Zivilrechtliche Haftung und Ansprüche beim Verkehrsunfall (Verkehrshaftungsrecht)

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Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes ist bei einem unverschuldeten Unfall kostenfrei für den Geschädigten!


Inhaltsverzeichnis

  1. Muster zur Unfallaufnahme (Ergänzung zum Mandantenaufnahmebogen) 
  2. Aktivlegitimation und Passivlegitimation nach Verkehrsunfall, insbesondere bei Finanzierung und Leasing 
  3. Haftung dem Grunde nach bei einem Verkehrsunfall (Haftungsverteilung/Haftungsquote)
  4. Haftung der Höhe nach (Rechtsfolgenseite)


Einführung

Das Verkehrshaftungsrecht ist dem (Verkehrs-)Zivilrecht zuzuordnen und umfasst insbesondere Fragen zur Haftung für Schäden nach Unfällen auf der Straße „dem Grunde nach“ und „der Höhe nach“.

Der Unfall beschreibt ein plötzliches, von außen einwirkendes und zeitlich und örtlich bestimmbares Ereignis, bei welchem eine Sache und/oder eine Person geschädigt werden.

Über den Zentralruf der Versicherer lässt sich durch Übersendung des Kennzeichens des gegnerischen Fahrzeuges, dessen Versicherung abrufen:

https://www.zentralruf.de/online-anfrage

Über den Autobahnatlas lassen sich konkrete Streckenabschnitte auf der Autobahn den Zuständigkeitsbereichen der einzelnen Gerichte (Gerichtsbezirke) zuordnen:

http://www.autobahnatlas-online.de/


1. Muster zur Unfallaufnahme (Ergänzung zum Mandantenaufnahmebogen) 

Neuaufnahme Verkehrsunfall (in Ergänzung zum Mandantenaufnahmebogen)

Eine erfolgreiche und zügige Unfallabwicklung liegt uns am Herzen, weshalb wir mit der Erfahrung der früheren Fälle herausgearbeitet haben, welche Informationen für uns von Interesse sind. Selbstverständlich können Sie sämtliche Felder, zu denen Sie keine Angaben machen können oder die in Ihrem Fall unerheblich sind, frei lassen. Vielen Dank!

A) Informationen über Ihr Fahrzeug

=> Zunächst wird von einem Fahrzeugschaden ausgegangen, sollten Sie sich auf einem Rad befunden haben oder Fußgänger gewesen sein, so kann dieses Feld entsprechend offengelassen werden.

1) Fahrzeug befindet sich im

a)            Eigentum von ________________________________________________________________

b)           Leasing, welcher Leasinggeber ___________________________________________________

c)            Finanzierung, welches Finanzinstitut ______________________________________________

Falls das Fahrzeug geleast oder finanziert wird, so bitten wir Sie eine Regulierungsfreigabe Ihres Finanzierungsinstituts bzw. Ihres Leasinggebers einzuholen und an uns zu übersenden.


2) Kennzeichen des Fahrzeugs__________________________________________________________

3) Fahrzeughersteller, Typ/Modell ______________________________________________________

4) Versicherung (Vollkaskoversicherung/Haftpflichtversicherung) des Fahrzeugs

_________________________________                                               _______________________________


5) Halter des Fahrzeugs (falls abweichend) _______________________________________________

6) Ist für das Fahrzeug ein Scheckheft vorhanden? ________________________________________

Bitte Scheckheft dann als Kopie beifügen.

=> Das Vorhandensein eines Scheckheftes, welches für das beschädigte Fahrzeug gepflegt wurde, ermöglicht die Abrechnung in einer teureren Werkstatt, selbst wenn das Fahrzeug bereits älter als 3 Jahre alt ist.

B) Informationen über den konkreten Unfall

7) Unfalldatum mit Uhrzeit ____________________________________________________________

8) Polizeiliche Unfallaufnahme? Falls ja, bitte Angabe von Dienststelle und Aktenzeichen

______________________________________     __________________________________________

=> Die Akteneinsicht erfolgt über die Kanzlei. Es wird auch nur dem Rechtsvertreter die Akte übersendet (Privatpersonen nicht), da er als Organ der Rechtspflege zur Einsichtnahme berechtigt ist.

9) Zeugen, falls vorhanden, mit ladungsfähiger Anschrift

a) _________________________________________________________________________

b) _________________________________________________________________________

c) _________________________________________________________________________

10) Unfallschilderung mit möglichst genauer Ortsangabe, wer hatte aus Ihrer Sicht Schuld: _____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________


11) Unfallskizze (skizzieren Sie den Hergang gerne auch auf einem Google-Maps-Ausdruck der Unfallörtlichkeit)



C) Informationen über das gegnerische Fahrzeug (Fahrzeug des Unfallgegners)

12) Kennzeichen des gegnerischen Fahrzeugs (Länderangabe)_______________________________

13) Fahrzeughersteller, Typ/Modell ____________________________________________________

14) Versicherung (Haftpflichtversicherung) des gegnerischen Fahrzeugs

__________________________________________________________________________________

15) Halter des gegnerischen Fahrzeugs (falls abweichend) ___________________________________

16) Fahrer des gegnerischen Fahrzeugs (falls abweichend) ___________________________________

=> Tendenziell können Versicherung, Halter und Fahrer allesamt verklagt werden, es erscheint allerdings sinnvoll, die Klage im Normalfall auf die Versicherung zu beschränken.

