Zugewinnausgleichsverfahren: Ihr Schlüssel zu einer fairen Vermögensaufteilung bei Scheidung!
- 5 Minuten Lesezeit

In Deutschland leben die meisten Ehepaare im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, sofern sie nicht durch einen Ehevertrag eine andere Vereinbarung getroffen haben.
Dies bedeutet, dass während der Ehe das Vermögen der Ehepartner getrennt bleibt, jedoch im Falle einer Scheidung ein Ausgleich des während der Ehe erworbenen Vermögens – der sogenannte Zugewinnausgleich – stattfindet.
Beispiel - Zugewinnausgleich
Herr und Frau Müller heirateten im Jahr 2000. Zum Zeitpunkt der Eheschließung besaß Herr Müller ein Vermögen von 50.000 €, Frau Müller verfügte über 20.000 €. Während der Ehezeit bis zur Scheidung im Jahr 2025 erhöhte sich Herr Müllers Vermögen auf 150.000 €, während Frau Müller nun 80.000 € besitzt. Der Zugewinn von Herrn Müller beträgt somit 100.000 € (150.000 € - 50.000 €), der von Frau Müller 60.000 € (80.000 € - 20.000 €). Die Differenz der Zugewinne liegt bei 40.000 €, wovon die Hälfte (20.000 €) als Ausgleichszahlung von Herrn Müller an Frau Müller zu leisten ist.
Das Zugewinnausgleichsverfahren wird als komplex und emotional belastend beschrieben; strategische Planung und professionelle Beratung sind essenziell, um finanzielle Nachteile zu vermeiden und den Prozess so effektiv und schonend wie möglich zu gestalten.
Rechtliche Grundlagen
Die gesetzlichen Regelungen zum Zugewinnausgleich finden sich in den §§ 1363 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Demnach verbleibt das Vermögen, das ein Ehepartner in die Ehe einbringt oder während der Ehe erwirbt, in seinem Eigentum. Bei Beendigung des Güterstands, beispielsweise durch Scheidung, wird jedoch der während der Ehe erzielte Vermögenszuwachs (Zugewinn) zwischen den Ehepartnern ausgeglichen.
Berechnung des Zugewinns
- Anfangsvermögen: Das Vermögen, das ein Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung besitzt.
- Endvermögen: Das Vermögen zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags.
- Zugewinn: Die Differenz zwischen Endvermögen und Anfangsvermögen.
Erbschaften und Schenkungen, die ein Ehepartner während der Ehe erhält, werden dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, um sie vom Zugewinnausgleich auszunehmen (privilegierter Vermögenserwerb).
Ablauf des Zugewinnausgleichsverfahrens
Das Zugewinnausgleichsverfahren gliedert sich in mehrere Schritte:
1. Auskunftsanspruch:
Jeder Ehepartner hat gemäß § 1379 BGB einen Anspruch darauf, vom anderen Ehepartner Auskunft über dessen Vermögen zum Zeitpunkt der Eheschließung und zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags zu erhalten. Dieser Anspruch dient der Transparenz und ermöglicht die Berechnung des Zugewinns.
2. Ermittlung des Vermögens:
Die Ehepartner sind verpflichtet, ihr jeweiliges Anfangs- und Endvermögen offenzulegen. Hierzu zählen alle Vermögenswerte wie Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere, Fahrzeuge und sonstige Wertgegenstände. Auch Schulden müssen berücksichtigt werden.
3. Bewertung der Vermögensgegenstände:
Die einzelnen Vermögenswerte müssen zum relevanten Stichtag bewertet werden. Bei Immobilien ist beispielsweise der Verkehrswert maßgeblich, der durch ein Sachverständigengutachten ermittelt werden kann. Bei Unternehmen oder Beteiligungen kann die Bewertung komplex sein und sollte durch einen Fachmann erfolgen.
4. Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs:
Nach Ermittlung und Bewertung des Vermögens wird der Zugewinn jedes Ehepartners berechnet. Die Differenz der Zugewinne wird ermittelt, und der Ehepartner mit dem höheren Zugewinn ist verpflichtet, die Hälfte der Differenz an den anderen Ehepartner auszugleichen.
5. Durchsetzung des Ausgleichsanspruchs:
Kann keine einvernehmliche Lösung gefunden werden, muss der Zugewinnausgleichsanspruch gerichtlich geltend gemacht werden. Das Gericht prüft die vorgelegten Beweise und trifft eine Entscheidung über die Höhe des Ausgleichsanspruchs.
Darlegungs- und Beweislast im Zugewinnausgleichsverfahren
Im Zugewinnausgleichsverfahren trägt jeder Ehepartner die Darlegungs- und Beweislast für sein eigenes Anfangs- und Endvermögen. Das bedeutet, dass jeder Ehepartner nachweisen muss, welche Vermögenswerte er zum Zeitpunkt der Eheschließung und zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags besaß.
Fehlen entsprechende Nachweise, kann dies zu Nachteilen führen. So wird beispielsweise vermutet, dass ein Ehepartner kein Anfangsvermögen hatte, wenn er dieses nicht nachweisen kann. Gleiches gilt für das Endvermögen. Es ist daher ratsam, während der Ehe eine sorgfältige Dokumentation des Vermögens vorzunehmen und relevante Unterlagen aufzubewahren.
