Neue Widerrufsmöglichkeiten bei verbundenen und zusammenhängenden Immobiliendarlehensverträgen

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Unzulässige Belehrungen zu verbundenen Verträgen, obwohl keine verbundenen Verträge vorliegen (Bausparverträge + Kapitallebensversicherungen) - Update 08.01.2021

Eine bislang kaum beachtete Fehlerquelle betrifft Immobiliendarlehensverträge, die mit anderen Verträgen kombiniert sind, ohne dass gleichzeitig ein verbundener Vertrag im Sinne des § 358 BGB vorliegt. Typische Beispielsfälle sind die Verknüpfung zwischen einem Immobiliendarlehensvertrag und einem Bausparvertrag bzw. einer Kapitallebensversicherung. Der rechtliche Ansatzpunkt für einen möglichen Widerruf besteht darin, dass bei diesen Standardkonstellationen kein „verbundener Vertrag“ im  rechtstechnischen Sinn von § 358 Abs. 3  BGB vorliegt. Ein verbundener Vertrag ist nämlich nur unter der Voraussetzung gegeben, dass der Darlehensvertrag zur Finanzierung des Bausparvertrages dient, aber nicht umgekehrt. Dient wie in der Regel die Ansparung aus dem Bausparvertrag dazu, das Darlehen zu einem späteren Zeitpunkt zu tilgen, liegt kein verbundener Vertrag gemäß § 358 BGB vor. Dasselbe gilt für Kapitallebensversicherungsverträge, mit deren Auszahlung das Immobiliendarlehen getilgt werden soll. (BGH Urteil vom 05.05 2015 –XI ZR 406/13).

Eine Reihe von Kreditinstituten aber verwendet auch bei diesen Konstellationen (Darlehensvertrag + Bausparvertrag oder Kapitallebensversicherung) im Rahmen der Widerrufsinformation Textbausteine für Verbundgeschäfte, auch wenn ein solches gar nicht vorliegt und belehrt darin den Darlehensnehmer, dass dieser im Falle des wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrags auch nicht mehr an den mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag gebunden sei. Und umgekehrt, dass der Widerruf des verbundenen Vertrages die Bindung an den Darlehensvertrag entfallen lässt.

Solche Sammelbelehrungen, die für Altverträge noch erlaubt gewesen sind, sind wegen ihres irreführenden Charakters für Verträge, die ab dem 30.07.2010 geschlossen wurden, aufgrund einer Gesetzesänderung jedoch nicht mehr zulässig und begründen die Fehlerhaftigkeit der erteilten Widerrufsinformation. Dies geht aus zwei einschlägigen Entscheidungen des BGH hervor (vgl. BGH, Beschluss vom 24.01.2017 – XI ZR 66/16; BGH, Urteil vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15) und wird durch zahlreiche Entscheidungen der Instanzgerichte bestätigt (bspw. OLG München, Urteil vom 09.11.2017 – 14 U 465/17; LG Stuttgart - Urteil vom 06.12.2018 – 25 O 152/18).

Fehlerhafte Belehrungen bei verbundenen Verträgen

Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall, dass tatsächlich ein verbundener  Vertrag vorliegt wie im Standardbeispiel der mit einem Immobiliendarlehensvertrag verknüpften Restschuldversicherung (BGH Urteile vom 15.12.2009 – XI ZR 45/09 und 18.01.2011 -  XI ZR 356/09). Wird hierauf in den Widerrufsinformationen nicht hingewiesen oder aber statt des Textbausteins zu den verbundenen Verträgen derjenige zu den sogen. „zusammenhängenden Verträgen“ benutzt, führt dies ebenfalls zur Widerrufbarkeit des Darlehensvertrages.