D) Sachschäden

17) Festgestellte Schadenshöhe am eigenen Fahrzeug ______________________________________

18) Art der Feststellung

a) Kostenvoranschlag

b) Gutachten

c) Rechnung

=> Bei klarer Haftungslage empfiehlt sich in jedem Fall die Einholung eines Sachverständigengutachtens, da nur mit diesem umfassend alle Schäden und auch eine eventuell bestehende merkantile Wertminderung erfasst werden können. Auch wird nur mit einem Gutachten umfangreich die Beweissicherung für einen gegebenenfalls später anstehenden Prozess gewährleistet. Nach der Einholung des Gutachtens kann in der Regel die Reparatur durchgeführt werden. Die Gegenseite hat im Falle der Haftung auch die Gutachterkosten zu tragen.

19) Wurde bereits ein Mietwagen in Anspruch genommen oder wird ein Mietwagen zwingend benötigt?

______________________________________________________________________________

20) Weitere beschädigte Gegenstände (Begleitschäden) und deren Schadenshöhe (am besten mit Anschaffungsrechnung zu belegen) _____________________________________________________

__________________________________________________________________________________

__________________________________________________________________________________

=> Bei beschädigten Gegenständen (z.B. einer Hose) wird in der Regel im Haftpflichtbereich der Zeitwert ersetzt, weshalb Lichtbilder der beschädigten Gegenstände und eine Anschaffungsrechnung hier bei der Bezifferung helfen können.


E) Sonderkonstellation: Personenschaden (nur auszufüllen, wenn Sie oder Fahrzeuginsassen verletzt wurden)

21) Wer wurde verletzt _______________________________________________________________

22) Welche Verletzungen sind gegeben __________________________________________________

23)  Welche gesetzliche oder private Krankenversicherung liegt vor ___________________________

24) Lag ein Arbeitsunfall vor bzw. ereignete sich der Unfall auf dem Weg von oder zur Arbeit _______

=> Bei einem Arbeits- oder Wegeunfall ist zwingend der D-Arzt (Durchgangs-Arzt) aufzusuchen.

25) Wünschen die weiteren Fahrzeuginsassen ebenfalls rechtliche Beratung ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

=> Sofern der Eigentümer/Besitzer des Fahrzeuges/Rades und die weiteren Unfallgeschädigten auseinanderfallen, so ist im Zweifel für jeden weiteren Verletzten ein eigenes Mandat und eine entsprechende Aktenanlage notwendig mit eigenständiger Bevollmächtigung.


2. Aktivlegitimation und Passivlegitimation nach Verkehrsunfall, insbesondere bei Finanzierung und Leasing x

Passivlegitimation

In der Regel haften nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall der gegnerische Fahrer (§ 18 I StVG), der gegnerische Halter (§ 7 I StVG) und die gegnerische Haftpflichtversicherung nebeneinander, sofern keine Identität besteht.

Der Prozess wird in der Regel von den Prozessbevollmächtigten der gegnerischen Haftpflichtversicherung geführt, welche auch das Mandat für mitverklagte Personen oder Unternehmen übernimmt.

„Gefährlich“ wird es für die Versicherungsnehmer nur dann, wenn nur diese verklagt werden, jedoch dann eine Weiterleitung an die eigene Haftpflichtversicherung unterbleibt. In diesen Fällen wird der Versicherung durch den eigenen Versicherungsnehmer vertragswidrig die Möglichkeit der Abwehr genommen, sodass Regressansprüche gegen den eigenen Versicherungsnehmer in Betracht kommen.


Eigentum

Es ist zu beachten, dass sich das Eigentum an einem Kraftfahrzeug nicht aus der Eintragung im Kraftfahrzeugbrief ergibt (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 29.10.2007, Az.: 12 U 83/07; Hentschel / König / Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 12 FZV, Randnummer 15; Reinking / Eggert, „Der Autokauf", 10. Aufl., Randnummer 2247). Denn die Eintragung im KFZ-Brief (vgl. § 12 Abs. 6 Satz 1 FZV) dokumentiert als verwaltungsrechtliche Urkunde ohne öffentlichen Glauben, lediglich, auf welche Person ein KFZ bei der Zulassungsstelle zugelassen ist (vgl. LG Essen, Urteil vom 25.07.2012, Az.: 20 0 8/12).

Soweit der Geschädigte den Kaufvertrag zum Eigentumsnachweis vorlegt, ist zu beachten, dass die Vorlage eines Kaufvertrags nicht den notwendigen Sachvortrag zum Besitz- bzw. Eigentumserwerb ersetzen kann (vgl. LG Hagen, Beschluss vom 28.01.2014, Az: 9 0 366/13; LG Krefeld, Beschluss vom 04.08.2011, Az: 3 O 108/11; LG Dortmund, Beschluss der Berufungskammer v. 13.10.2014, Az. 21 T 2/14; LG Duisburg, Urteil v. 24.06.2014, Az. 1 0 319/11). Nach dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip sind der schuldrechtliche Vertrag und der sachenrechtliche Eigentumsbegriff getrennt voneinander zu betrachten.

Nach § 1006 BGB besteht jedoch eine Vermutungswirkung für bestehendes Eigentum bei Besitz (tatsächliche Herrschaft über eine Sache).

Diese Eigentumsvermutung gilt nach der Rechtsprechung des BGH hierbei nur, wenn der Besitzer Eigenbesitzer (§ 872 BGB) ist und die Sache von Anfang an in Eigenbesitz gehabt hat (BGH, Urteil vom 16.10.2003 – IX ZR 55/02).

Aus dem bloßen Gewahrsam an einem Pkw folgt hingegen nicht notwendigerweise auch der sachenrechtliche Besitz (vgl. LG Dortmund, Beschluss V. 13.10.2014, Az.: 21 T 2/14).


