Wir müssen reden! (Und nicht immer gleich klagen...)

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Schnell fühlen wir uns betrogen. Erfahren wir doch täglich durch alle nur möglichen Kanäle, wie schlecht der Mensch und die Welt allgemein geworden sind. Genau das führt zu zahlreichen, unnötigen Prozessen.

Okay, die Situation war vertrackt. Jetzt ist sie ist wieder ein schönes Beispiel dafür, dass man anderen nicht gleich per se Böswilligkeit unterstellen muss. Der Fall führte mich nach Frankfurt am Main, beteiligt waren zwei Personen, die, als sie sich erstmals getroffen hatten, beide keinen besonders guten Lauf hatten – vorsichtig ausgedrückt.

Marlies M.* war überschuldet, wandte sich an Andreas F., um eine Privatinsolvenz zu vermeiden. Denn F. ist Steuerberater und wirbt u. a. damit, sogenannte Schuldenbereinigungen durchzuführen. Hierzu erhält er eine Vollmacht und Geld von seinen Mandant/innen, womit er die Verbindlichkeiten dann so weit es geht herunterhandelt. Marlies M. überwies ihm 25.000 Euro, wollte damit einen erheblich höheren Schuldenberg beglichen haben. So weit, so gut.

Vertipper oder Vorsatz?

Das Dumme war jedoch: F. war zu dieser Zeit selbst völlig überfordert, arbeitsmäßig wie auch privat, musste sich aufgrund eines Burn-Outs in Behandlung begeben. Wie alle Mandant/innen erfuhr Marlies M. hiervon aber nichts, ihre Anfragen blieben unbeantwortet, ihr Auftrag unerledigt. Nach einem halben Jahr wurde es ihr zu bunt, sie engagierte einen meiner Kollegen, der den Vertrag zur Schuldenbereinigung umgehend kündigte. Bis hierher nachvollziehbar. F. kam dann leider mit den ganzen ihm anvertrauten Geldern durcheinander, überwies Maries M. nur 20.000 anstatt 25.000 Euro zurück. Anstatt ihn darauf kurz hinzuweisen, stellte der Anwalt von Marlies M. jedoch sofort Strafanzeige, wegen Untreue nach § 266 StGB.

Hartes Geschütz

Musste das sein? Meine ehrliche Vermutung: Der Kollege wollte ein bisschen was verdienen, strebte deshalb einen Prozess an und überredete die Mandantin zu diesem zu dem Zeitpunkt völlig überflüssigen Schritt. Jedenfalls beglich Andreas F. gleich nach Klageerhebung die fehlenden 5.000 Euro, hatte nun aber die Staatsanwaltschaft am Hals, und die forderte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie 80 Sozialstunden. Da kam ich ins Spiel, übernahm die Verteidigung.

Sehr eindeutig konnten wir nachweisen, dass F. zwar einen dummen Fehler begangen hatte, damit jedoch noch lange keine vorsätzliche Untreue vorlag. Und die ist notwendig für eine Verurteilung nach § 266.

Deshalb: Freispruch!

Wohl jedem fällt es manchmal schwer, die eigenen Beißreflexe im Zaum zu halten, und sei’s nur aus Enttäuschung. Doch kurz miteinander zu reden hätte auch in diesem Fall allen Beteiligten eine Menge erspart, und dem Steuerzahler einen aufwendigen, unnötigen Prozess. Etwas Wohlwollen wirkt meist Wunder. Und falls nicht, können die Waffen ja immer noch ausgepackt werden.

Herzlichst, Ihr

Rechtsanwalt Gerhard Rahn, Fachanwalt für Strafrecht

(*Namen geändert)



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