Zeugnis: Geknickt, geheftet gelocht und gefaltet?

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Wer ein wenig ansehnliches Zeugnis erhalten hat, muss dieses Zug um Zug gegen Herausgabe eines besseren einfordern. Notfalls gerichtlich. Was geht und was nicht geht, haben wir hier anlässlich eines aktuellen Falles zusammengefasst. 

Halten Sie sich also nicht mit unnützen Zeugnisklagen auf, wenn ggf. eine Falte im Zeugnis zwar von Ihnen als Ausdruck einer Missachtung empfunden wird, aber im Fall einer Kopie verschwindet, das Gleiche gilt für Knicke oder gelochtes Briefpapier. Rechtsansprüche müssen Sie entweder aus Vertrag oder Gesetz geltend machen. Im Arbeitsvertrag steht meist hierzu nichts.

Die äußerliche Form des Zeugnisses und das Gesetz:

Das Zeugnis ist schriftlich zu erteilen. Die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen, § 109 Abs. 3 GewO, § 16 Abs. 1 Satz 2 BBiG. 

Da hier nichts im Gesetz steht, ob das Zeugnis gefaltet, gelocht oder ungelocht geknickt oder nur ungeknickt sein darf, kann man alleine aus dieser Gesetzesnorm keinen Anspruch zu Ihren Gunsten herleiten.

b) Die Rechtsprechung:

Das Bundesarbeitsgericht hat zum Beispiel der Diskussion betreffend die Frage, ob ein Zeugnis geknickt werden darf oder nicht, zugunsten der Arbeitgeber entschieden (vgl. Urteil des BAG vom 21.09.1999, 9 AZR 893/98) Demnach gilt Folgendes:

Ein Zeugnis darf gefaltet werden, um es in einen Briefumschlag kleineren Formats unterzubringen; allerdings ist darauf zu achten, dass dies beim Kopieren des Originals nicht auffällt.

Diese Rechtsprechung ist auf die Frage, ob ein Zeugnis gelocht und „getackert“ (bzw. geheftet) werden darf, mangelhaft zu übertragen. Es kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (seit nunmehr fast 20 Jahren!) also auf die Kopierfähigkeit des übermittelten Arbeitszeugnisses (auf Original-Briefpapier des Arbeitgebers) an. 

Wir haben als Rechtsanwälte wiederholt gelochte und getackerte Unterlagen (auch Zeugnisse) wiederholt kopiert. Unter Berücksichtigung der Funktionsweise handelsüblicher Kopierer unserer Tage ist im Regelfall bei der Kopie nicht mehr feststellen, dass das Original ggf. gelocht, getackert, genickt oder gefaltet war und dann durch diesen Umstand tatsächlich an einem optischen Mangel leidet. 

Ein optischer Mangel, der dann einer erfolgreichen Bewerbung entgegenstehen muss. Wobei praxisüblicherweise in der Gegenwart bei Bewerbungen stets Scan oder Kopien und keine Originale ursprünglicher Zeugnisse übergeben werden (dass man eine Kopie des Arbeitszeugnisses vorlegt, war schon Ansicht des Bundesgerichtshofs vor knapp 20 Jahren).

Es bestehe damit im Regelfall kein Anspruch auf ein ungefaltetes, ungetackertes und ungelochtes Arbeitszeugnis. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber das Zeugnis zweimal faltet, um es in einem Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen (vgl. BAG, Urt. v. 21.09.1999 – 9 AZR 893/98 –).

Wichtig sei nur, dass das Zeugnis kopierfähig sei und die Knicke sich nicht auf den Kopien etwa durch Schwärzungen abzeichnen (so der BGH). Dies ist bei einigermaßen guten Kopierern heute zu Tage im Regelfall auszuschließen.

Ein Arbeitgeber müsse aber nicht das Zeugnis in einem DIN-A4-Umschlag ungefaltet und in besonderer Weise durch Verstärkungen geschützt, übersenden. (so der Bundesgerichtshof).