Leasing

Bei einem geleasten Fahrzeug ist Eigentümer der Leasinggeber. Bei einem Verkehrsunfall ist in jedem Falle der Leasinggeber zu informieren.

Aufgrund des Auseinanderfallens beim Leasing von Eigentum und Besitz, sind Leasingnehmer und Leasinggeber hinsichtlich des Fahrzeugschadens nebeneinander anspruchsberechtigt.

Der Leasinggeber kann als Eigentümer den Fahrzeugschaden als Substanzschaden geltend machen. Ebenso steht nur dem Eigentümer grundsätzlich die merkantile Wertminderung nach einem Verkehrsunfall zu. Eigene Schadenspositionen des Leasingnehmers sind diejenigen, die durch den Eingriff in sein Besitzrecht entstehen, so z.B. Mietwagenkosten, Nutzungsausfall, Sachverständigen- und Rechtsverfolgungskosten.

Vorgerichtlich erteilt der Leasinggeber auf Anfrage des Leasingnehmers oder dessen Prozessbevollmächtigten eine sogenannte Freigabeerklärung, sodass alle Schadenspositionen aus einer Hand bei der gegnerischen Versicherung geltend gemacht werden können.

Üblicherweise ist von dieser nur die konkrete Abrechnung des Leasingnehmers mit der Gegenseite nach Vorlage einer Reparaturrechnung bewilligt, die fiktive Abrechnung und Auszahlung des Fahrzeugschadens soll nur an den Leasinggeber erfolgen. So wahrt der Leasinggeber seine Eigentumsrechte.

Soweit der Leasingnehmer durch die Leasingbedingungen ermächtigt und verpflichtet ist, den fahrzeugbezogenen Schaden im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen, kann er diese Schadenspositionen auch gerichtlich im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft einklagen. Wird eine solche nicht erteilt, fehlt es dem Leasingnehmer an der Aktivlegitimation.

Macht der Leasingnehmer einen Anspruch geltend, der sowohl einen des Leasinggebers im Rahmen der gewillkürten Prozessstandschaft als auch einen eigenen darstellen kann, handelt es sich dabei um unterschiedliche Streitgegenstände (BGH, Beschluss vom 03.03.2016, NJW 2016, 1818), die aufgrund des § 253 II 2 ZPO einer Individualisierung der Streitgegenstände und somit der Klarstellung bedürfen, welcher Anspruch in welcher Reihenfolge konkret verfolgt wird (BGH, Urteil vom 29.01.2019, Az.: VI ZR 481/17).

Der Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer dürfte stets als eigener Anspruch des (nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten) Leasingnehmers zu bewerten sein (da, wenn Leasinggeber zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, diese dann auch nur beim Leasingnehmer angefallen ist).


Finanzierung

Bei einem finanzierten Fahrzeug ist Eigentümerin die finanzierende Bank. Bei einem Verkehrsunfall ist dann in jedem Falle die finanzierende Bank zu informieren. Auch hier findet eine Sicherungsübereignung statt und es ergeben sich dieselben Fragestellungen wie im Bereich des Leasings bei der Unfallabwicklung.


3. Haftung dem Grunde nach bei einem Verkehrsunfall (Haftungsverteilung/Haftungsquote)

Die Haftung bei Verkehrsunfällen im Verkehr ist im Straßenverkehrsgesetz (StVG) geregelt.

Neben diese Vorschriften findet auch das allgemeine Deliktsrecht der §§ 823 ff. BGB (gesetzliches Schuldverhältnis) Anwendung, dieses wird jedoch durch die Regelungen des StVG auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite überlagert.

Auf der Tatbestandsseite gibt es 2 besondere Anspruchsgrundlagen im StVG,

                die Halterhaftung nach § 7 StVG (Gefährdungshaftung) und

                die Haftung des Kfz-Führers nach § 18 StVG (Haftung für vermutetes Verschulden).

Diese Anspruchsgrundlagen sind neben den §§ 823 ff. BGB anzuwenden (§ 16 StVG). Die Anspruchsgrundlagen haben aber im Verhältnis zu den allgemeinen Normen aus dem Deliktsrecht die einfacher nachweisbaren Voraussetzungen.

Schadensersatz kann nur verlangt werden, soweit der Gegner den Unfall verschuldet hat oder aufgrund der Betriebsgefahr seines Fahrzeuges (mit-)haftet.

Sofern der Verkehrsunfall für den Geschädigten auch unter Beachtung der größtmöglichen Sorgfalt unvermeidbar war (Leitbild des Idealfahrers), kann der Ersatz des gesamten Schadens verlangt werden. Falls eigenes Verschulden feststeht, kann der restliche Schaden auch über die Vollkaskoversicherung abgewickelt werden.


Haftung des Kfz-Halters nach § 7 StVG 

Nach § 7 StVG besteht eine Gefährdungshaftung des Kfz-Halters für Schäden, welche bei dem Betrieb seines Kfz oder Anhängers entstehen (sog. Betriebsgefahr).

Dabei hat § 7 StVG nicht nur zur Begründung einer Haftung Relevanz, sondern auch, wenn von der Gegenseite eine mitwirkende Betriebsgefahr eingewendet wird (analog § 254 I BGB).


Haftung des Kfz-Führers nach § 18 I, 7 I StVG 

Auch der Kraftfahrzeugführer haftet für die Schäden, die bei dem Betrieb eines Kfz entstanden sind. Hierbei handelt es sich um eine Haftung für vermutetes Verschulden (§ 18 I 2 StVG).

Abweichend von § 7 I StVG sind als weitere Problemfelder die Bestimmung des Fahrzeugführers und eine Widerlegung der Verschuldensvermutung zu sehen. 


