Wenn Gesellschafter ausscheiden: Der BGH zur Auslegung von Fortführungsklauseln in der GbR

  • 4 Minuten Lesezeit

Was passiert eigentlich, wenn ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ausscheidet – sei es durch Kündigung, Tod oder im Streitfall? 

Viele Gesellschafter gehen davon aus, dass die übrigen einfach weitermachen können. 

Doch das Gesetz sieht im Zweifel etwas anderes vor: Ohne besondere Regelung endet die GbR automatisch mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters – und das kann gravierende Folgen haben.

Gerade bei kleineren Unternehmen, Kanzleien oder Praxen, die in der Rechtsform der GbR geführt werden, kann ein solcher Fall existenzbedrohend sein. 

Um das zu verhindern, enthalten viele Gesellschaftsverträge sogenannte Fortführungsklauseln. Doch wie sicher sind diese Klauseln eigentlich? Und was, wenn nur noch ein Gesellschafter übrig bleibt?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu in einem aktuellen Urteil vom 29. Oktober 2024 (Az. II ZR 222/21) klare Worte gefunden: Die Fortführung einer GbR mit nur einem Gesellschafter ist nicht zulässig, sofern dies nicht ausdrücklich im Vertrag geregelt wurde. 

Dieses Urteil rückt die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen stärker denn je in den Fokus.

Das Grundproblem: Auflösung der GbR beim Ausscheiden eines Gesellschafters

Nach dem gesetzlichen Leitbild (§ 727 BGB) führt das Ausscheiden eines Gesellschafters grundsätzlich zur Auflösung der Gesellschaft – es sei denn, der Gesellschaftsvertrag enthält eine abweichende Regelung. 

Das bedeutet: Ohne entsprechende Klausel endet die GbR automatisch, wenn ein Gesellschafter kündigt, verstirbt oder ausgeschlossen wird.

In der Praxis ist das oft nicht gewünscht – vor allem, wenn mehrere Gesellschafter bestehen bleiben und die Geschäfte eigentlich problemlos fortgeführt werden könnten. 

Eine ungeplante Auflösung kann zu rechtlichen Unsicherheiten, wirtschaftlichen Nachteilen und aufwendigen Auseinandersetzungen führen.

Typische Konstellationen:

  • Ein Gesellschafter kündigt seine Mitgliedschaft ordentlich

  • Ein Gesellschafter verstirbt (z. B. in einer Familien-GbR)

  • Ein Gesellschafter wird aus wichtigem Grund ausgeschlossen

Gerade bei kleineren Unternehmen kann das gravierende Folgen haben – vom Verlust des Geschäftsbetriebs bis hin zur Zwangsliquidation.

Was sind Fortführungsklauseln?

Um diesem Risiko zu begegnen, enthält der Gesellschaftsvertrag idealerweise eine sogenannte Fortführungsklausel. Diese stellt klar, dass die GbR mit den verbleibenden Gesellschaftern fortbesteht, auch wenn ein Gesellschafter ausscheidet.

➤ Ziel:

Rechtssicherheit und Kontinuität – der Geschäftsbetrieb soll ohne Unterbrechung weiterlaufen können.

➤ Abgrenzung zu Eintritts- oder Nachfolgeklauseln:

  • Fortführungsklausel: regelt den Fall des Ausscheidens – Gesellschaft bleibt bestehen.

  • Eintritts- oder Nachfolgeklausel: regeln, wer als neuer Gesellschafter nachrücken darf oder muss (z. B. Erben).

➤ Beispiel für eine typische Klausel:

„Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wird die Gesellschaft mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt.“

Solche Formulierungen sollten sorgfältig gewählt werden – unklare oder unvollständige Klauseln können zu Streit führen.

BGH-Rechtsprechung zur Fortführungsklausel

a) BGH, Urteil vom 16.01.2020 – IX ZR 351/18

Der BGH stellte klar: Eine Fortführung ist grundsätzlich möglich, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht.

Selbst wenn die Klausel nicht ganz eindeutig formuliert ist, kann eine auslegungsfreundliche Anwendung dafür sprechen, dass die GbR fortgesetzt werden soll. 

Das Ziel der Vertragsparteien – der Erhalt der Gesellschaft – steht im Mittelpunkt.

b) BGH, Urteil vom 29.10.2024 – II ZR 222/21

In einem aktuellen Fall entschied der BGH, dass eine GbR nicht von nur einem Gesellschafter allein fortgeführt werden kann, es sei denn, dies ist ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag geregelt. 

In dem Fall wollte ein Anwalt die GbR nach dem Ausscheiden seines einzigen Partners allein weiterführen – ohne klare Regelung im Vertrag. 

Der BGH lehnte dies ab: Eine Ein-Personen-GbR ist gesetzlich nicht vorgesehen.

📌 Bedeutung für die Praxis: Besonders kleine GbRs – z. B. Kanzleien, Arztpraxen oder Familienbetriebe – sollten genau prüfen, ob ihr Vertrag auf diese Konstellation vorbereitet ist.

Gestaltungshinweise für die Praxis

Damit eine Fortführungsklausel im Ernstfall auch wirksam greift, sollte sie klar und rechtssicher formuliert sein. 

Empfehlenswert ist:

  • Die Fortführung ausdrücklich anzuordnen („Die Gesellschaft wird fortgeführt...“)

  • Die Mindestanzahl verbleibender Gesellschafter zu regeln (z. B. „...sofern mindestens zwei Gesellschafter verbleiben“)

  • Regelungen zur Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters (Berechnung, Zahlungsfrist)

  • Ggf. Nachfolgeregelungen für Erben oder Nachrücker

Typische Fehler:

  • Vage Formulierungen („kann fortgeführt werden“)

  • Fehlende Regelungen zum Alleinverbleib eines Gesellschafters

  • Kein Abfindungsmechanismus – Folge: Streit und Auseinandersetzungen

Empfehlung:

GbR-Gesellschafter sollten bestehende Verträge regelmäßig überprüfen – am besten gemeinsam mit einem im Gesellschaftsrecht erfahrenen Anwalt

Gerade in gewachsenen Strukturen lohnt sich ein Blick auf die Aktualität der Klauseln – spätestens jetzt, nach dem BGH-Urteil vom Oktober 2024.

Fazit: Fortführung sichern – rechtzeitig vorsorgen

Das Ausscheiden eines Gesellschafters kann für eine GbR weitreichende Folgen haben – bis hin zur automatischen Auflösung der Gesellschaft. 

Wer dem vorbeugen will, sollte nicht auf Glück oder Gewohnheitsrecht setzen, sondern auf eine klar formulierte Fortführungsklausel im Gesellschaftsvertrag. 

Die aktuelle Rechtsprechung des BGH zeigt deutlich: Nur wer rechtzeitig vorsorgt, kann seinen Geschäftsbetrieb im Ernstfall ohne Unterbrechung fortsetzen.

✅ Tipp vom Anwalt: Jetzt Gesellschaftsvertrag prüfen lassen

Sie sind Gesellschafter einer GbR? Dann sollten Sie Ihren Gesellschaftsvertrag dringend auf klare Fortführungsklauseln und aktuelle Rechtsprechung hin prüfen – insbesondere, wenn Ihre Gesellschaft nur aus zwei Personen besteht.

Wir unterstützen Sie gern bei der rechtssicheren Gestaltung oder Überarbeitung Ihres Vertrags.

Kontaktieren Sie uns jetzt für eine individuelle Beratung.

Foto(s): https://kanzlei-herfurtner.de/


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Wolfgang Herfurtner

Beiträge zum Thema