Wichtigste Änderungen des „Ley de Vivienda“ – Wohnraumgesetz Spanien

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Das neue Ley de Vivienda vom 24. Mai 2023 (Ley 12/2023, de 24 de mayo, por el derecho a la vivienda; nachfolgend „Ley 12/2023”) ist am 26. Mai 2023 in Kraft getreten. Es beinhaltet Maßnahmen zur Erhöhung des Wohnungsangebots zu erschwinglichen Preisen, zur Verhinderung von Spannungen auf dem Wohnungsmarkt und zur Unterstützung junger Menschen und benachteiligter Personen beim Zugang zu Wohnraum. Außerdem soll es den Gemeinden verschiedene Instrumente bieten, um die Mietpreise einzudämmen oder zu senken und den Bestand von Sozialwohnungen erhöhen.

Folgende Änderungen gibt es:

Neue Definitionen der Begriffe „Großvermieter“ und „leerstehende Wohnung“
„Großvermieter“ („gran tenedor“) sind natürliche oder juristische Personen, die mehr als 10 städtische Grundstücke für Wohnzwecke oder eine bebaute Fläche (für Wohnzwecke) von mehr als 1.500 m2 besitzen, wobei in beiden Fällen Garagen und Lagerräume/Abstellflächen ausgeschlossen sind (siehe Präambel III.).
Als Großvermieter können auf Antrag der Gemeinde auch diejenigen gelten, die 5 oder mehr städtische Wohngrundstücke besitzen, die sich in demselben Gebiet befinden, das als „belastet“/“gefährdet“ („tensionada“) erklärt wurde.

Die Zahl der „leerstehenden Immobilien“ („Vivienda deshabitada o vacía“) soll erfasst werden, sodass die Gemeinden den Steuerzuschlag (IBI, Art. 72 des Ley Reguladora de las Haciendas Locales) auf Immobilien anwenden können, die seit mehr als zwei Jahre leer stehen, sofern der Eigentümer mindestens vier Immobilien in dieser Situation besitzt(Art. 34 Ley 12/2023).

Ausweisung gewisser Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt
Gem. Art. 18 Ley 12/2023 können die für das Wohnungswesen zuständigen Behörden bestimmte Gebiete als solche mit angespanntem Wohnungsmarkt erklären, um dort bestimmte Maßnahmen einzuleiten. Dies ist dann der Fall, wenn

-    die durchschnittliche Belastung durch Hypotheken oder Mietkosten zuzüglich der Grund- und Versorgungskosten übersteigt dreißig Prozent des durchschnittlichen Einkommens oder des durchschnittlichen Haushaltseinkommens oder
-    der Kauf- oder Mietpreis der Wohnung ist in den letzten fünf Jahren um mindestens drei Prozentpunkte höher gestiegen als der kumulierte Anstieg des Verbraucherpreisindexes der Gemeinden.
Die Erklärung ist 3 Jahre lang gültig und kann um jeweils 1 Jahr verlängert werden (Art. 18 Nr.1d Ley 12/2023).

Preisregelung in belasteten Gebieten
Gem. der 1. Schlussbestimmung des Ley 12/2023 iVm. Art. 17 Nr.6 des La Ley 29/1994, de 24 de noviembre, de Arrendamientos Urbanos (nachfolgend „LAU“) darf die Miete des neuen Mietvertrages für eine Wohnung, die sich in einem Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf befindet, die letzte in einem regulären Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete, die in den letzten fünf Jahren für dieselbe Immobilie in Kraft galt, nicht übersteigen, wenn die jährliche Mietanpassungsklausel des vorherigen Vertrags angewandt wurde.

Gem. Art. 38 Nr. 3 Ley 12/2023 muss der Eigentümer bzw. Vermieter daher im Kauf- oder Mietvertrag von einer Immobilie, die in einem angespannten Wohnungsmarkt liegt, die Höhe der letzten Miete, die für die vergangenen 5 Jahre für dieselbe Immobilie galt, schriftlich aufnehmen.

Dies gilt nicht für Verträge, die für eine Dauer von 10 oder mehr Jahren abgeschlossen wurde oder in denen ein Verlängerungsrecht dergestalt vorgesehen wurde, dass es dem Mieter erlaubt, den gleichen Vertrag um 10 oder mehr Jahre zu verlängern oder in Fällen, in denen es um eine Wohnung geht, in der 2 Jahre vor Abschluss des neuen Vertrags zu den gesetzlich festgelegten Bedingungen Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden oder für die eine Energieeinsparung von 30% nachgewiesen oder Barrierefreiheit geschaffen wurde. In all diesen Fällen kann eine Mieterhöhung von 10% vereinbart werden.