Nach einer jüngst veröffentlichten Entscheidung des BGH vom 10.11.2020 (XI ZR 426/19) entfällt die Schutzwirkung der Verwendung der amtlichen Musterbelehrung, falls im Muster vorgesehene "Zwischenüberschriften" insbesondere die Überschriften "Besonderheiten bei weiteren Verträgen"  bzw. "Einwendungen bei verbundenen Verträgen" in der Widerrufsinformation weggelassen worden sind.

Belehrungsfehler/Informationspflichtverletzungen bei zusammenhängenden Darlehensverträgen

Unter solchen sind gemäß § 360 BGB n. F. Verträge zu verstehen, die zwar im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag abgeschlossen werden, aber nicht gleichzeitig den Charakter eines verbundenen Geschäftes im Sinne des § 358 BGB besitzen, insbesondere Darlehensverträge mit Zusatzleistungen gemäß § 359 Abs. 2 BGB a. F. Darunter fallen etwa Versicherungen, zu deren Abschluss der Darlehensnehmer sich gegenüber der Bank verpflichtet (Gebäudeversicherung), Kontoführungs- oder Kreditkartenverträge oder die Verpflichtung des Darlehensnehmers zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen, aber auch Bauspar- und Lebensversicherungsverträge.

Liegen solche zusammenhängenden Verträge (über Zusatzleistungen) vor, kann die Bank entsprechende Hinweise über die Widerrufsfolgen in die Widerrufsinformationen einfügen, muss dies aber nicht. Diese Angaben sind insbesondere dann fehlerhaft, wenn sie in der Widerrufsinformation enthalten sind, aber überhaupt kein solcher Nebenvertrag über Zusatzleistungen abgeschlossen wurde.

Dies gilt entsprechend, wenn ein Rechtsfolgenhinweis bezüglich des Widerrufs einer vom Darlehensgeber finanzierten Zusatzleistung eingefügt wird, der Darlehensnehmer aber  wie üblicherweise die Zusatzleistung wie bspw. eine Lebensversicherung  durch Entrichtung der Versicherungsprämien selber finanziert. Dieser Fehler findet sich insbesondere in Darlehensverträgen der Sparda-Bank Baden-Württemberg und der PSD-Bank Nord.

Fehlerhaft ist die Widerrufsinformation auch dann, wenn es versäumt wird, die vereinbarten Zusatzleistungen (Gebäuderversicherung, Führung eines Kontos, Lebensversicherung etc .)  im Rahmen der Widerrufsinformation in  dem dafür vorgesehenen Feld zu bezeichnen. (so in Darlehensverträgen der Sparda-Bank Südwest).

Fehlende Pflichtangaben bei Darlehensverträgen mit Zusatzleistungen gem. Art. 247 § 8 EGBGB

 Gemäß Art. 247 §§ 8 Abs. 3 S. 2, 9 Abs. 1 S. 1 EGBGB  gilt  für Immobiliendarlehensverträge, die mit obligatorischen Zusatzleistungen mit vermögensbildendem Charakter verknüpft sind  (insbesondere mit Bausparverträgen oder Lebensversicherungen, die als Tilgungsersatzinstrumente dienen) folgende Informationspflicht gem. § 492 Abs. 2 BGB, deren Nichteinhaltung ebenfalls zum Nichtbeginn der Widerrufsfrist  führt:

 „Verpflichtet sich der Darlehensnehmer mit dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags auch zur Vermögensbildung, muss aus der vorvertraglichen Information und aus dem Verbraucherdarlehensvertrag klar und verständlich hervorgehen, dass weder die während der Vertragslaufzeit fälligen Zahlungsverpflichtungen noch die Ansprüche, die der Darlehensnehmer aus der Vermögensbildung erwirbt, die Tilgung des Darlehens gewährleisten, es sei denn, dies wird vertraglich vereinbart.“

Über eine Reihe weiterer Fehler in Immobiliendarlehensverträgen, auf die aktuell aussichtsreich ein Widerruf gestützt werden kann, informiert meine Anwaltshomepage www. dr-kroells-anwaltskanzlei-hh.de.

 




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