Wie bekomme ich einen Pflichtverteidiger ? Neuerungen - Teil 1

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Am 13.12.2019 ist das „Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung v. 10.12.2019“ in Kraft getreten. In zwei Beiträgen werden die wesentlichen Neuerungen dargestellt.

1.1.        § 140 StPO regelt  in welchen Fällen eine Bestellung erfolgt („ob“).

Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt jetzt auch vor, wenn bereits zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Schöffengericht – also auch vor dem Amtsgericht – stattfindet (Nr.1). Neu ist dabei, dass bereits die Erwartung ausreicht. Somit bedarf es nicht erst einer Anklage.

Der Beschuldigte erhält einen Pflichtverteidiger nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 StPO oder § 129 StPO, wenn einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist (Nr.4).

Ein Pflichtverteidiger ist zu bestellen, wenn sich der Beschuldigte auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet (Nr.5).

Wenn über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt, ist ebenfalls ein Pflichtverteidiger zu bestellen (Nr. 6).

Bereits wenn zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird, ist ein Pflichtverteidiger zu bestellen (Nr. 7).

Ein Pflichtverteidiger ist ebenfalls zu bestellen, wenn der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist (Nr. 8).

Ist dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden, erhält auch der Beschuldigte einen Rechtsanwalt als Verteidiger beigeordnet (Nr.9).

Bei einer richterlichen Vernehmung ist, wenn die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint, auch die Bestellung eines Pflichtverteidigers vorzunehmen (Nr. 10).

Einem seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter wird auf Antrag ein Pflichtverteidiger bestellt (Nr.11).

1.2.        Wenn die Schwere der Tat, die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann, erfolgt die Bestellung eines Pflichtverteidigers (Abs. 2).

Die Schwere ist hierbei richtigerweise im Zweifel aus Sicht des Beschuldigten zu bestimmen. Anderenfalls hätte es der Richter in der Hand, einen ihm genehmen Pflichtverteidiger zu bestimmen.

2.            Der neu gefasste § 141 StPO regelt den Zeitpunkt („wann“) eine Bestellung erfolgt.

Dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, wird unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist dann spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.

Der Beschuldigte ist gemäß § 136 Abs. 1 S.5 StPO vor der Vernehmung durch die Polizei  darüber zu belehren, dass er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 StPO die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Steffgen ist seit fast 30 Jahren im Strafrecht spezialisiert. Er hat bundesweit erfolgreich Pflichtverteidigungen geführt.

Der Beitrag zu den Neuerungen der Pflichtverteidigung wird fortgesetzt.

Foto(s): Fotolia_9978283_XS Verhaftung.jpg

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