4. Haftung der Höhe nach (Rechtsfolgenseite)

Im Rahmen der §§ 249 ff. BGB wurden in der Praxis für Verkehrsunfälle Abrechnungsvarianten erarbeitet, welche unabhängig davon gelten, ob der Schadensersatzanspruch auf das StVG oder die Normen des Deliktsrechts gestützt wird.


Abrechnung auf Gutachtenbasis (fiktive Schadensabrechnung) oder Abrechnung des tatsächlichen Reparaturaufwandes (konkrete Schadensberechnung) 

Es steht dem Geschädigten grundsätzlich frei, ob er das beschädigte Fahrzeug (in einer Fachwerkstatt) reparieren lässt, ob er es selbst reparieren möchte oder ob er es unrepariert behält oder veräußert.

Er hat dann auch grundsätzlich die Wahl zwischen einer Abrechnung mit der Gegenseite auf Basis des tatsächlichen Reparaturaufwandes (konkrete Schadensberechnung) und einer Abrechnung auf Gutachtenbasis (fiktive Schadensberechnung, auch mit Kostenvoranschlag möglich).

In beiden Fällen werden die „erforderlichen Kosten“ der Herstellung im Sinne des § 249 II BGB ersetzt. Das Wahlrecht bezeichnet man als Dispositionsfreiheit des Geschädigten.

Wichtig ist, dass bei der Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten, die Mehrwertsteuer nicht zu ersetzen ist (§ 249 II 2 BGB). Diese wird nur erstattet, soweit sie nachweislich auch tatsächlich entstanden ist.


Der Fahrzeugschaden: Reparaturkosten oder Wiederbeschaffungswert (wirtschaftlicher Totalschaden), das 4-Stufen-Modell des BGH 

Der Begriff „Fahrzeugschaden“ betrifft eine meist eine Vielzahl an eigenständig eingetretenen Schäden an einem Fahrzeug.

Eine weitere wichtige Unterscheidung betrifft die Abrechnung der (realen oder fiktiven) Reparaturkosten in Abgrenzung zum Wiederbeschaffungswert.

Aufgrund des Wirtschaftlichkeitspostulats (§ 251 II BGB) kann der Geschädigte immer nur die günstigere der beiden Abrechnungsmethoden zur Schadenbeseitigung wählen. Sobald der Wiederbeschaffungsaufwand (= WBA, also die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem zu erlösenden Restwert) geringer ist als die Reparaturkosten, dürfte der Geschädigte also sein Fahrzeug nicht mehr reparieren lassen (wirtschaftlicher Totalschaden).

Die Rechtsprechung erkennt allerdings ein besonderes Integritätsinteresse des Geschädigten an der Erhaltung seines früheren Fahrzeuges an, welches pauschal mit einem Aufschlag von 30% auf den Wiederbeschaffungswert berücksichtigt wird. Der Geschädigte kennt sein bisheriges Fahrzeug, dessen Bedienung, Pflegezustand und Vorgeschichte und wird ungewollt in diese Situation gebracht.

Aus dieser Systematik hat der BGH 4 Fallgruppen für die Schadenabwicklung herausgearbeitet, auch bekannt als Abrechnung (des Fahrzeugschadens) nach dem „4-Stufen-Modell“ des BGH.


Stufe: Reparaturkosten liegen unter dem Wiederbeschaffungsaufwand

Liegen die Reparaturkosten unter dem Wiederbeschaffungsaufwand, so hat der Geschädigte Anspruch auf den Ersatz der Reparaturkosten (BGH, Urteil vom 15.10.1991, Az.: VI ZR 67/91). Die Mehrwertsteuer wird nur insoweit ersetzt, als sie angefallen und nachweisbar ist. Abrechenbar sind die Reparaturkosten sowohl fiktiv nach Gutachten oder nach Kostenvoranschlag als auch nach Vorlage der Rechnung konkret.


Stufe: Reparaturkosten zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert (= „uHu“ (unter Hundert Prozent des Wiederbeschaffungswertes))

Variante a): Fiktive Abrechnung der Reparaturkosten bei Weiternutzung

Liegen bei einem Unfallschaden die Reparaturkosten oberhalb der Differenz aus Wiederbeschaffungswert (WBW) und Restwert, allerdings unterhalb des Wiederbeschaffungswertes (WBW), so ist der volle Schadensersatz jedenfalls dann sofort zur Zahlung fällig, wenn das Fahrzeug nachweislich repariert wurde (AG Lübeck, Urteil vom 13.01.2011, Az.: 22 C 2797/10). Eine konkrete Reparaturrechnung muss nicht vorgelegt werden. Jedoch muss der Geschädigte, um die vollen netto Reparaturkosten zu erlangen, das Fahrzeug 6 Monate weiternutzen (BGH, Urteil vom 23.05.2006, Az.: VI ZR 192/05). Das Fahrzeug muss tatsächlich verkehrssicher repariert worden sein, die Qualität der Reparatur spielt keine Rolle (BGH, Urteile vom 29.04.2003, AZ: VI ZR 393/02; vom 23.05.2006, AZ: VI ZR 192/05 und vom 29.04.2008, AZ: VI ZR 220/07).

Variante b): Fiktive oder konkrete Abrechnung bei Weiterveräußerung

Dann erhält der Geschädigte den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes, da bei ihm durch die Veräußerung des Fahrzeuges der Restwert bereits ausgeglichen wurde (BGH, Urteil vom 07.06.2005, AZ: VI ZR 192/04). Der Fahrzeugschaden ist dann also nur als Totalschaden abrechenbar.

