Welche Darlehen können heute noch widerrufen werden?

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Das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Darlehensverträgen, insbesondere bei Immobiliendarlehen, beschäftigt nun schon seit einigen Jahren sowohl die Gerichte als auch die mediale Berichterstattung. 

Zahlreichen Bankkunden ist es bereits gelungen, sich mit Hilfe ihres Widerrufsrechts von alten, oft noch hochverzinsten Darlehensverträgen zu lösen oder gezahlte Vorfälligkeitsentgelte zurückerstattet zu bekommen. Wurde der Bankkunde nicht korrekt über sein Widerrufsrecht informiert, kann ein Widerruf auch noch Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrags erfolgreich sein. 

Aufgrund einiger Gesetzesänderungen ist es für den Verbraucher aber oftmals nicht leicht zu erkennen, ob sein Widerrufsrecht auch noch zum heutigen Zeitpunkt besteht. In den Medien finden sich zahlreiche widersprüchliche Informationen. So ist zum Beispiel von einem „ewigen“ Widerrufsrecht die Rede, an anderer Stelle findet man den Hinweis, das Widerrufsrecht unterliege bestimmten Ausschlussfristen. 

Tatsächlich kommt es für die Frage, ob dem Verbraucher (immer noch) ein Widerrufsrecht zusteht, entscheidend darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Darlehensvertrag abgeschlossen wurde. Der Gesetzgeber hat mehrfach in den letzten 15 Jahren Gesetzesänderungen zum Widerrufsrecht vorgenommen, sodass die zeitliche Einordnung des Vertrags zentral für die Erfolgsaussichten eines Widerrufs ist. 

Nachfolgend soll eine kurze Übersicht zur Orientierung gegeben werden, wann im Allgemeinen zum heutigen Zeitpunkt ein Widerruf noch möglich sein kann. Ob eine Widerrufsbelehrung tatsächlich fehlerhaft ist, muss hingegen im Einzelfall geprüft werden. 

Die Ausführungen beziehen sich soweit nicht anders angegeben auf Immobiliar-Verbraucherdarlehen, d. h. solche Darlehen, die durch Grundpfandrechte besichert sind und/oder die dem Erwerb einer Immobilie/eines Grundstückes dienen. 

I. Verträge bis zum 10.06.2010

Immobiliar-Darlehensverträge, die bis zum 10.06.2010 abgeschlossen wurden, waren aufgrund einer Gesetzesänderung nur bis zum 21.06.2016 widerrufbar, vgl. Art. 229 § 38 Absatz 3 EGBGB. 

Seit dem 21.06.2016 ist ein wirksamer Widerruf dieser Verträge nicht mehr möglich, auch wenn die Belehrung fehlerhaft war oder gar ganz unterlassen wurde. 

Verbraucher, die den Widerruf rechtzeitig vor dem 21.06.2016 erklärt haben, können ihre Ansprüche aber selbstverständlich auch heute noch weiterverfolgen. 

II. Verträge vom 11.06.2010 - 20.03.2016

Für Darlehen, die in dem Zeitraum vom 11.06.2010 bis zum 20.03.2016 geschlossen wurden, gilt die Ausschlussfrist zum 21.06.2016 nicht. Diese Darlehen können auch noch zum heutigen Zeitpunkt widerrufen werden, insofern die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Das sog. „ewige“ Widerrufsrecht gilt in diesen Fällen fort. 

Allerdings ist die Widerrufsbelehrung bei diesen Verträgen für den Kunden oftmals deutlich schwerer angreifbar. 

Für Darlehensverträge bis zum 10.06.2010 galt, dass die vom Gesetzgeber herausgegebenen Musterbelehrungen lediglich den Rang einer Verordnung hatten und demzufolge von den Gerichten auch inhaltlich auf ihre Rechtswirksamkeit hin überprüft werden konnten. Einige Musterformulierungen – wie z. B. „Die Frist beginnt frühestens“ – wurden von den Gerichten als unwirksam verworfen, sodass sich hier Widerrufsmöglichkeiten für die Verbraucher ergaben. 

Die vom Gesetzgeber herausgegebene Musterbelehrung wurde nun jedoch in das EGBGB integriert und erhielt mit Wirkung zum 30.07.2010 Gesetzesrang. Diese Belehrung ist daher von den Gerichten grundsätzlich inhaltlich nicht überprüfbar. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Unternehmen, die die Musterbelehrung aus dem EGBGB übernommen haben, den Kunden auch wirksam belehrt haben. 

Nichtsdestotrotz gibt es unserer Erfahrung nach auch in diesen Verträgen oftmals Fälle, in denen das Unternehmen die Musterbelehrung nicht korrekt umgesetzt hat. So kommt es z. B. vor, dass Banken Pflichtangaben, auf die sie in der Widerrufsbelehrung Bezug nehmen, nicht im Vertrag aufführen oder dass bezüglich der Widerrufsfolgen nicht die pro Tag zu zahlenden Zinsen genannt werden. Treten solche Fehler auf, ist der betreffende Vertrag auch heute noch widerrufbar. Aus unserer Erfahrung sind diese Fehler recht häufig anzutreffen.

Klarheit ergibt hier eine Prüfung im Einzelfall. 

III. Verträge seit dem 21.03.2016

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers ist nunmehr in § 356b BGB geregelt. § 356b BGB unterscheidet von seinem Wortlaut her klar zwischen Immobiliar- und Allgemein-Verbraucherdarlehen. 

Gemäß § 356b Absatz 2 BGB erlischt bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehen das Widerrufsrecht nun spätestens 12 Monate und 14 Tage nach dem Vertragsschluss bzw. nachdem dem Verbraucher die Vertragsurkunde oder sein schriftlicher Antrag zur Verfügung gestellt wurde (maßgebend ist der spätere Zeitpunkt). Das Widerrufsrecht erlischt unabhängig davon, ob die Belehrung fehlerhaft war oder nicht. Nach Ablauf der Frist ist ein Widerruf ausgeschlossen. 

Der Gesetzgeber hat damit ab dem 21.03.2016 das sogenannte „ewige“ Widerrufsrecht für Immobiliar-Verbraucherdarlehen abgeschafft. 

Diese Ausschlussfrist gilt jedoch nicht bei Allgemein-Verbraucherdarlehen. Diese sind weiterhin grundsätzlich zeitlich unbegrenzt widerrufbar. Hinsichtlich der Anforderungen an eine wirksame Belehrung gelten die obigen Ausführungen zu Verträgen ab dem 11.06.2010. 

IV. Fazit

Die Erfolgsaussichten eines Widerrufs hängen ganz entscheidend von dem Zeitpunkt ab, zu dem der betreffende Darlehensvertrag abgeschlossen wurde. 

Bei Verträgen, die nach dem 10.06.2010 geschlossen wurden, lohnt sich auch heute noch eine Prüfung der Widerrufsbelehrung. Hier gilt weiterhin ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht, insofern die Belehrung falsch ist. Bei Immobiliar-Verträgen, die nach dem 20.03.2016 geschlossen wurden, ist die Ausschlussfrist des § 356b BGB von 12 Monaten und 14 Tagen zu beachten. 

Das sog. „ewige“ Widerrufsrecht gilt aber grundsätzlich noch bei Allgemein-Verbraucherdarlehen weiter, also bei Darlehen, die weder durch Grundpfandrechte gesichert sind noch dem Erwerb einer Immobilie/eines Grundstückes dienen. 



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