Zur Vererbbarkeit des Kontos eines sozialen Netzwerkes

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Beim Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerkes geht der Nutzungsvertrag grundsätzlich nach § 1922 BGB auf dessen Erben über. Dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen.

BGH, Urteil vom 12.07.2018 – III ZR 183/17

Der schuldrechtliche Vertrag zwischen dem Kontoinhaber und dem Betreiber des sozialen Netzwerkes geht gemäß § 1922 I BGB auf die Erben über. Der schuldrechtliche Vertrag ist hier in der Einrichtung und Nutzung eines „Accounts“ zu sehen. Die Erben treten in das Vertragsverhältnis mit seinen Rechten und Pflichten ein. Folglich haben Sie einen Anspruch auf Zugang zu dem „Account“ sowie den darin enthaltenen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen (digitalen) Inhalten.

Sollte es in den AGB des Betreibers des sozialen Netzwerkes eine Regelung geben, die wirksam Bestandteil des Vertrages geworden ist, aber den Erben den Zugang zu dem „Account“ verwehrt und die Erben damit einen Hauptleistungsanspruch verlieren, ist diese Regelung unwirksam. Dies widerspricht i. S. v. § 307 II Nr. 1 BGB den wesentlichen Grundgedanken des § 1922 BGB, der den Übergang eines Schuldverhältnisses mit allen Rechten und Pflichten auf den Erben vorsieht. Die Universalsukzession dient der eindeutigen Zuordnung des Vermögens und damit der Rechtssicherheit der Beteiligten. Eine wirksam in die AGB einbezogenen Regelung, die dazu führt, dass die wesentlichen Rechte aus dem Vertragsverhältnis, nämlich der Zugang zu dem „Account“, der Zugriff auf die dort gespeicherten Inhalte und die Verfügungsbefugnis hierüber, entfallen, ist ein Verstoß gegen § 307 II Nr. 2 BGB, da die Erreichung des Vertragszwecks nicht mehr möglich ist.

Aus dem Wesen des Vertrages ergibt sich eine Unvererbbarkeit ebenfalls nicht. Der Rechtsgedanke aus § 399 BGB sowie § 38 BGB lässt sich auf diese Art von Vertrag nicht übertragen. Die Leistungen des sozialen Netzwerk Betreibers sind rein technisch und nicht personenbezogen. Die Bereitstellung der vorhandenen Kontoinhalte zum Abruf der Erben hängt nicht von der Person ab, der gegenüber sie erbracht wird.

Durch den Erbfall wird die Datenbasis, über die der Betreiber des sozialen Netzwerkes vertragsmäßig verfügen darf, nicht verändert.

Nach den vertraglichen Regeln und den zugrunde liegenden technischen Bedingungen besteht kein schutzwürdiges Vertrauen, dass eine Diskretion des Austauschs zwischen dem verstorbenen Nutzer und den übrigen Teilnehmern des Netzwerks – auch über den Tod hinaus – gegenüber den Erben gewährleistet ist. Von dem Betreiber des sozialen Netzwerkes kann nur die Übermittlung an bzw. Bereitstellung für das ausgewählte Benutzerkonto erwartet werden. Dem verständigen und durchschnittlichen Nutzer eines sozialen Netzwerkes ist ebenso wie dem Absender eines Briefes bewusst, dass er nach dem Versenden einer Nachricht nicht mehr kontrollieren kann, wer letztlich von deren Inhalt Kenntnis nimmt, und dass er grundsätzlich keine Möglichkeit hat, die übermittelte Nachricht bzw. den Inhalt zurückzufordern. Er begibt sich insoweit der Verfügungsbefugnis über die Nachrichten. Für mit dem „Account“ des Erblassers geteilte Inhalte anderer Nutzer gilt Entsprechendes, solange der Teilende die Berechtigung für diese nicht ändert oder den geteilten Inhalt löscht. Überdies kann der Kommunikationspartner des „Account“-Inhabers eines sozialen Netzwerks keine berechtigte Erwartung haben, dass der Empfänger einer Nachricht diese auf dem Server des Netzwerkbetreibers belässt und nicht auf dem eigenen Computer oder einem anderen Medium (z. B. USB-Stick) lokal abspeichert oder auf Papier ausdruckt.

Eine Differenzierung der Vererbbarkeit des Kontozugangs nach dem Inhalt des Benutzerkontos ist abzulehnen. Nach der gesetzgeberischen Wertung gehen auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichem Inhalt unabhängig von einem Vermögenswert auf die Erben über, wie sich aus § 2047 II und § 2373 S. 2 BGB ergibt.

Das postmortale Persönlichkeitsrecht, das dem Schutz des allgemeinen Achtungsanspruchs, der dem Menschen kraft seines Personenseins zusteht, und des sittlichen, personalen und sozialen Geltungswerts, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat, dient, schränkt das Erbrecht an höchstpersönlichen digitalen Inhalten von nicht zu den nächsten Angehörigen gehörenden Erben nicht ein.


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