Bei Streitigkeiten über bestimmte Vermögenswerte oder deren Bewertung kann es erforderlich sein, Sachverständigengutachten einzuholen oder Zeugen zu benennen, um die eigenen Angaben zu untermauern.
Tipps und Strategien für Betroffene
Um im Zugewinnausgleichsverfahren Ihre Interessen bestmöglich zu wahren, sollten Sie folgende Hinweise beachten:
1. Sorgfältige Dokumentation
Führen Sie während der Ehe eine detaillierte Aufzeichnung über Ihr Vermögen. Bewahren Sie Kontoauszüge, Kaufverträge, Bewertungsunterlagen und sonstige Nachweise auf, um im Streitfall belegen zu können, welche Vermögenswerte Sie zu welchem Zeitpunkt besessen haben.
2. Frühzeitige Beratung durch einen Fachanwalt
Ein Fachanwalt für Familienrecht kann Sie frühzeitig über Ihre Rechte und Pflichten im Zugewinnausgleichsverfahren informieren. Gerade bei komplexen Vermögensverhältnissen oder bei der Absicht, Vermögenswerte zu schützen, ist eine anwaltliche Beratung unerlässlich.
3. Einvernehmliche Regelungen anstreben
Versuchen Sie, mit Ihrem Ehepartner eine einvernehmliche Lösung zu finden. Ein Güterichterverfahren kann dabei helfen, eine faire Einigung zu erzielen. Dies spart nicht nur Kosten, sondern verkürzt auch die Dauer des Verfahrens erheblich.
4. Bewertung von Vermögensgegenständen realistisch angehen
Bei Immobilien, Unternehmen oder anderen wertvollen Gütern ist eine realistische Bewertung essenziell. Ziehen Sie ggf. unabhängige Sachverständige hinzu, um eine faire Berechnungsgrundlage für den Zugewinnausgleich zu schaffen.
5. Vermeidung von Vermögensverschiebungen
Vermögensverschiebungen kurz vor der Trennung – etwa durch Schenkungen an Dritte oder das Verschleiern von Werten (illoyale Vermögensminderung) – können nicht nur rechtlich angreifbar sein, sondern unter Umständen rückgängig gemacht werden. Das Gesetz sieht in solchen Fällen vor, dass manipulierte Vermögensverfügungen dem Endvermögen hinzugerechnet werden.
Gestaltungsmöglichkeiten zur Optimierung des Zugewinnausgleichs
Wenn Sie die gesetzlichen Regelungen zum Zugewinnausgleich kennen, können Sie durch gezielte Vereinbarungen und strategische Maßnahmen individuelle Anpassungen vornehmen.
1. Ehevertragliche Regelungen
Ein Ehevertrag kann den Zugewinnausgleich erheblich beeinflussen. Hier können individuelle Regelungen getroffen werden, um beispielsweise Unternehmen oder bestimmte Vermögenswerte aus dem Zugewinnausgleich auszunehmen. Ein Ehevertrag kann auch rückwirkend während der Ehe oder bei einer Trennung geschlossen werden.
2. Güterstandsschaukel als steuerliche Gestaltung
Durch einen Wechsel vom Zugewinn zur Gütertrennung und später zurück zur Zugewinngemeinschaft lassen sich in bestimmten Fällen steuerliche Vorteile nutzen. Durch diesen Wechsel lassen sich steuerliche Vorteile nutzen und Freibeträge ausschöpfen, die bei einer direkten Vermögensübertragung nicht verfügbar wären. Eine solche sogenannte "Güterstandsschaukel" sollte jedoch stets mit einem spezialisierten Rechtsanwalt und Steuerberater abgestimmt werden.
3. Vorzeitiger Zugewinnausgleich
Wenn ein Partner einen erheblichen Vermögenszuwachs erwartet – beispielsweise durch den Verkauf eines Unternehmens –, kann ein vorzeitiger Zugewinnausgleich vereinbart werden. So lassen sich spätere hohe Zahlungen verhindern oder minimieren.
4. Berücksichtigung von Schenkungen und Erbschaften
Schenkungen und Erbschaften werden dem Anfangsvermögen hinzugerechnet und unterliegen somit nicht dem Zugewinnausgleich. Um dies sicherzustellen, sollten erhaltene Werte gut dokumentiert und idealerweise mit notariellen Schenkungsurkunden belegt sein.
Fazit
Das Zugewinnausgleichsverfahren kann komplex und emotional belastend sein, insbesondere wenn hohe Vermögenswerte im Spiel sind. Eine vorausschauende Planung und frühzeitige Beratung durch einen Fachanwalt für Familienrecht sind entscheidend, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.
Einvernehmliche Lösungen sind stets zu bevorzugen, da sie Zeit und Kosten sparen und die emotionale Belastung für alle Beteiligten reduzieren. Eheverträge und steuerliche Optimierungsmöglichkeiten bieten zudem wirksame Wege, um den Zugewinnausgleich individuell zu gestalten und an die persönliche Situation anzupassen.
Falls Sie sich in einer Trennungssituation befinden oder Fragen zum Zugewinnausgleich haben, sollten Sie nicht zögern, sich professionelle Unterstützung zu holen.
Dr. jur. Schröck - Kanzlei für Familienrecht
- Auf Familienrecht spezialisierte Fachanwaltskanzlei in München und Bundesweit
- Scheidungsanwalt mit über 25 Jahren Erfahrung
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