Zur Wirksamkeit von Laufzeitregelungen in Vertriebsverträgen

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Franchisevertrag mit 5 Jahren Laufzeit zulässig

Betrachtet man die am Markt üblichen Verträge, die den Vertrieb einer Ware oder Dienstleistung zum Gegenstand haben, so stellt man fest, dass die überwiegende Anzahl der Verträge für einen bestimmten Zeitraum fest geschlossen ist und dass sich die Verträge im Anschluss daran um eine weitere festgelegte Periode verlängern, sofern keine der Vertragsparteien zuvor die Kündigung des Vertrags erklärt hat. Selten sind hingegen Vertragswerke, die keine explizite Laufzeit und kein Kündigungserfordernis vorsehen.

Diese Feststellung trifft sowohl für Handelsvertreter-, Franchise- und  Vertragshändlerverträge als auch für sonstige Vertragskonstellationen, z.B. Dauerlieferverträge oder Lizenzverträge zu.

Ist keine Laufzeit des Vertrags vereinbart, stellt sich die Frage, ob und wenn ja welche Kündigungsfrist für den Vertrag einschlägig ist. Handelt es sich um einen Handelsvertretervertrag, so greift § 89 HGB ein. Danach kann der Vertrag im ersten Jahr seines Bestehens mit einer Frist von einem Monat, im zweiten Jahr mit einer Frist von 2 Monaten und im dritten bis fünften Jahr mit einer Frist von drei Monaten zum Schluss eines Kalendermonats erklärt werden. Nach einer Laufzeit von 5 Jahren beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate zum Monatsende. Diese Kündigungsfristen können vertraglich – auch wenn keine Mindestlaufzeiten vereinbart werden – verlängert, aber nicht verkürzt werden. Da es gesetzliche Regelungen zur Kündigung der anderen oben genannten Vertragstypen nicht gibt, herrscht bezüglich der Kündigungsfristen eine gewisse Unsicherheit. Sofern der Vertriebsmittler – hier als Oberbegriff aller Distributoren verwandt – über das Bestehen einer normalen Lieferbeziehung hinaus in die Vertriebsstruktur des Herstellers oder Großhändlers einbezogen ist – was bei Franchisenehmern und Vertragshändlern üblicherweise, in den übrigen Fällen zumindest regelmäßig der Fall ist – so wendet die Rechtsprechung die Fristen des § 89 HGB analog an. Allerdings kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, weil durch Auslegung des Vertrags gegebenenfalls hergeleitet werden kann, dass aus Treu und Glauben eine längere Kündigungsfrist oder eine Mindestvertragsdauer eingreift. Dabei soll durch eine verlängerte Kündigungsfrist das Interesse des Geschäftsherrn gewahrt bleiben, genug Zeit für die Umstellung seines Vertriebs zu haben, wenn der Vertriebsmittler z.B. eine herausgehobene Stellung einnimmt. Eine Mindestvertragsdauer hingegen kann insbesondere den Vertriebsmittler schützen, wenn dieser z.B. höhere Einstandszahlungen leisten oder hohe Investitionen für den Geschäftsbeginn tätigen musste, die sich erst über die Laufzeit amortisieren können.

Wie bereits gesagt, wird der Vertrag jedoch in der Regel eine feste Laufzeit vorsehen. Üblich sind hier Zeiträume von 5 oder 10 Jahren zu einem im Vertrag bestimmten Datum, oft auch zum Ende eines Geschäftsjahres. Sofern der Vertrag nicht gesondert im Einzelnen ausverhandelt wurde – z.B. wenn er ein Alleinvertriebsrecht für Deutschland vorsieht – wird es sich in der Regel um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln, da der Unternehmer den Vertrag mehrfach – nämlich gegenüber allen Vertriebsmittlern – verwenden wird. Daran anknüpfend stellt sich die Frage der Wirksamkeit der Laufzeitbeschränkung unter Berücksichtigung des AGB-Rechts.

Überraschenderweise existierte bezüglich der Frage keine obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung, bis sich das OLG Frankfurt/Main in seinem Urteil vom 08.10.2014 (Aktenzeichen 4 U 41/14)  mit ihr beschäftigen konnte.

