Zu klärende Frage: Kann Airline zusätzliche Gebühren bei Umbuchungswünschen des Flugastes verlangen?

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BGH Urteil vom 27.6.2023 – X ZR 50/22

Zu klärende Frage: Kann Airline zusätzliche Gebühren bei Umbuchungswünschen des Flugastes verlangen?

Vorab: Relevante Vorschrift in diesem Kontext: Art. 8 Abs.1 Buchst. b und c VO Fluggastrechte-VOVO (EG) 261/2004

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen

b)anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder

c)anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.

 Zum Sachverhalt:

In dem vom BGH entschiedenen Fall  wandte sich der klagende Verbraucherverbandgegen die Forderung von Zuzahlungen für Umbuchungen nach Annullierung eines Fluges. Das beklagte Luftfahrtunternehmen stornierte im Jahr 2020 aufgrund der Covid19-Pandemie zahlreiche Flüge. Von einem Fluggast, der für Ende März 2020 Flüge von München nach Toulouse und zurück gebucht hatte und eine Umbuchung auf Mitte Juli 2020 wünschte, verlangte die Bekl. die Zahlung eines Mehrpreises von 75 EUR. Von einem anderen Fluggast, der für den Zeitraum über Ostern 2020 Flüge in der Business bzw. First Class von Stockholm über Frankfurt a. M. nach Buenos Aires und zurück gebucht hatte und eine Umbuchung auf November oder Dezember 2020 oder März 2021 wünschte, verlangte sie einen Mehrpreis von rund 3.000 EUR.

Der BGH gab dem Verbraucherverband letztinstanzlich recht. 

Zur Rechtliche Bewertung des BGHs

Der X. Senat des BGH war aufgerufen, zu entscheiden, ob aus dem Nebeneinander der Wahlrechte des Fluggastes, nach Annullierung seines Fluges nach Art. 8 I  Buchst. b Fluggastrechte-VO eine „anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ zu verlangen und nach Art. 8 I Buchst. c Fluggastrechte-VO auf eine Ersatzbeförderung „zu einem späteren Zeitpunkt“, eine zeitliche Beschränkung für die Geltendmachung auch des Wahlrechts aus Art. 8I Buchst. c Fluggastrechte-VO abzuleiten sei.

Diese Frage war bis dato in der Literatur uneinheitlich in der juristischen Kommentarliterartur gesehen worden. Für einen zeitlichen Rahmen des Wahlrechts auf Ersatzbeförderung wie in Art. 8  I Buchst. b Fluggastrechte-VO zum „frühestmöglichen Zeitpunkt“ auch für das Wahlrecht in Art.  8 I Buchst. c Fluggastrechte-VO „zu einem späteren Zeitpunkt“ sprach sich aus z.B.: BeckOK/Steinrötter, 1.2.2023, Fluggastrechte-VO Art. 8 Rn. 23 aus. Gegen eine zeitliche Begrenzung des Wahlrechts in Art. 8 I Buchst. c Fluggastrechte-VO erklärte sich: Ullenboom RRa 2023, 3 aus. 

Der BGH hat sich nach dem Wortlaut des Begriffs „späterer Zeitpunkt“, der in der Verordnung nicht eigens definiert ist, und auch nach der Gesetzessystematik der beiden Vorschriften gegen die zeitliche Begrenzung des Rechts auf Ersatzbeförderung zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Die Vorschrift überlasse die Auswahl einer Ersatzbeförderung insoweit dem Wunsch des Fluggastes. Als begrenzende Faktoren seien in der VO lediglich die Vergleichbarkeit der Reisebedingungen und die Verfügbarkeit von Plätzen benannt. Der BGH bezieht sich in den Urteilsgründen mehrfach auf Ullenboom RRa 2023, 5 und weist auf Folgendes hin: Soll Art. 8 I Buchst. c Fluggastrechte-VO neben Art. 8 I Buchst. b Fluggastrechte-VO ein eigener sinnvoller Anwendungsbereich verbleiben, kann ein zeitlicher Zusammenhang mit der ursprünglichen Flugbuchung nicht auch im Rahmen von Art. 8 I Buchst. c VO gefordert werden. Die Meinung des BerGer. in dieser Streitsache (OLG Köln 6.5.2022 – , BeckRS 2022, 10404) überzeuge nicht, weil dann – entgegen dem Zweck der Norm – nur ein äußerst schmaler Anwendungsbereich für Art. 8 I Buchst. c Fluggastrechte-VO verbliebe und die Grenze zwischen Art. 8 I Buchst. b zu Buchst. c Fluggastrechte-VO verwischt würde.

Ergebnis des BGHs zur oben aufgeworfenen Thematik

So auch der BGH in dem streitgegenständlichen Unterlassungsklage-Verfahren, indem er feststellt: Mangels zeitlicher Begrenzung für den Ersatzbeförderungsanspruch nach Art. 8 I Buchst. c Fluggastrechte-VO hatte das beklagte Luftfahrtunternehmen kein Recht, eine anderweitige Beförderung unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes trotz verfügbarer Plätze nur gegen Zahlung eines Aufpreises zu ermöglichen.


Meine Anmerkungen zur Entscheidung 

Der Unterz. schließt sich auch der Ansicht  Ullenboom an, keine zeitlich Beschränkung, da dies ein hohes Schutzniveau der VO nach sich zieht und die Airlines diszipliniert in ihren Anwandlungen Zusatzleistungen zu kreieren gegenüber dem Fluggast.  Zudem besteht nun Rechtssicherheit: Wenn künftig nach Flugannullierung der betroffene Fluggast sein Wahlrecht aus Art. 8 I Buchst. c Fluggastrechte-VO auf Ersatzbeförderung „zu einem späteren Zeitpunkt“ ausübt, hat ihm das betroffene Luftfahrtunternehmen ohne Zusatzkosten eine solche Ersatzbeförderung zeitlich unbegrenzt ( zu ermöglichen. Einen zeitlichen Rahmen zieht lediglich die dreijährige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 I  BGB.


Gerne ist der Unterz, behilflich in einer solchen Konstellation

Mit besten Grüßen

RA Robin Wulff  


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