Zum Wechselmodell: 53 % Betreuung – Anspruch auf 100 % Unterhalt? Das kann nicht sein – oder doch?
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Immer mehr Eltern entschließen sich dazu, nach einer Trennung weiterhin gemeinsam ihre Kinder zu erziehen. Werden minderjährige Kinder nach einer Trennung mit etwa gleichen Zeitanteilen von beiden Elternteilen betreut, handelt es sich nach der Rechtsprechung um ein sogenanntes Wechselmodell.
Doch wann liegt nach geltendem Recht ein Wechselmodell vor?
Selbst viele Rechtsanwälte verbreiten die Behauptung, ein „echtes Wechselmodell“ sei nur bei einer zeitgleichen Aufteilung des Kindes, also bei einer Betreuungsquote von genau 50 % zu 50 % gegeben. Dies ist schon nach der aktuellen Rechtslage falsch. Vielmehr haben beispielsweise das OLG Köln (Beschluss vom 21.03.2014, Az.: 4 UF 1/14) bei einem Betreuungsanteil von 57 % zu 43 % und das OLG Celle in seinem Beschluss vom 20.08.2014, Az.: 10 UF 163/14, bei einer Betreuungsquote von 56 % zu 44 % jeweils ein Wechselmodell angenommen. Die Gerichte haben zu Recht festgestellt, dass bei einem derart geringen zeitlichen Übergewicht von einem Schwerpunkt der Betreuung aufseiten eines Elternteils und damit einem Residenzmodell nicht ausgegangen werden kann. Ein Elternteil, der beispielsweise mit einem Anteil von 53 % die Betreuung leistet, kann damit nicht den vollen Unterhalt verlangen, den ein Elternteil einfordern könnte, der bspw. die Betreuung mit einem zeitlichen Anteil von 70 % leistet.
Das, was die Bundesjustizministerin Barley (SPD) im Interview mit dem Magazin „Der Spiegel“ vom 09.02.19, Seite 19, äußert, kann bei richtiger juristischer Beratung und Vertretung bereits jetzt umgesetzt werden: „Es kann ja nicht sein, dass sich jemand etwa zur Hälfte um sein Kind kümmert, aber am Ende genauso viel Unterhalt zahlen muss wie jemand, der sein Kind jedes zweite Wochenende sieht“. Wir können Ihnen hier bereits jetzt helfen und verhindern, dass Sie trotz annähernd hälftiger Betreuung den vollen Unterhalt bezahlen.
Unabhängig davon: Die Hürden für Elternteile, die auch nach Scheitern ihrer Beziehung gemeinsam mit dem anderen Elternteil gleichberechtigt Verantwortung tragen wollen, sind zu hoch. Hier muss die Politik dringend tätig werden. Dazu gehören einfache Maßnahmen wie Veränderungen im Melderecht und Steuerrecht und gesellschaftspolitisch herausfordernde, wie etwa die Einführung des Wechselmodells als Regelfall.
Was aus unserer Erfahrung heraus sich als hochbrisant darstellt, ist die von den Amtsgerichten aus der Rechtsprechung des BGH heraus getroffene Annahme, ein Wechselmodell sei nur möglich, wenn dies beide Eltern wollen. Dies ist nicht richtig, vielmehr hat der BGH festgestellt, dass es immer auf das Kindeswohl ankommt. Ein Wechselmodell kann damit nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 1.2.2017 – XII ZB 601/15) auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden.
Der BGH gibt aber dem Elternteil, der das Wechselmodell ablehnt, einen Joker in die Hand: Nach seiner Rechtsprechung kann ein Elternteil durch Aufgabe der Kommunikation mit dem anderen Elternteil ein paritätisches Wechselmodell verhindern. Denn der BGH setzt für ein Wechselmodell eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus.
Hier besteht dringender Korrekturbedarf, es kann nicht sein, dass ein unwilliger Elternteil letztlich ein Vetorecht hat. Die Situation ist vergleichbar mit dem vom EGMR (Urteil vom 3. 12. 2009 – 22028/04 Zaunegger/Deutschland) gekippten Vetorecht der nichtehelichen Mutter, die nach früherem Recht verhindern konnte, dass ein nichtehelicher Vater das Sorgerecht erhält.
Der jetzige Zustand, wonach als Regelfall das Modell „Einer betreut – der andere zahlt Unterhalt“ unterstellt wird, wird sicher einer Vielzahl von Fällen gerecht; für eine immer größer werdende Zahl von Familien wird hierdurch aber eine vor der Trennung gelebte paritätische Erziehung der Kinder erschwert.
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