Variante c): Konkrete Abrechnung nach Reparatur:

Lässt der Geschädigte hingegen sein Fahrzeug vollständig reparieren, so kann er die Reparaturkosten brutto ersetzt verlangen, ohne dass es auf eine Weiternutzung ankäme (BGH, Urteil vom 23.11.2010, AZ: VI ZR 35/10).


Stufe: Reparaturkosten zuzüglich Wertminderung betragen bis zu 130% des Wiederbeschaffungswertes

Üblicherweise läge dann ein Totalschaden vor und dieser wäre fiktiv nach Gutachten auch abrechenbar.

Hier kann der Geschädigte aber auch reparieren lassen, sich also auf das besondere Integritätsinteresse des Geschädigten berufen, er muss das Fahrzeug dann aber mindestens 6 Monate weiternutzen. Falls dieses nicht stattfindet, so ist der Anspruch auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt (BGH, Urteil vom 15.02.2005, AZ: VI ZR 172/04).

Entscheidend für die Wertgrenze ist die im Gutachten des Sachverständigen erstellte Prognose. Damit darf der Reparaturauftrag dann erteilt werden, wenn die so prognostizierten Reparaturkosten unter 130% liegen. Das Prognoserisiko dafür, dass die tatsächlichen Reparaturkosten dann doch höher liegen, trägt der Versicherer. Im Gegensatz dazu trägt bei Kostenvoranschlägen das Prognoserisiko der Reparaturbetrieb.

Nur im Einzelfall ist auch eine Reparatur mit Gebrauchtteilen zulässig, wenn dieses gleichwohl zu einer fachgerechten und dem Gutachten entsprechenden Wiederherstellung entspricht (BGH, Urteile vom 02.06.2015, AZ: VI ZR 387/14 und vom 14.12.2010, AZ: VI ZR 231/09). Wenn die Reparatur allerdings von den Vorgaben des Gutachtens abweicht, ist dann nur der Wiederherstellungsaufwand von der Versicherung zu erstatten.

Nicht näher begründete Rabatte des Reparaturbetriebes, um die Wertgrenze noch zu halten, werden von der Rechtsprechung nicht anerkannt (BGH, Urteil vom 08.02.2011, AZ: VI ZR 79/10).


Stufe: Reparaturkosten liegen über 130 % des Wiederbeschaffungswertes

Liegen die im Gutachten kalkulierten Reparaturkosten sogar mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswert, so wird die Instandsetzung in aller Regel als unwirtschaftlich betrachtet.

Findet gleichwohl eine Reparatur statt, so kann der Schaden nicht in einen wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis 130% des Wiederbeschaffungswertes) und in einen selbst zu tragenden Teil aufgespalten werden. Der Geschädigte hat dann nur Anspruch in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes, wie bei einem Totalschaden (BGH, Urteile vom 15.10.1991, AZ: VI ZR 67/91 und vom 08.12.2009, AZ: VI ZR 119/09).

Der Geschädigte ist auf die Wiederbeschaffungsvariante zu verweisen, d.h. er bekommt lediglich den Wiederbeschaffungsaufwand. Diesen kann er jedoch wiederum fiktiv abrechnen, d.h. eine Wiederbeschaffung ist nicht erforderlich. Die Umsatzsteuer ist dann wiederum gem. § 249 II S. 2 BGB in Abzug zu bringen.

Strittig sind Fälle, bei denen eine Kostenunterschreitung erreicht wird. Hier kommt es auf den Grund für die Reduzierung der Reparaturkosten (inklusive merkantiler Wertminderung) auf unter 130% des Wiederbeschaffungswertes an. Unter der Voraussetzung, dass die Reparatur des Fahrzeuges fachgerecht und vollständig durchgeführt wurde, dürfte eine Kostenreduzierung aufgrund objektiver Umstände zulässig sein. Hierzu zählen z.B. niedrigere Stundenverrechnungssätze in einer anderen Region oder in einer freien Werkstatt, anerkannte Instandsetzungsalternativen, zeitwertgerechte Reparatur mit Gebrauchtteilen. Unzulässig sind hingegen Pauschalvereinbarungen, Sonderkonditionen, pauschale Preisnachlässe, ein vom Gutachten abweichender Reparaturweg etc.


Restwert 

Der Restwert bezeichnet den verbleibenden Wert des, bei einem Verkehrsunfall beschädigten, Fahrzeuges. Dieser wird relevant, wenn der Fahrzeugschaden als Totalschaden abgerechnet werden soll.

Der Geschädigte darf bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis nach § 249 II BGB die Veräußerung seines Fahrzeuges zu dem Wert vornehmen, den der von ihm eingeschaltete Sachverständige auf dem Markt ermittelt hat (BGH, Urteil vom 10.06.2010, Az.: VI ZR 316/09).

Den konkreten Restwert ermittelt der Sachverständige unter Berücksichtigung des konkreten Schadenbildes und regionaler Marktgegebenheiten.

Für den Versicherer ist ein hoher Restwert interessant, da dann in der Abrechnung des Totalschadens der zu ersetzende Betrag entsprechend vermindert wird (abgerechnet wird vom Versicherer der Wiederherstellungsaufwand = Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwertes).

Der Versicherer versucht dann in den entsprechenden Konstellationen, durch die Vorlage eines verbesserten Restwertangebotes, zu seinen Gunsten den Schaden gering zu halten. Für den Geschädigten bleibt in Summe derselbe Betrag bestehen. Auf höhere Ankaufpreise spezieller Restwertkäufer vom Versicherer muss der Geschädigte sich in aller Regel nicht verweisen lassen.

Der Geschädigte muss sich das verbesserte Restwertangebot entgegenhalten lassen, insbesondere bei der fiktiven Abrechnung, wenn dieses ein akzeptables Angebot darstellt. Hiergegen kann sich der Geschädigte nur wehren, wenn er seinerseits einen zeitlich früheren Verkauf (zu dem im Gutachten genannten Betrag) nachweisen kann.


