Wettbewerbsverbote in Gesellschaftsverträgen für Gemeinschaftspraxen

  • 4 Minuten Lesezeit

(Un-)wirksame Wettbewerbsverbote in Gesellschaftsverträgen von Berufsausübungsgemeinschaften

Von RA Heiko Effelsberg, LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht

Ein in der juristischen Praxis häufig auftretendes Problem bei der Auseinandersetzung von Berufsausübungsgemeinschaften von Ärzten und Zahnärzten sind die in den Verträgen enthaltenen Wettbewerbsverbote. Dies liegt in vielen Fällen daran, dass die Vertragswerke seit Jahrzehnten nicht überprüft und angepasst wurden, so dass sie den Änderungen der Rechtsprechung nicht angepasst werden konnten, was allerdings erst dann auffällt, wenn der Anwendungsfall schon eingetreten ist. Aber auch in neueren Vertragswerken finden sich zum Teil unzulässige Regelungen, weil die engen Anforderungen der Rechtsprechung nicht berücksichtigt wurden. 

Grundsätzlich erkennen die Gesetze und die Rechtsprechung nachvertragliche Wettbewerbsverbote an und regeln sie teilweise auch explizit. Im Zusammenhang mit der ärztlichen Berufsausübung kommen dabei vier verschiedene „Arten“ von Wettbewerbsverboten – deren Voraussetzungen abhängig vom Rechtsgrund des Verbots sind - in Betracht:

  • Das standesrechtliche Wettbewerbsverbot nach § 29 Abs. 2 Satz 2 MBO, das einem Arzt verbietet, für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung einer Fort- oder Weiterbildung von mindestens 3 Monaten im Bezirk des ausbildenden Arztes eine Praxis zu eröffnen
  • Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des angestellten Arzes
  • Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des Praxisveräußerers gegenüber dem Übernehmer, das im Praxisübernahmevertrag enthalten ist und
  • Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des ausscheidenden Gesellschafters einer Berufsausübungsgemeinschaft, das in dem jeweiligen Gesellschaftsvertrag enthalten ist.

Die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen unterscheiden sich aufgrund der unterschiedlichen Interessen der Parteien. Der Beitrag befasst sich nur mit dem letztgenannten Fall des gesellschaftsrechtlich begründeten Wettbewerbsverbots. Dieses sieht in der Regel vor, dass der ausscheidende Gesellschafter für einen bestimmten Zeitraum in einem näher definierten Bereich nicht als Arzt tätig werden darf.

Die Vereinbarung eines Zeitraums von bis zu 2 Jahren wird in der juristischen Literatur überwiegend als unproblematisch angesehen und von der Rechtsprechung bislang nicht als unwirksam erachtet. Teilweise werden bis zu 5 Jahre als zulässig angesehen, dies soll aber von den Umständen abhängig sein. Im Ergebnis hat die Vereinbarung einer zu langen Dauer des Wettbewerbsverbots aber ausnahmsweise keine negativen Auswirkungen, weil nach der Rechtsprechung – anders als bei anderen Verstößen – eine geltungserhaltende Reduktion zulässig sein soll. D. h. dass statt des unzulässigen Zeitraums der noch zulässige Zeitraum als vereinbart gelten soll, (z.B. LG Hannover, Urt. vom 22.4.1998, 12 O 165/97).

In welchem Gebiet ein Wettbewerbsverbot wirksam vereinbart werden kann, hängt ausschließlich von den örtlichen Umständen ab. In urban geprägter Umgebung wird häufig ein Bereich von 1 bis 2 km um die ursprüngliche Praxis herum zulässig sein, mehr nicht. Aber auch dies ist stark von der jeweiligen Fachrichtung und dem „Markt“ abhängig. Wird ein zu großes Gebiet vom Wettbewerbsverbot umfasst, so ist das gesamte Wettbewerbsverbot unwirksam.

Kritisch ist auch, welche Tätigkeiten dem Ausscheidenden untersagt werden können. Grundsätzlich muss die Berufsausübungsgemeinschaft ein schutzwürdiges Interesse haben, das durch das Wettbewerbsverbot geschützt werden soll, andernfalls überwiegt das Interesse des Ausscheidenden, seinen Beruf auszuüben und das Wettbewerbsverbot ist nichtig. Insbesondere bei unterschiedlichen Fachrichtungen ist also zu fragen, ob zwischen dem Ausscheidenden und der Berufsausübungsgemeinschaft überhaupt ein Wettbewerbsverhältnis besteht, aus dem die Gemeinschaft ein Interesse herleiten könnte.

So hatte das OLG Hamm einen Fall zwischen zwei Radiologen zu entscheiden. Nachdem ein Gesellschafter aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden war, wurde er für eine Klinik tätig, die u.a. Teleradiologie auch in dem Bereich angeboten hat, für den das Wettbewerbsverbot vereinbart wurde. Das Gericht hat hier schon einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot ausgeschlossen, weil der Radiologe mit der Teleradiologie Leistungen für bereits etablierte Konkurrenten angeboten und nicht auf den Patientenstamm eingewirkt hat.

Ein weiteres Problem stellt sich nach einer Entscheidung des LG Heidelberg (5 O 104/13) dar. In dem dortigen Sachverhalt war eine Vertragsärztin mit ihrem Vertragsarztsitz aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden und hatte eine neue Praxis in unmittelbarer Nähe eröffnet. Die übrigen Gesellschafter verlangten Unterlassung des Betriebs der Praxis. Das LG Heidelberg hat dem nicht entsprochen und im Wesentlichen ausgeführt, dass Wettbewerbsverbote ihre Rechtfertigung allein darin finden, die Partner des ausgeschiedenen Gesellschafters vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit oder vor einem Missbrauch der Ausübung der Berufsfreiheit zu schützen. Ein solches Wettbewerbsverbot dürfe aber nicht dazu eingesetzt werden, den ehemaligen Partner als potenziellen Wettbewerber auszuschalten (BGH NJW 2000, 3584). Die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des ausscheidenden Gesellschafters sei mit dem ebenfalls grundrechtlich nach Art. 12 Abs. 1 GG und möglicherweise auch nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (vgl. BGH NJW 2002, 3538) geschützten Interesse der verbleibenden Gesellschafter an Erhalt und Weiterführung der Gemeinschaftspraxis durch Herstellung praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen (BGH a. a. O.). Daraus folgte das Landgericht, dass ein Wettbewerbsverbot voraussetze, dass der ausscheidende Gesellschafter für den Goodwill entschädigt wurde. Ist keine Entschädigung gezahlt worden – wie im zu entscheidenden Sachverhalt – so verstößt das Wettbewerbsverbot gegen die guten Sitten und ist nichtig.

Als Fazit kann man also festhalten, dass Wettbewerbsverbote grundsätzlich sinnvoll sind, weil sie die Gesellschaft davor schützen können, dass der ausscheidende Gesellschafter durch eine unmittelbare Konkurrenztätigkeit das gemeinsam aufgebaute „Standing“ einer Praxis schädigt. Die rechtlichen Voraussetzungen eines solchen Wettbewerbsverbots sind streng, was jedoch nicht davon abhalten sollte, derartige Klauseln in die Gesellschaftsverträge mit aufzunehmen.

Kommt es jedoch zur Anwendung der Klausel, sollten alle Betroffenen prüfen, ob ein Berufen auf die Klausel bzw. eine Verteidigung gegen die Klausel Aussicht auf Erfolg hat, insbesondere, weil in der Praxis viele Klauseln den rechtlichen Anforderungen nicht genügen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Heiko Effelsberg LL.M.

Beiträge zum Thema