Wegnahme eines Handys, um Dateien zu löschen – keine Strafbarkeit wegen Diebstahls oder Raubes

  • 3 Minuten Lesezeit

Handys sind heutzutage schon lange nicht mehr nur zum Telefonieren da. Sie dienen uns als täglicher Begleiter, indem sie uns etwa navigieren, Musik hören lassen und die wichtigsten Schnappschüsse festhalten. Auf unseren Handys befinden sich viele Dateien, die uns wichtig sind. Diese technische Entwicklung hat auch vor dem Strafrecht nicht Halt gemacht und ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Auch vor kurzem hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Entscheidung getroffen, die sich mit der Frage befasst, ob es sich um einen Raub handelt, wenn ein Handy weggenommen wird, um Fotos zu löschen.

Die Zueignungsabsicht

Sowohl beim Vorwurf des Diebstahls als auch des Raubes ist die sogenannte Zueignunsabsicht erforderlich. Diese ist nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn der Beschuldigte im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder eine Dritten erlangt und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten einverleiben oder zuführen will. Verneint wird die Zueignungsabsicht hingegen in Fällen, in denen die fremde Sache nur weggenommen wird, um sie zu zerstören, zu vernichten, preiszugeben, wegzuwerfen, beiseite zu schaffen oder zu beschädigen. Auch wenn die Sache weggenommen wird, um sie gleich wieder an den Eigentümer herauszugeben, hat die Rechtsprechung die Zueignungsabsicht verneint.

Auswirkungen auf die Straferwartung

Ob Zueignungsabsicht angenommen wird oder nicht, hat ganz erhebliche Auswirkungen auf die Straferwartung. Denn wird die Sache mit Gewalt weggenommen, kommt eine Strafbarkeit wegen Raubes in Betracht, der mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft wird. Liegt keine Zueignungsabsicht vor, kommt je nach Sachverhalt eine Körperverletzung oder Nötigung in Betracht, die jeweils keine derart hohe Mindeststrafe vorsehen. Gleiches gilt für den Diebstahl, der auch mit hohen Strafandrohungen verbunden ist, wenn etwa noch eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug mitgeführt wird. Es ist also ganz entscheidend für das Ergebnis des Strafverfahrens, ob eine Zueignungsabsicht vom Gericht angenommen wird.

Die Wegnahme eines Handys zur Löschung von Dateien

Ausgangspunkt der aktuellen Entscheidung des BGH (5 StR 577/18) war eine Streitigkeit in der S-Bahn in Meißen, im Laufe derer die Betroffene den Angeklagten bespuckt und mit ihrem Handy Fotos von ihm angefertigt hatte. Der Angeklagte wollte diese Fotos löschen und versuchte der Betroffenen das Handy aus der Hand zu treten. Die Mitangeklagte setzte eine mit Bleikugeln gefüllte CO2-Pistole ein und feuerte zwei Schüsse auf die Betroffene ab, welche diese an Nasenflügeln und Unterarm trafen. Der Angeklagte schlug der Betroffenen zudem mehrmals mit wuchtigen Faustschlägen auf den Oberkörper und in das Gesicht, wodurch es ihm gelang, das Handy in seinen Gewahrsam zu bringen. Er verließ sodann die S-Bahn, löschte die auf dem Handy befindlichen Bilder, auf denen er abgebildet war, und legte das Handy unter eine Tanne.

Das Landgericht Dresden verurteilte den Angeklagten wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Das Landgericht begründete die Zueignungsabsicht beim Raub damit, dass der Wille des Angeklagten zumindest vorübergehend darauf gerichtet gewesen sei, wie ein Eigentümer über die auf dem Handy gespeicherten Daten zu verfügen.

Auf die Revision des Angeklagten änderte der BGH die Verurteilung des Angeklagten in eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung ab und hob den Strafausspruch auf. Seine Entscheidung begründetet der BGH damit, dass der Angeklagte bei der Wegnahme und Löschung der Fotos auf dem Handy der Betroffenen keine Zueignungsabsicht hatte.

Eine Zueignungsabsicht sei nur dann zu bejahen, wenn der Täter das Handy – wenn auch nur vorübergehend – über die für die Löschung der Bilder benötigte Zeit hinaus behalten wolle. Dagegen sprach hier aber, dass der Angeklagte das Handy nur zum Zwecke der Löschung der Bilder an sich genommen und den Besitz des Handys kurz nach der Löschung wieder aufgegeben hatte.

Fazit

Die Entscheidung zeigt erneut, dass nicht jede Wegnahme eines Handys einen Tatbestand der Eigentumsdelikte erfüllt. Es muss vielmehr sauber geprüft werden, welchen Zweck die Wegnahme hatte und was danach mit dem Handy geschieht.

Wenn Sie eines Diebstahls oder Raubes beschuldigt werden, sollten Sie sich an einen Fachanwalt für Strafrecht wenden, der das Gericht auf Feinheiten der rechtlichen Bewertung hinweist und Fehlurteile vermeiden kann. Denn die Rechtsprechung zur Zueignungsabsicht ist derart komplex, dass auch Gerichte sie fehlerhaft annehmen können – mit fatalen Folgen für den Beschuldigten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Steffen Dietrich

Beiträge zum Thema