Merkantile Wertminderung (Ersatz des Minderwertes) nach Verkehrsunfall 

Der merkantile Minderwert ist ein erstattungsfähiger Schaden, der sich darin begründet, dass der Unfallwagen im Falle eines späteren Abverkaufes einen geringeren Erlös erzielen wird, als wenn er keinen Vorschaden erlitten hätte. Dieser Wertverlust tritt auch dann ein, wenn das Fahrzeug technisch vollständig und fachgerecht repariert und instandgesetzt wurde. Der Wagen gilt gleichwohl als nicht mehr unfallfrei. Es handelt sich also um den Ausgleich der Marktwahrnehmung, nach welcher ein Unfallfahrzeug schwerer zu verkaufen sein wird bzw. einen niedrigeren Preis erzielen wird.

Der Begriff „unfallfrei“ wird im Handel einheitlich verwendet und besagt, dass das Fahrzeug noch keinen Schaden erlitten hat, der als erheblich anzusehen ist. Die Erheblichkeit eines Schadens bestimmt sich dabei nach der Verkehrsauffassung, sodass nur geringfügige, ausgebesserte Blechschäden und Schönheitsfehler hier unberücksichtigt bleiben.

Die technische Wertminderung stellt in Abgrenzung dazu einen Zustand dar, in welchem trotz Reparatur tatsächlich Schäden oder Mängel an dem Fahrzeug verblieben sind.

Nicht nach jedem Verkehrsunfall ist zwangsläufig eine merkantile Wertminderung anzunehmen bzw. erstattungsfähig.

Üblicherweise fällt eine merkantile Wertminderung nur bei Fahrzeugen an, welche ein Fahrzeugalter von bis zu 5 Jahren haben.

Je höher der Fahrzeugwert ist, desto eher ist von einer merkantilen Wertminderung auszugehen und desto höher fällt diese in der Regel aus.

Auch der Schadenumfang (Fahrzeugschaden) aus dem Verkehrsunfall spielt eine zentrale Rolle bei der Bemessung, bei Bagatellschäden fällt in der Regel keine Wertminderung an.


Mietwagenkosten 

Die Mietwagenkosten können als einzelne Schadensposition für denselben Zeitraum nur anstelle des Nutzungsausfalles geltend gemacht werden. Es ist aber möglich, den Gesamtzeitraum der fehlenden Nutzungsmöglichkeit auch nur teilweise durch die Anmietung eines Mietwagens abzudecken, also letztlich Mietwagenkosten und Nutzungsausfall dann zu kombinieren.

Weist der Geschädigte also in der Zeit, in der das Fahrzeug nicht genutzt werden kann (während der Dauer der erforderlichen Reparatur oder für den erforderlichen Zeitraum der Wiederbeschaffung) einen Nutzungswillen nach, so kann er entweder den täglich anfallenden Nutzungsausfall abrechnen oder die Kosten für einen vergleichbaren Mietwagen geltend machen.

Nach § 249 I BGB sind grundsätzlich die Kosten für ein gleichwertiges KFZ zu erstatten. Der Geschädigte erspart sich jedoch für die Dauer der Mietwagennutzung die entsprechende Abnutzung des eigenen KFZ. Daher wird von der Rechtsprechung die Anmietung eines Fahrzeuges, welches eine Klasse unter dem eigenen KFZ liegt, voll zugesprochen. Bei der Anmietung in derselben Fahrzeugklasse wird ein Abschlag von ungefähr 10 % der Kosten für die ersparten Aufwendungen vorgenommen.

Mit Urteil des BGH vom 12.02.2019 (Az.: VI ZR 141/18) wurde der Hinweis der gegnerischen Haftpflichtversicherung an den Geschädigten, vor der Anmietung eines Mietfahrzeuges, auf eine besonders günstige Referenz selbst dann als beachtlich bewertet, wenn es sich um einen Sonderpreis handelte, den der Vermieter nur dann einräumt, wenn der Versicherer den entsprechenden Kontakt hergestellt hat. Die Argumentation des BGH ist, dass anders als bei der Reparatur des Fahrzeuges, die Anmietung keinen direkten Einfluss auf die Eigentumsrechte des Geschädigten nimmt, er sich insoweit also auch eher verweisen lassen muss. Natürlich kann auch ein anderer Anbieter gewählt werden, ist dieser aber im Tagespreis teurer, so gehen die Mehrkosten zu Lasten des Geschädigten.

Die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten richten sich nach den beiden gängigen Listen Schwacke-Liste und Fraunhofer-Mietspiegel. Wird eine Kombination von beiden Listen herangezogen spricht man umgangssprachlich auch von „Fracke“. Erforderlich sind Kosten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Somit darf der Geschädigte aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot von mehreren, auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen, Tarifen für die Anmietung seines Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den davon günstigsten Tarif ersetzt verlangen. Somit ist grundsätzlich nur der Normaltarif erstattungsfähig.

Der Normaltarif ist durch das zuständige Gericht durch Ausübung des eigenen Ermessens nach § 287 I ZPO zu bestimmen, wobei Listen und Tabellen zur Schadensschätzung herangezogen werden dürfen.


Nutzungsausfall bzw. entgangener Gewinn/Vorhaltekosten 

Der Geschädigte, der sich keinen Mietwagen nimmt, hat grundsätzlich Anspruch auf eine Geldentschädigung im Sinne des § 249 II BGB für die Entziehung der Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeuges. Der unfallbedingte Wegfall der Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeuges ist als Vermögensschaden nach § 251 BGB zu bewerten. Für einen Anspruch auf Nutzungsausfall muss tatsächlich eine Nutzung nicht möglich sein, eine fiktive Abrechnung entfällt.

