Widerspruchsrecht eines Gläubigers gegen die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO.

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1. Einführung

Im Insolvenzrecht stellt § 35 Abs. 2 InsO in Deutschland eine wichtige Regelung dar, die sich mit der selbständigen Tätigkeit des Schuldners während des Insolvenzverfahrens befasst. Ein zentraler Aspekt dieser Vorschrift ist die Möglichkeit für den Insolvenzverwalter, die selbständige Tätigkeit des Schuldners freizugeben (siehe § 36 Abs. 2 InsO). Bezüglich dem freigegebenen Vermögen steht der Schuldner so, als ob kein Insolvenzverfahren laufen würde. Er ist vollumfänglich verfügungsbefugt.

Dieser Artikel beleuchtet die Frage, ob und inwieweit ein Gläubiger diese Freigabe durch einen Widerspruch verhindern kann. Dies kommt insbesondere dann  zum tragen, wenn der Gläubiger vermutet, dass der Schuldner nicht ordnungsgemäß pfändbare Einkommensanteile an die Insolvenzmasse abführt und durch die freigegebene Tätigkeit potentielle pfändbare Einkünfte durch Betriebsausgaben gemindert werden.


2. § 35 Abs. 2 InsO und die Freigabe der selbständigen Tätigkeit

Nach § 35 Abs. 1 InsO fällt das gesamte Vermögen des Schuldners, das der Schuldner bereits hat und das er während des Insolvenzverfahrens erwirbt, in die Insolvenzmasse. 

Dies schließt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ein. 

Der Insolvenzverwalter kann jedoch entscheiden, diese Tätigkeit vom Insolvenzverfahren freizugeben, sodass die Einkünfte daraus nicht zur Masse gehören. 

Diese Freigabe ermöglicht es dem Schuldner, eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder fortzuführen, ohne dass die daraus resultierenden Einkünfte zur Insolvenzmasse gezählt werden.

Eine Freigabe ist durch den Insolvenzverwalter zu prüfen und nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Wird durch die Freigabe ein Schaden für die Gläubiger generiert, haftet der Insolvenzverwalter persönlich nach § 60 InsO.


3. Das Widerspruchsrecht der Gläubiger

Die Kernfrage ist nun, ob Gläubiger gegen die Entscheidung des Insolvenzverwalters, die selbständige Tätigkeit freizugeben, Widerspruch einlegen und eine Freigabe verhindern können. Grundsätzlich ist die Entscheidung des Insolvenzverwalters eine Ermessensentscheidung, die im besten Interesse aller Beteiligten, einschließlich der Gläubiger, getroffen werden sollte (siehe hierzu unter 2.).

Der Gesetzgeber hat für die Gläubiger hier kein Widerspruchsrecht normiert. Grund und Hintergedanke sind die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters als Kompensation und das verfassungsrechtlich garantierte Recht des Schuldners zur freien Berufsausübung nach Art. 12 GG. Letzteres darf auch durch ein eröffnetes Insolvenzverfahren nicht beeinträchtigt sein.


4. Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss

Allerdings haben die Gläubiger über die Gläubigerversammlung und den Gläubigerausschuss indirekte Einflussmöglichkeiten. 

Sie können auf diesen Wegen ihre Bedenken äußern und den Insolvenzverwalter auffordern, seine Entscheidung zu überdenken. 

In der Praxis wird ein verantwortungsbewusster Insolvenzverwalter die Meinungen und Interessen der Gläubiger, bei sachgerechter Gläubigerargumentation, in seine Überlegungen einbeziehen und ggf. von einer Freigabe absehen.


5. Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein direktes Widerspruchsrecht der Gläubiger gegen die Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners nach § 35 InsO nicht besteht. 

Die Gläubiger haben jedoch indirekte Einflussmöglichkeiten über die Gläubigerversammlung und den Gläubigerausschuss. 

Zudem können die Gläubiger den Insolvenzverwalter persönlich in Haftung nehmen, wenn diesen durch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO ein (Quoten)Schaden entsteht.

Diese Regelungen stellen sicher, dass die Interessen der Gläubiger im Insolvenzverfahren angemessen berücksichtigt und gewährt werden, während gleichzeitig dem Schuldner die Möglichkeit gegeben wird, sein verfassungsrechtlich garantiertes Recht zur Berufsausübung nach Art. 12 GG wahrzunehmen und seine wirtschaftliche Situation durch selbständige Tätigkeit zu verbessern.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 

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