Der zu entscheidende Sachverhalt dürfte dabei für eine Vielzahl von Konstellationen beispielhaft sein. Die Klägerin betreibt ein Franchisesystem zum Betrieb von Autoglasereien für die Reparatur und Neuverglasung bei Steinschlagschäden. Gleichzeitig bietet sie ihren Franchisenehmern die Zentralregulierung (also Finanzierung) des Einkaufs bei ausgesucht Lieferanten an. Der Beklagte ist seit 1998 Franchisenehmer der Klägerin, wobei der ursprüngliche Vertrag eine Laufzeit von 5 Jahren vorsah. Die Laufzeit sollte sich um jeweils weitere fünf Jahre verlängern, wenn keine der Parteien den Vertrag kündigte. Der Vertrag wurde im Jahre 2006 neu geschlossen, wobei die Parteien im Hinblick auf die Restlaufzeit des ursprünglichen Vertrags anfangs nur eine Vertragsdauer von 2 Jahren vorsahen. Sofern der Vertrag jedoch nicht von einer der Parteien mit einer Frist von 12 Monaten zum Ablauf gekündigt wird, verlängert er sich um weitere fünf Jahre. Der Vertrag sah für die Laufzeit des Vertrags ein Wettbewerbsverbot vor.

Im Jahre 2013 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien, weshalb der Beklagte mit 2 Schreiben aus April und Mai 2013 die fristlose Kündigung des Vertrags erklärte. Er begründete dies u.a. damit, dass Mitarbeiter von anderen Franchisenehmern in seinem Gebiet tätig geworden seien und die Klägerin nicht dagegen vorgegangen sei. Eine vorherige Abmahnung war nicht erfolgt. Nach seiner Kündigung schloss sich der Beklagte einem Konkurrenzunternehmen an und stellte die Zahlung offener Forderungen sowie der Franchisegebühren ein.

Die Klägerin forderte nunmehr

  • die Feststellung, dass der Franchisevertrag nicht durch die Kündigungsschreiben vorzeitig beendet wurde sondern bis zum Jahr 2018 fortbesteht,
  • dem Beklagten zu untersagen, während der Laufzeit des Vertrags zur Klägerin in Wettbewerb zu treten und
  • die Zahlung offen stehender Forderungen.

Landgericht Limburg

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Limburg (4 O 239/13) gab der Klage nur teilweise statt, indem es den Beklagten zwar zu einem Großteil der geforderten Zahlungen verurteilte, die von dem Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung jedoch in eine ordentliche Kündigung umdeutete, für die eine Kündigungsfrist von 6 Monaten einzuhalten sei. Das Landgericht führte aus, dass die außerordentliche Kündigung schon außerhalb der vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist erklärt worden sei. Außerdem fehle es an einem wichtigen Grund. Allerdings sah das Landgericht die Laufzeitregelung des Vertrags als unwirksam an. Zwar sei es zulässig, eine Kündigungsfrist von einem Jahr vorzusehen, ebenso, wie eine mehrfache Verlängerung um jeweils fünf Jahre zu vereinbaren. In Kombination dieser Elemente ergebe sich jedoch eine den Franchisenehmer unzulässige Benachteiligung. Da die Klausel somit unwirksam sei, greife die Regelung des § 89 HGB analog, so dass der Vertrag jederzeit mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden könne. Mit Beendigung des Vertrags entfiele dann auch das Wettbewerbsverbot.

Berufung beim OLG Frankfurt

Die Klägerin legte gegen das Urteil Berufung ein und wandte sich gegen die Kündigung mit 6monatiger Kündigungsfrist und bestand auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots. Das OLG Frankfurt hat der Berufung stattgegeben und den Beklagten wie beantragt verurteilt.

Grundlegend war dabei, dass das OLG ebenso wie das LG die außerordentlichen Kündigungen nicht als wirksam angesehen hat. Sodann stellte sich die Frage, ob die Laufzeitregelung in den Verträgen unzulässig benachteiligend sein könnten. Das OLG hat dies unter Abwägung der wechselseitigen Interessen von Franchisegeber und Franchisenehmer verneint. Infolgedessen konnte der Beklagte den Franchisevertrag nur mit Wirkung zum Laufzeitende 2018 kündigen, da die Kündigungsfrist von 12 Monaten zum ursprünglichen Ende im Jahre 2013 nicht eingehalten wurde. Konsequenterweise wurde dann für die Laufzeit des Vertrags das Wettbewerbsverbot bejaht.