Weiterhin stelle es kein unzulässiges Geheimzeichen dar, wenn der Arbeitgeber die Blätter des Zeugnisses mit einem Heftgerät körperlich miteinander verbindet. Für die Ansicht des Arbeitnehmers gäbe es keinerlei Belege.

Nach Ansicht des LAG Rheinland-Pfalz stellt auch die Tatsache, dass das Zeugnis zum Zwecke der Zusendung gefaltet und getackert wurde, keinen versteckten Hinweis auf eine Unzufriedenheit mit dem Arbeitnehmer dar (vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 09.11.2017 – 5 Sa 314/17).

Schließlich sind auch die bayerischen Arbeitsgerichte, soweit recherchierbar, dieser Tendenz gefolgt: 

So hatte u. a. das Arbeitsgericht Weiden (ArbG Weiden, Endurteil v. 09.01.2019 – 3 Ca 615/18) eine Klage auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses auf ungelochtem Briefpapier abgewiesen und hierzu ausgeführt: 

Die Klage konnte keinen Erfolg haben, da die Klägerin in der gegebenen Situation keinen Anspruch auf nochmalige Erstellung ihres Arbeitszeugnisses auf ungelochtem Geschäftspapier hat. Das Arbeitsgericht Weiden hatte insoweit ausgeführt:

Die Beklagte hat den Zeugniserteilungsanspruch der Klägerin gemäß § 109 I GewO durch Erteilung des unter dem 31.12.2017 erstellten Arbeitszeugnisses auf gelochtem Geschäftspapier bereits erfüllt, § 362 I BGB.

Soweit im Übrigen sich vereinzelt die Ansicht und erstaunlicher Weise die Ansicht findet, dass wenn Briefpapier üblicher Weise ungelocht ist der Arbeitgeber dann das Zeugnis darauf ausdrucken soll steht dies, auch wenn man hier ggf. ein noch älteres Urteil des BAG bemühen wollte (Urteil vom 3.3.1993, 5 AZR 182/92) als zwischenzeitlich überholte Rechtsprechung eine Einzelansicht dar, der sich jedweder Arbeitsrichter wiedersetzen wird, weil er dann nämlich in seinem Urteil klarstellen muss, warum in seinem Fall etwas anderes gelten soll als im Fall der Rechtsprechung des BAG aus dem Jahre 1999.

Wir empfehlen daher, Ihren Anwalt mit dem Wunsch, ein ungeknicktes und ungelochtes Arbeitszeugnis einzuklagen, zu verschonen. Der versierte Anwalt im Arbeitsrecht wird in diesem Fall nämlich darauf hinweisen, dass kaum Erfolgsaussichten bestehen, damit durchzudringen. 

Jeder Arbeitsrichter wird davor warnen, ein Zeugnis, das mit gutem Inhalt freiwillig erstellt wurde, aber gelocht ist, zurückzugeben, um dann auf ein Zeugnis zu klagen, was im Regelfall der Arbeitgeber lediglich mit der Note 3 benoten muss. Jede bessere Benotung muss nämlich ein Arbeitnehmer erst einmal beweisen. 

Und der Anwalt ist dafür da, Mandanten davor zu bewahren, sich selbst zu gefährden. Im Zweifel daher unser Tipp: Lieber einen guten Kopierer suchen und sich nicht vor Gericht lächerlich machen! Hat ein Zeugnis aber inhaltliche Fehler, klagen Sie unbedingt ein sog. qualifiziertes wohlwollendes Arbeitszeugnis ein, was sich auf Eignung und Leistung sowie das Verhalten zu Vorgesetzten und Mitarbeitern erstreckt ein.

Im Zweifel vergleichen Sie sich ggf. lieber mit der Note „2 “ und lassen Sie sich die Grußformel geben. Falls Sie tatsächlich nur überdurchschnittliche Leistungen haben und diese beweisen können, klagen Sie natürlich auf eine „1“. Wir wünschen jedenfalls Ihnen und Ihrer Rechtssache nur eins: das Allerbeste!


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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