Der BGH führte dazu aus (BGH, Urt. v. 11.10.2022 – VI ZR 35/22 Rz. 10): „Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschränkt sich der Nutzungsausfallersatz auf Sachen, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Dabei müssen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können. Der Tatrichter soll den Schadensersatz nicht an unkontrollierbaren subjektiven Wertschätzungen festmachen müssen, die ihm der Geschädigte angibt, sondern an Werten, die der Verkehr dem Interesse an der konkreten Nutzung beimisst [...]. Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das verlangt die in § 253 BGB getroffene gesetzgeberische Entscheidung, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen, zu ersetzen ist [...]. Stellt sich der zeitweise Verlust unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlicher Schaden, sondern als individuelle Genussschmälerung dar, handelt es sich um einen nicht ersatzfähigen immateriellen Schaden.“


aa. Subjektive Voraussetzungen

Bei Kfz, die grundsätzlich als Sachen angesehen werden, die für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung sind, ist demnach zu fragen, ob durch deren mangelnde Nutzbarkeit eine fühlbare Beeinträchtigung gegeben ist.

Subjektive Voraussetzungen sind, dass der Geschädigte in Bezug auf sein Fahrzeug sowohl eine Nutzungsmöglichkeit als auch einen Nutzungswillen besitzt.

Falls der Geschädigte tatsächlich sein Fahrzeug gar nicht nutzen möchte, so hat er keinen Nutzungswillen. Da das Fahrzeug üblicherweise aber bis zum Unfallzeitpunkt genutzt wurde (und daher auch in einen Unfall verwickelt werden konnte) wird der Nutzugswille indiziert. Ein fehlender Nutzungswille muss also von der Schädigerseite nachgewiesen werden.

Es muss sich auf den Geschädigten auswirken, dass er das Fahrzeug für seine alltägliche Lebensführung nicht gebrauchen kann. Ein Zweitwagen muss im Rahmen der Schadensminderungspflicht genutzt werden.

Ist der Geschädigte zeitweise während der Unfallinstandsetzung im Urlaub, so entfällt ebenfalls der Nutzungswille.

Die Nutzungsmöglichkeit entfällt beispielsweise, wenn der Geschädigte im Krankenhaus liegt oder das Fahrzeug aufgrund einer Verletzung nicht nutzen kann.

Ist einem Unfallgeschädigten während der Reparaturzeit des beschädigten Fahrzeugs die Nutzung eines Zweitwagens möglich und zumutbar, besteht kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung gegen den Schädiger. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) in einem Beschluss (v. 21.07.2022, Az. 11 U 7/21) entschieden. Zwar biete ein Ford Mondeo im Vergleich zum 911er Porsche weniger Fahrvergnügen, stellte auch das Gericht fest. Das sei aber nur eine immaterielle Beeinträchtigung, die auf subjektiver Wertschätzung fuße. Solche immateriellen Schäden seien aber nicht ersatzpflichtig, da andernfalls die Gefahr bestünde, die Ersatzpflicht entgegen den gesetzlichen Wertungen auf Nichtvermögensschäden auszudehnen.


bb. Weitere Voraussetzungen

Weitere Voraussetzungen sind,

                dass der Unfall (teilweise) unverschuldet für den Anspruchsteller war.

dass das Fahrzeug nicht fahrbereit (Reparaturfall) war oder noch nicht wiederbeschafft werden konnte (Totalschadensfall).

dass kein Mietfahrzeug angemietet wurde.


cc. Höhe der Entschädigung

Bezifferung des Nutzungsausfallschadens:

Der Nutzungsausfall errechnet sich aus der Ausfallzeit und dem konkreten Tagessatz.

Der Tagessatz kann der Nutzungsausfallentschädigungstabelle "Sanden, Danne, Küppersbusch" entnommen werden. Die Gutachter geben in den Gutachten regelmäßig eine Tagespauschale vor.

Die Nutzungsausfallentschädigung orientiert sich an der Eingruppierung des Fahrzeuges nach der jeweiligen Fahrzeugklasse (Fahrzeugtyp und -modell).

Die Tabelle ordnet die Fahrzeuge in die Klassen A bis L oder 1 bis 13 ein, je nach der vorhandenen Ausstattung und dem Neupreis, etc.

Aufgrund des Alters kann das Fahrzeug niedriger eingestuft werden. Ist das Fahrzeug älter als 5 Jahre, erfolgt in der Regel eine Zurückstufung um eine Gruppe.

Die abrechenbare Nutzungsausfalldauer unterscheidet sich danach, ob ein Reparaturschaden oder ein Totalschaden vorliegt:

Während der Dauer der Reparatur und insbesondere auch für die Verzögerung aufgrund von Ersatzteilbeschaffungen kann Nutzungsausfall geltend gemacht werden. Der Nutzungsausfall bezieht sich also auf 3 separate Zeiträume:

Schadensermittlungszeitraum: Der Zeitraum zwischen dem Unfalltag und dem Erhalt des Sachverständigengutachtens ist abrechenbar. Verzögerungen bei der Gutachtenerstellung gehen zu Lasten des Schädigers.

Überlegungszeitraum nach Erhalt des Gutachtens: Dieser Prüfzeitraum soll dem Geschädigten Zeit einräumen, den für ihn bestmöglichen Weg zur Schadensbeseitigung auszuwählen.

Reparaturdauer: Bei Reparaturverzögerungen z.B. aufgrund von Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen, muss der Schädiger entsprechend länger Nutzungsausfall begleichen.

