Wer darf in die Künstlersozialversicherung? – Was Kreative und Unternehmen wissen sollten
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Inhaltsverzeichnis
- Wann gilt eine Tätigkeit als „künstlerisch“?
- Tanz oder Sport? Die Entscheidung zur Flamenco-Lehrerin
- Kunst oder Handwerk? Das Beispiel Tätowiererin
- Keine Bühne, keine Öffentlichkeit – warum eine Hochzeitsrednerin nicht aufgenommen wurde
- Was heißt das für Kreative und Unternehmen?
- Jetzt reinhören: Was sagt das Bundessozialgericht wirklich?
Wer als freischaffende:r Künstler:in oder Publizist:in arbeitet, kennt das Problem: Gesetzliche Sozialversicherungen wie Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sind teuer – insbesondere dann, wenn man sie komplett alleine finanzieren muss. Die Künstlersozialversicherung (KSK) schafft hier Erleichterung: Sie ermöglicht selbstständigen Kreativen den Zugang zur gesetzlichen Absicherung – unter ähnlichen Bedingungen wie Arbeitnehmer:innen. Die KSK übernimmt die Hälfte der Beiträge – finanziert durch eine Kombination aus staatlichen Zuschüssen und einer Abgabe von Unternehmen, die kreative Leistungen beauftragen.
Wann gilt eine Tätigkeit als „künstlerisch“?
Das ist oft die entscheidende Frage – und nicht selten Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Denn nicht jede kreative Tätigkeit ist automatisch „kunstförderwürdig“ im Sinne der KSK. Drei aktuelle Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) bringen hier mehr Klarheit, zeigen aber auch: Es kommt fast immer auf den Einzelfall an.
Die drei Fälle:
Eine Flamenco-Tanzlehrerin
Eine Tätowiererin
Eine Hochzeitsrednerin
Nur zwei davon wurden als versicherungsfähig anerkannt. Schauen wir genauer hin.
Tanz oder Sport? Die Entscheidung zur Flamenco-Lehrerin
Ist das Lehren von Flamenco-Tanz eine künstlerische oder sportliche Tätigkeit? Die KSK lehnte die Aufnahme der Tanzlehrerin zunächst ab: Der Schwerpunkt liege im „körperlich-sportlichen Bereich“. Doch das BSG sah das anders – und stellte klar:
Tanz kann darstellende Kunst sein. Wesentlich sei, ob die Lehre darauf abzielt, künstlerische Ausdrucksformen zu vermitteln – etwa für die Bühne – oder ob lediglich sportliche Fitness im Vordergrund steht.
In diesem Fall hatte die Tanzlehrerin eigene Bühnenerfahrung und vermittelte explizit tänzerische Ausdrucksformen. Ergebnis: Versicherungsfähig.
Praxis-Tipp: Tanzlehrende sollten prüfen, ob ihr Kurskonzept eine künstlerische Vermittlung beinhaltet. Nicht entscheidend ist, ob die Teilnehmenden damit selbst künstlerisch aktiv werden wollen.
Kunst oder Handwerk? Das Beispiel Tätowiererin
Auch das Tätowieren wurde lange als handwerkliche Tätigkeit eingestuft – also nicht künstlerisch im Sinne der KSK. Im konkreten Fall aber hatte die Tätowiererin eine anerkannte künstlerische Ausbildung und fertigte ausschließlich individuelle Motive an, die untrennbar mit dem Körper ihrer Kund:innen verbunden waren.
Das BSG entschied: Wenn sich Kunst und handwerkliche Umsetzung nicht trennen lassen, ist die Tätigkeit bildende Kunst – und damit versicherungsfähig.
Aber Vorsicht:
Das Gericht betonte, dass dies nicht für alle Tätowierer:innen gilt. Wer etwa nur Katalogmotive auf Wunsch umsetzt, erfüllt die Voraussetzungen nicht.
Keine Bühne, keine Öffentlichkeit – warum eine Hochzeitsrednerin nicht aufgenommen wurde
Im dritten Fall wurde die Aufnahme abgelehnt: Eine Hochzeitsrednerin konnte das BSG nicht davon überzeugen, dass ihre Tätigkeit unter Kunst oder Publizistik fällt.
Die Begründung:
Keine darstellende Kunst, da es nicht um eine künstlerische Performance, sondern den inhaltlichen Vortrag geht.
Keine publizistische Tätigkeit, da die Rede nicht an eine „Öffentlichkeit“ gerichtet ist, sondern an ein spezifisches, privates Publikum.
Ein möglicher Ausweg: Wäre die Rede stärker performativ ausgestaltet – etwa mit Theater-Elementen – könnte man ggf. anders argumentieren. Doch das wäre ein anderer Einzelfall.
Was heißt das für Kreative und Unternehmen?
Für Kreative:
Ob Künstlersozialversicherung möglich ist, hängt nicht nur vom Berufstitel ab – sondern von der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit.
Eine künstlerische Ausbildung, eigene Werke, Auftritte oder Veröffentlichungen können helfen, den künstlerischen Charakter zu untermauern.
Wer unsicher ist: Die Website der Künstlersozialkasse bietet viele Informationen, Formulare und Beratungsmöglichkeiten.
Für Unternehmen:
Unternehmen, die regelmäßig kreative Leistungen beauftragen (z. B. für Webdesign, Werbefilme oder Grafik), können zur Künstlersozialabgabe verpflichtet sein – unabhängig von ihrer Branche.
Abgabepflicht besteht ab 450 € Honorar im Jahr – also schneller als gedacht.
Wichtig: Die KSK prüft auch rückwirkend. Wer die Abgabe vergisst oder ignoriert, riskiert Nachzahlungen und ggf. Strafzuschläge.
Jetzt reinhören: Was sagt das Bundessozialgericht wirklich?
In der Podcastfolge „Wer darf in die Künstlersozialversicherung?“ sprechen wir ausführlich über diese spannenden Urteile. Die beiden beleuchten die Hintergründe der Entscheidungen, ordnen juristisch ein – und geben praxisnahe Tipps für Betroffene.
Fazit: Kunst ist, was überzeugt – aber jeder Fall ist anders
Die Künstlersozialversicherung bietet wichtigen Schutz für kreative Berufe. Doch wer aufgenommen werden möchte, muss oft mehr als nur kreativ sein: Entscheidend sind Einzelfall, Nachweise und Argumentation.
Die Urteile des Bundessozialgerichts zeigen:
Einzelfallprüfung ist zentral
Kreativität kann rechtlich überzeugen – wenn sie gut begründet ist
Unternehmen müssen mitdenken, wenn sie kreative Leistungen einkaufen
Wer Unterstützung sucht, findet bei erfahrenen Kanzleien wie Tölle Wagenknecht Rechtsanwälte fundierte Hilfe – etwa zur Einschätzung von Abgabepflichten oder zur Begleitung im Antragsverfahren.
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