Zur Rechtzeitigkeit der Übergabe des Verkaufsprospektes

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Immer wieder erweisen sich Fondskonzepte als nicht tragfähig und es kommt zur Insolvenz der Fondsgesellschaft und zum (drohenden) Totalverlust für die Anleger. Ist vom Fondsinitiator kein Geld mehr zu holen, so stellen viele Anleger schnell die Frage nach der Verantwortlichkeit des Anlageberaters. Nach anwaltlicher Beratung werden dann oftmals standardisiert die gleichen Aufklärungspflichtverletzungen gerügt: Keine Aufklärung über das Totalverlustrisiko und über das Risiko des Widerauflebens der Kommanditistenhaftung, sowie mangelnde Belehrung über das Zweitmarktrisiko.

Inwieweit einzelne Risiken im Rahmen des Beratungsgespräches thematisiert worden sind, ist im Nachhinein meist schwer zu ermitteln. Meistens stellen Anlageberater die Nichterwähnung einzelner Risiken im Beratungsgespräch, wie z.B. die Gefahr des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung, auch unstrittig. Als Mittel der Aufklärung bleibt in solchen Situationen daher nur der Prospekt, welcher für gewöhnlich entsprechende Ausführungen enthält und der – soweit die Ausführungen richtig sind – sich zur Risikoaufklärung des Anlageinteressenten ebenso eignet wie mündliche Erklärungen des Beraters (vgl. BGH-Urteil vom 08.05.2012 – Az.: XI ZR 262/10 – Rn. 20f.). Entscheidend ist im Haftungsprozess dann, ob und wann der Prospekt übergeben worden ist.

Was viele Anlageberater dabei übersehen ist, dass der Prospekt so rechtzeitig übergeben werden muss, dass der Anlageinteressent von dessen Inhalt noch vor seiner Anlageentscheidung Kenntnis nehmen kann. Eine Übergabe im Unterschriftstermin reicht hierfür nicht aus (BGH Urteil vom 08.05.2012 – Az.: XI ZR 262/10 – Rz. 21). Auch eine Übergabe einen Tag vor der Unterzeichnung reicht i.d.R. nicht aus (BGH-Urteil vom 19.07.2011 – Az.: XI ZR 191/10 – Rz. 18). Eine Übergabe 2 Wochen vor der Zeichnung war hingegen ausreichend (BGH-Urteil vom 12.07.2007 – Az.: III ZR 145/06 – Rz. 9).

Für den Umstand, dass der Prospekt nicht rechtzeitig übergeben worden ist, ist zwar der Anleger beweispflichtig, oftmals bestätigt der Anleger jedoch im Rahmen der Zeichnungserklärung den Emissionsprospekt erhalten zu haben. Diese gesonderte Erklärung trägt meistens dasselbe Datum wie die Zeichnungserklärung selbst. Gleichwohl kann damit der Anleger nicht beweisen, dass er den Emissionsprospekt erst am Tag der Zeichnung erhalten hat (BGH-Urteil vom 06.12.2012 – Az.: III ZR 66/12 – Rz. 17).

Der Anlageberater tut trotzdem gut daran, das Datum der Prospektübergabe im Beratungsprotokoll zu dokumentieren und sich durch Unterschrift des Anlegers unter dem Beratungsprotokoll bestätigen zu lassen.


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