Im Falle eines Totalschadens kann der Nutzungsausfall für den Wiederbeschaffungszeitraum geltend gemacht werden. Dieser wird in der Regel vom Sachverständigen mit 14 Tagen angegeben. Auch für die weitere Dauer der Schadensermittlung steht dem Geschädigten der Nutzungsausfall zu. Damit ist der Zeitraum für die Einholung des Gutachtens und die Überlegungszeit gemeint. Der Nutzungsausfall bezieht sich also auf 3 separate Zeiträume:

Schadensermittlungszeitraum: Der Zeitraum zwischen dem Unfalltag und dem Erhalt des Sachverständigengutachtens ist abrechenbar. Verzögerungen bei der Gutachtenerstellung gehen zu Lasten des Schädigers.

Überlegungszeitraum nach Erhalt des Gutachtens: Dieser Prüfzeitraum soll dem Geschädigten Zeit einräumen, den für ihn bestmöglichen Weg zur Schadensbeseitigung zu wählen.

                Wiederbeschaffungszeitraum: Laut Gutachten werden meistens 14 Tage angesetzt.


Sachverständigenkosten

Die Gutachterkosten zählen nach ständiger Rechtsprechung des BGH zu den ersatzfähigen Kosten bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall. Nur durch das Sachverständigengutachten kann eine detaillierte und genaue Schadensbezifferung vorgenommen werden, da durch dieses die richtige Tagessatzhöhe für den Nutzungsausfall und die merkantile Wertminderung direkt mitgeteilt werden, ebenso kann nur so im Zweifelsfall die Abgrenzung zwischen Reparaturfall und wirtschaftlichem Totalschaden sauber vorgenommen werden.

Es ist nicht empfehlenswert, den Schaden nur durch den Sachverständigen der Versicherung begutachten zu lassen, sondern es empfiehlt sich ein neutraler (selbst zu beauftragender) Sachverständiger.


Abschleppkosten

Auch die Abschleppkosten können bei einem unverschuldeten Unfall bei einem unfallbedingt fahrunfähig gewordenen Fahrzeug als adäquater Schaden ersetzt verlangt werden.

Es gilt dabei die Schadensminderungspflicht, sodass eine nahe gelegene Werkstatt mit dem Abschleppen des Fahrzeuges beauftragt werden sollte.

Das sogenannte „Hakenrisiko“ ist dem Werkstattrisiko nachempfunden (AG Braunschweig, Urteil vom 14.10.2024, Az.: 111 C 2021/23).

Sollte ein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall nicht mehr fahrfähig sein, wird das Fahrzeug abgeschleppt. Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall gehören die Abschleppkosten zum Umfang des Gesamtschadens und müssen von der eintrittspflichtigen Versicherung erstattet werden.


Unkostenpauschale oder Schadenpauschale

Die Unkostenpauschale ist eine pauschalierte Abfindung für Aufwendungen, bei denen auf den Einzelnachweis der tatsächlich entstandenen Ausgaben verzichtet wird.

Bei einem Verkehrsunfallschaden (Haftpflichtschaden) entstehen dem Geschädigten in der Regel Aufwendungen (für Telefonate, Schreibkosten, Portokosten usw.), die durch die Unkostenpauschale abgegolten werden sollen.

Diese wird mit 30,00 € angesetzt. Höhere Ausgaben hierüber hinaus sind konkret nachzuweisen.


Rechtsanwaltsgebühren nach einem Verkehrsunfall und deren Erstattung 

Anwaltskosten werden als erforderliche Schadensfolge von der gegnerischen Versicherung bei einem unverschuldeten Unfall erstattet.

Sollte sich aus Kostengründen beim Geschädigten die Frage stellen, ob ein Anwalt mit der Abwicklung des Verkehrsunfalles beauftragt werden soll, so sind bezüglich der Abwicklung nur 2 Szenarien wahrscheinlich:

Die Gegenseite zahlt anstandslos und zumindest die Haftung ist dem Grunde nach unstrittig: Dann muss die Gegenseite auch die Rechtsanwaltsgebühren voll ausgleichen und der Geschädigte erhält kostenfreie Unterstützung.

Die Gegenseite bestreitet bereits grundsätzlich die eigene Haftung, dann wäre spätestens zu diesem Zeitpunkt ohnehin anwaltliche Hilfe einzuholen, ob und wie noch Ansprüche durchsetzbar sind.

So sind die Rechtsanwaltsgebühren nach § 249 I BGB zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zu zählen (vgl. BGH-Senatsurteile vom 29.10.2019 – VI ZR 45/19, VersR 2020, 174 Rn. 21; vom 11.7.2017 – VI ZR 90/17, VersR 2017, 1155 Rn. 10; vom 10.1.2006 – VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rn. 5). Auch die Rechtsanwaltskosten sind also zusätzlich erstattungsfähig, soweit sie erforderlich waren, was grundsätzlich der Fall ist (AG Leipzig 11.11.2008 Az. 108 C 5756/08).

Auch bei einfachen Verkehrsunfällen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts als erforderlich anzusehen. Angesichts der immer komplizierter werdenden Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von Schadenspositionen, zu Mietwagenkosten und Stundenverrechnungssätzen, ist es geradezu fahrlässig, einen Verkehrsunfallschaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln (so OLG FaM, 02.12.14, Az. 22 U 171/13). Dieses bedingt sich daraus, dass Waffengleichheit herzustellen ist, da auf Seiten der Versicherung oft juristisch geschultes Personal mit der Bearbeitung des Schadensfalles beauftragt wird, der Laie aber nur selten mit den Problemen konfrontiert ist.


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