Handelt es sich bei dem Eigentümer um einen Großvermieter, darf die Miete eines neuen Vertrags die Höchstgrenze des nach dem noch nicht festgelegten Referenzpreisindexsystem geltenden Preises nicht überschreiten. Diese Begrenzung würde auch für Wohnraummietverträge gelten, für die in den letzten fünf Jahren kein Wohnraummietvertrag existierte, sofern dies in dem entsprechenden Beschluss des Ministeriums für Transportes, Movilidad y Agenda Urbana vorgesehen ist.

Auskunftspflicht gegenüber Großvermietern
Gem. Art. 19 Nr.1 Ley 12/2023 können die zuständigen Behörden von den Großvermietern verlangen, dass sie Informationen über die in ihrem Besitz befindlichen Wohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt zur Verfügung stellen.

Mindestinformationen
Nach Art. 31 Ley 12/2023 werden die Informationen aufgelistet, die dem Käufer oder Mieter durch den Eigentümer oder Vermieter auch schon vor der Formalisierung des Kauf- oder Mietvertrags zur Verfügung gestellt werden müssen, wenn diese angefordert werden. Dazu gehören u.a.

-    die Angabe des Verkäufers/ Vermieters und Immobilienmaklers, 
-    wirtschaftliche Bedingungen wie den Gesamtpreis und Inklusivleistungen bzw. Zahlungsbedingungen, die ggf. festgelegt werden können,
-    wesentliche Merkmale der Wohnung und des Gebäudes, zB. die Nutzfläche und bebaute Fläche, die Bewohnbarkeitsbescheinigung, das Alter des Gebäudes und die bisher durchgeführten Renovierungen, 
-    Informationen über den Nachweis von Asbest oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen sowie -    rechtliche Informationen, zB. Registeridentifikation, Hinweis auf Belastungen jeglicher Art, die in der Eigentumsurkunde festgelegte Beteiligungsquote und
-    den Grad des architektonischen Schutzes der Wohnung/ des Gebäudes und die Bedingungen und Einschränkungen für mögliche Renovierungs- oder Sanierungsmaßnahmen.

Zudem ist der Eigentümer/ Vermieter oder – falls vorhanden -, der Immobilienmakler verpflichtet, den Mietpreis für die letzten 5 Jahre anzugeben (Art. 31 Nr.3 Ley 12/2023). All diese Informationen, die dem Käufer/ Mieter zur Verfügung gestellt werden müssen, tragen erheblich zur Rechtssicherheit und Transparenz bei, beispielsweise weil bestimmte Dinge weder bei der Besichtigung der Immobilie noch bei der Durchsicht von Grundbuchauszügen ersichtlich sind.

Maßnahmen zum Schutz und zur Transparenz bei Wohnungskauf- und Mietgeschäften
Zum Schutz von Verbrauchern/ Nutzern und Unternehmern wird festgelegt, dass Werbung den allgemeinen rechtlichen Bestimmungen unterliegt und Werbung bezogen auf Wohnungskauf- und Mietgeschäfte, die unzureichende, fehlerhafte oder irreführende Informationen enthält, verboten ist. Alle im Immobiliendienstleistungsbereich Tätigen, zB. Eigentümer, Bauträger, Immobilienverwalter etc. haben daher die Pflicht zur vollständigen, objektiven, wahrheitsgemäßen, klaren, verständlichen und leicht zugänglichen Informationsvermittlung und -bereitstellung (Art. 30 Nr.3 Ley 12/2023).

Begrenzung der jährlichen Anpassung des Mietzinses eines Mietvertrags
Gemäß der 6. Schlussbestimmung des Ley 12/2023 iVm. Art. 46 El Real Decreto-ley 6/2022, de 29 de marzo, por el que se adoptan medidas urgentes en el marco del Plan Nacional de respuesta a las consecuencias económicas y sociales de la guerra en Ucrania kann der Mieter die Erhöhung mit dem Vermieter aushandeln, wobei die Anpassung des Mietzinses eines Wohnungsmietvertrags jedoch begrenzt ist. Am Ende des laufenden Jahres 2023, in dem die außerordentliche Begrenzung der jährlichen Aktualisierung des Mietzinses eines Wohnungsmietvertrags auf 2 % beibehalten wird, wird eine neue Begrenzung auf 3 % für das Jahr 2024 festgelegt, sofern die Parteien keine andere Vereinbarung treffen, sowie die Schaffung eines neuen Index ab dem Jahr 2025, wodurch die Mieten vom Verbraucherpreisindex (IPC) abgekoppelt werden. Dadurch sollen unverhältnismäßige Mieterhöhungen vermieden werden.

