Weshalb die Fälschung einer Urkunde noch lange keine Urkundenfälschungen ist

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Als Saidi H. zu mir kam, war er beschämt. Zur Ausstellung der Geburtskunde seines Kindes waren von ihm verschiedene Urkunden verlangt worden, so berichtete er. Seine eigene Geburtsurkunde, die Heiratsurkunde, und, da die Mutter des Kindes nicht seine Frau war, legte er gleich auch noch ein Scheidungsurteil vor. Ein verheirateter Mann lässt die Frau im Heimatland zurück und schwängert in Deutschland eine andere, die bösen Blicke dafür wollte er nicht erleben. 

Bisschen Bestechung

An dem Scheidungsurteil gab es jedoch rasch Zweifel oder klarer ausgedrückt: Saidi H. war zu dem Zeitpunkt noch gar nicht geschieden, das Dokument hatte er gegen bisschen Bargeld von einem Beamten des Heimatlandes erhalten. Die deutsche Behörde fand das heraus und stellte Anzeige gegen Saidi H. wegen Urkundenfälschung. Beweislage: angeblich eindeutig, schließlich gab es eine schriftliche Bestätigung über die Fälschung. 

Schriftliche Lüge

„Ich komme in Gefängnis?“, fragte Saidi H. mich ängstlich und wunderte sich sogleich über mein dezentes Grinsen, während ich das gefälschte Dokument studierte. Ja, manchmal ist es wirklich wunderbar, Jurist zu sein! Der Knackpunkt hier war nämlich: Das von ihm vorgelegte Scheidungsurteil war inhaltlich zwar falsch, aber keine gefälschte Urkunde im rechtlichen Sinne. Hier griff lediglich der Tatbestand der „schriftlichen Lüge“ – und die ist nicht strafbar. 

Lob der Richterin

Es ist wenig bekannt, dass der Strafbestand „Urkundenfälschung“ erst vorliegt, wenn die Identität des Ausstellers gefälscht wurde, allein die Fälschung des Inhaltes reicht hierfür nicht. Zudem, nächster Irrtum der deutschen Behörde, hätte Saidi H. diese ganzen Papiere auch gar nicht gebraucht. Für die Beurkundung eines Neugeborenen reicht es, dass die Vaterschaft von ihm und der Mutter anerkannt wird. Das ist alles. Obwohl Staatsanwalt wie Richterin beim Prozess von Beginn an in Verurteilungslaune war, konnten sie dieser doppelten Argumentation nichts entgegensetzen. Bereits nach einer kurzen Beratungspause hieß es:

„Der Angeklagte wird freigesprochen, die Kosten des Verfahrens trägt die Landesregierung.“ Dann schob die Richterin noch ein sehr ungewöhnliches Bekenntnis hinterher: „Der Angeklagte wurde exzellent verteidigt.“

Vielen Dank! Und: sehr gern geschehen, lieber Saidi H. 

Herzlichst,

Rechtsanwalt Gerhard Rahn (Fachanwalt für Strafrecht) 

PS: Achtung! In einem Arbeitsverhältnis kann die „schriftliche Lüge“ zur fristlosen Kündigung führen! 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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