit gern eine E-Mail an info@kanzlei-apitzsch.de , über das Anwalt.de Profil oder rufen Sie mich einfach an unter 0341 234 60 119. Gemeinsam finden wir eine Lösung für Ihre Anliegen.



Rechtsanwalt Robert Apitzsch


Martin-Luther-Ring 13

04109 Leipzig


www.kanzlei-apitzsch.de

Tel: 0341 234 60 119

Mail: info@kanzlei-apitzsch.de


Foto(s): Robert Apitzsch

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Robert Apitzsch

Beiträge zum Thema