Neue außerordentliche Vertragsverlängerung bei Wohnungsmietverträgen
Gem. der 1. Schlussbestimmung des Ley 12/2023 iVm. Art. 10 Nr.2 LAU kann ein Wohnungsmietvertrag (wenn er dem LAU unterliegt) um höchstens 1 Jahr verlängert werden, wenn die Art. 9.1 vorgesehene obligatorische Verlängerungsfrist oder die in Art. 10.1 LAU vorgesehene stillschweigende Verlängerungsfrist endet und der Mieter eine soziale und wirtschaftliche Bedürftigkeit („situación de vulnerabilidad“) nachweist (die der Vermieter akzeptieren muss, wenn er ein Großvermieter („gran tenedor“) ist).

Bei Wohnungen, die sich in einem angespannten Wohngebiet befinden, kann der Mieter nach Ablauf der in Art. 9 LAU vorgesehenen obligatorischen Verlängerung oder der stillschweigenden Verlängerung eine neue außerordentliche Verlängerung des Vertrags in jährlichen Raten für einen Zeitraum von höchstens drei Jahren in Anspruch nehmen, die für den Vermieter obligatorisch ist, es sei denn, es wurde eine andere Vereinbarung getroffen, ein neuer Vertrag abgeschlossen oder der Vermieter muss die Wohnung zurückerhalten, um sie – wie im Gesetz vorgesehen - als Dauerwohnung nutzen zu können (vgl. 1. Schlussbestimmung des Ley 12/2023 iVm. Art. 10 Nr.3 LAU).

Gebühren und Kosten der Hausverwaltung
Die Gebühren und Kosten für die Verwaltung der Immobilie und die Formalisierung des Vertrages (zB. Maklerprovisionen oder -gebühren) werden immer vom Vermieter getragen (vgl. 1. Schlussbestimmung des Ley 12/2023 iVm. Art. 20 I Nr.1 LAU).

Verpflichtung zur Zahlung der Miete auf elektronischem Wege
Die Zahlung der Miete oder ähnlicher Beträge, wie zB. die Zahlung von Rechnungen für Versorgungsleistungen, hat auf elektronischem Wege zu erfolgen und kann nur ausnahmsweise in bar und in der Mietwohnung erfolgen, wenn eine Partei kein Bankkonto oder Zugang zu elektronischen Zahlungsmitteln hat (vgl. 1. Schlussbestimmung des Ley 12/2023 iVm. Art. 17 III LAU).

Regelung von Mietverträgen, die nicht zu Wohnzwecken genutzt werden
Innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des neuen Ley de vivienda wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die einen Gesetzesentwurf für Mietverträge zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken im Sinne von Art.3 LAU und insbesondere für Saisonmietverträge für städtische Immobilien zu Wohnzwecken ausarbeiten soll (vgl. 5. Schlussbestimmung des Ley 12/2023).

Schutz vor Zwangsräumungen 
In der 5. Schlussbestimmung des Ley 12/2023 wird bestimmt, dass das Ley 1/2000, de 7 de enero, de Enjuiciamiento Civil (LEC) geändert wird. Zu den Änderungen gehört die Verpflichtung, in jeder Benachrichtigung oder in jedem Beschluss über die Räumung einer Wohnung das genaue Datum und die genaue Uhrzeit anzugeben; neue Fristen für die Aussetzung von Räumungen in prekären Situationen; die Verpflichtung, vor der Klageerhebung ein außergerichtliches Schlichtungs- oder Mediationsverfahren durchzuführen, wenn es sich um eine Wohnung einer schutzbedürftigen Person handelt und der Kläger ein Großvermieter („gran tenedor“) ist. 
Kritische Stimmen meinen jedoch, dass diese neuen Vorschriften nur zu einer Verzögerung der Gerichtsverfahren führe, was wiederum zu einer Verunsicherung auf dem Markt führen würde. Will ein Großvermieter nämlich ein Räumungsverfahren einleiten, muss er beweisen, dass sich der Mieter nicht in einer gefährdeten Situation befinde. Dazu müsse er sich an die in seiner Region für den Sozialschutz zuständige Behörde wenden und einen Bericht über deren Situation anfordern. Zudem müsse der Mieter dem Bericht auch zustimmen. Die Verwaltung habe dann 2 Monate Zeit, diesen Bericht zu erstellen, es sei denn, dass der Mieter dem Bericht nicht zugestimmt habe. Das Erfordernis des Berichts und der außergerichtlichen Schlichtung verzögere daher eine etwaige Räumung um mehrere Monate und würde den Vermieter, der über Monate keine Miete erhalte, erheblich belasten. Es bleibe daher abzuwarten, ob das Gesetz einem möglichen Regierungswechsel standhalte.



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