Stellungnahme

Das Urteil ist – für diesen Einzelfall – zutreffend, deckt jedoch einige in der Praxis häufig auftretende Punkte auf.

Streitigkeiten innerhalb von Franchisesystemen werden häufig dadurch ausgelöst, dass der Franchisenehmer – aus welcher Motivation auch immer – den Franchiseverbund verlassen möchte, dies jedoch aufgrund der Vertragslaufzeiten nicht in aus seiner Sicht angemessener Zeit kann. Wesentlich seltener ist dagegen die Konstellation, dass der Franchisegeber einen Franchisenehmer aus dem Verbund herauskündigen möchte. Denn der Franchisegeber wird häufig versuchen, einen Franchisenehmer im System zu halten und ihn nur dann kündigen, wenn ein Verbleib entweder aufgrund von Nichtzahlung oder groben und anhaltenden Pflichtverletzungen trotz vorheriger Verwarnung unmöglich erscheint.  

Bei Kündigungsbegehren von Franchisenehmern wird dabei häufig der Weg der fristlosen Kündigung gewählt, dies schon deshalb, weil bei einer von dem Franchisegeber verursachten Kündigung der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB analog nicht entfällt, während dieser Anspruch bei einer ordentlichen Kündigung nicht besteht.

Da Franchisenehmer aber häufig erst nach Ausspruch der Kündigung anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, sind die Erfolgsaussichten solcher Kündigungen aus wichtigem Grund häufig sehr gering. Vielfach scheitern die Franchisenehmer entweder daran, dass vor der Kündigung keine Abmahnung erfolgt ist oder daran, dass ein weit in der Vergangenheit liegendes Verhalten herangezogen wird, dass vielleicht dem Grunde nach damals eine Kündigung hätte rechtfertigen können, dies aber wegen Zeitablaufs jetzt nicht mehr kann.

Hinzu kommt, dass insbesondere die erstinstanzlichen Gerichte sehr zurückhaltend sind, ein etwaiges Fehlverhalten als wichtigen Grund anzuerkennen, selbst wenn vorherige Abmahnungen erfolgt sind. Denn der Grund muss an sich geeignet sein, dass dem Franchisenehmer das Festhalten an dem Vertrag bis zum ordentlichen Vertragsende nicht mehr zumutbar ist. Da die Feststellung dieser Tatsache einer Wertung bedarf, ist hier der richterlichen Zurückhaltung „Tür und Tor“ geöffnet. Richtigerweise kann aber auch nicht jeder einmalige Pflichtverstoß dazu berechtigen, das auf Dauer eingegangene Vertragsverhältnis einseitig zu beenden, auch wenn dies aus anderen Gründen vielleicht opportun erscheint.

Ist die Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund somit selten gegeben, so rückt die Frage der Vertragslaufzeit in den Mittelpunkt der Prüfung. Da das Gesetz wie oben gesehen nur eine maximal 6monatige Kündigungsfrist vorsieht, kollidiert dies häufig mit vertraglich vereinbarten Mindestlaufzeiten.

Früher waren in einigen Vertragskonstellationen 20-jährige Vertragslaufzeiten vorgesehen, die jedoch häufig – auch hier kommt es auf den Einzelfall an – unwirksam sein werden. Heutige Verträge sehen jedoch oft Laufzeiten von 10 Jahren vor, bei denen nur in Einzelfällen Bedenken gegen die Wirksamkeit bestehen könnten. Einer dieser Fälle ist, wenn eine Dienstleistung im Mittelpunkt des Vertrags steht, weil § 624 BGB vorsieht, dass Dienstverträge die auf die Lebenszeit des Dienstverpflichteten oder für länger als 5 Jahre abgeschlossen sind, vom Dienstverpflichteten nach 5 Jahren mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden können. Fällt der Vertriebsvertrag unter diese Regelung, hat somit der Vertriebler ein Kündigungsrecht.

Hält sich der Vertrag jedoch innerhalb dieses Rahmens, so werden die Laufzeitregelungen wirksam sein.

Ist dies der Fall, so kann sich allenfalls aus der Situation im Einzelfall oder aus den Vertragsbedingungen ein Ansatz ergeben, wie sich der Vertriebler aus dem Vertrag lösen kann. Hierbei ist jedoch aller Erfahrung nach die Beratung durch einen versierten Juristen vonnöten.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht



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