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Brustkrebs und der Grad der Behinderung (GdB)

  • 4 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Beim Begriff Schwerbehinderung denken viele zunächst an Rollstuhlfahrer oder Pflegefälle. Aber auch Brustkrebs oder die Folgen der Behandlung führen regelmäßig zu einem sogenannten Grad der Schädigungsfolgen (GdS) beziehungsweise Grad der Behinderung (GdB). Der Staat kann damit zwar keine Heilung bieten, aber zumindest einen rechtlichen Nachteilsausgleich beispielsweise durch Steuervergünstigungen oder einen besonderen Kündigungsschutz im Arbeitsrecht.

Schädigungsfolgen und Behinderung werden nach denselben medizinischen Grundsätzen bewertet. Der GdS bezieht sich nur auf eine konkrete Ursache, während der GdB ursachenunabhängig das Vorliegen aller Beeinträchtigungen feststellt. In den meisten Fällen ist die Unterscheidung für die Betroffenen nicht relevant. Die rechtlichen Folgen aus dem Schwerbehindertenrecht knüpfen jedenfalls an die Höhe des Gesamt-GdB an.

Sowohl den GdS als auch den GdB geben medizinische Sachverständige und Behörden in Werten zwischen 0 und 100 an, wobei üblicherweise Zehnerschritte verwendet werden. Entgegen dem häufigen Sprachgebrauch handelt es sich dabei nicht um Prozente, sondern um einen Zahlenwert.

Der GdS bei Brustkrebserkrankungen

Eine pauschal anzusetzende Höhe für die Krankheit selbst gibt es nicht. Der Grad richtet sich nach den konkreten Folgen. Dafür werden die sogenannten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ herangezogen. Nach denen ist der Verlust einer Brust durch operative Entfernung (Mastektomie) in der Regel folgendermaßen zu bewerten:

  • eine Brust: 30
  • beide Brüste: 40
  • Teilverlust (Segment- oder Quadrantenresektion): 0–20

Etwaige Funktionseinschränkungen des Armes oder der Wirbelsäule oder im Schultergürtel, soweit sie Operations- oder Bestrahlungsfolgen sind, werden gegebenenfalls zusätzlich berücksichtigt.

Grade nach Wiederherstellung der Brust

Kann die Brust nach der Mastektomie im späteren Verlauf durch eine Aufbauplastik ganz oder teilweise wiederhergestellt werden, verbleibt es bei folgenden Graden:

  • eine Brust: 10–30
  • beide Brüste: 20–40

Die konkrete Höhe richtet sich nach dem Ergebnis, also der Natürlichkeit, Symmetrie etc. der neu aufgebauten Brust. Handelte es sich bei der vorangegangenen Operation um eine subkutane Mastektomie, bei der Brustwarze und Warzenhof erhalten geblieben sind, liegen die Werte grundsätzlich etwas niedriger:

  • eine Brust: 10–20
  • beide Brüste: 20–30

Erfolgte die Wiederherstellung der Brust durch Eigengewebe, sollen noch geringere Grade in Betracht kommen. Die genaue Bewertung bleibt im Zweifel einem medizinischen Gutachter überlassen. Eine danach ergehende Entscheidung des zuständigen Versorgungsamtes über einen festgestellten Grad der Behinderung ist gerichtlich voll überprüfbar.

Heilungsbewährung in den ersten Jahren

Unmittelbar nach einer Operation lassen sich oft noch keine klaren medizinischen Prognosen abgeben. Dazu sind die körperlichen und gegebenenfalls auch seelischen Narben noch zu frisch. Rückfälle sind nicht gänzlich auszuschließen.

Daher gibt es die sogenannte Heilungsbewährung, während der zunächst ein höherer Grad der Behinderung anerkannt wird, als er nach den obigen Grundsätzen anzunehmen wäre. Nach einer bestimmten Zeit wird dann überprüft, inwieweit eine Heilung eingetreten ist, und der Grad wird gegebenenfalls angepasst.

Nach der Entfernung eines malignen Brustdrüsentumors gilt nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen zunächst eine Heilungsbewährung von fünf Jahren. Je nachdem, in welchem Stadium die Entfernung erfolgte, ergeben sich folgende Grade:

  • im Stadium (T1 bis T2) pN0 M0: 50
  • im Stadium (T1 bis T2) pN1 M0: 60
  • in höheren Stadien: 80 oder mehr

Nach Entfernung eines „Carcinoma in situ“ der Brustdrüse ist ebenfalls ein Grad von 50 anzunehmen, allerdings nur während der ersten beiden Jahre.

Zum Ablauf der Heilungsbewährung erfolgt die erneute Überprüfung durch die Behörde und eine Bewertung nach den eingangs genannten Grundsätzen. Regelmäßig ergibt sich dabei je nach der verbliebenen Beeinträchtigung ein dauerhafter Grad zwischen 0 und 40.

Feststellung durch das Versorgungsamt

Liegen unabhängig von der Brustkrebserkrankung weitere relevante Beeinträchtigungen vor, beispielsweise eine angeborene Schwerhörigkeit oder eine psychische Erkrankung, kann sich insgesamt ein höherer Gesamt-GdB ergeben. Dabei werden aber die ermittelten Einzelwerte nicht einfach zusammengezählt, sondern in einer Gesamtschau erneut beurteilt. Zusätzlich gibt es im Schwerbehindertenrecht sogenannte Merkzeichen – beispielsweise „G“ für eine erhebliche Gehbehinderung oder „B“ bei Notwendigkeit einer ständigen Begleitung.

Zuständig für die Anerkennung des GdB und etwaiger Merkzeichen sowie für die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises ist das regional zuständige Versorgungsamt. Dort bekommt man im Zweifel entsprechende Antragsformulare. Dann entscheidet die Behörde entweder nach nochmaliger Untersuchung durch einen medizinischen Sachverständigen oder direkt nach Aktenlage.

Das Ergebnis kann durch Widerspruch gegenüber der Behörde, und falls dieser nicht zum gewünschten Ergebnis führt, anschließend mittels einer Klage vor dem Sozialgericht überprüft werden. Das Gericht beauftragt dabei in der Regel einen eigenen Gutachter zur Beurteilung des GdB. Der kann im Einzelfall durchaus zu einer anderen Bewertung kommen, sodass sich eine gerichtliche Überprüfung durchaus lohnen kann.

Was der Schwerbehindertenausweis bringt

Ab einem GdB von 50 gilt man als schwerbehindert und genießt beispielsweise einen besonderen Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis. Eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung ist unwirksam, wenn nicht das zuständige Versorgungsamt vorher zugestimmt hat. In bestimmten Fällen kann schon ab einem GdB von 30 die sogenannte Gleichstellung erreicht werden, die ebenfalls diesen besonderen Kündigungsschutz umfasst. Diese Gleichstellung muss aber bei der Arbeitsagentur gesondert beantragt werden.

Dazu erhalten Schwerbehinderte gemäß § 125 Neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX) eine Woche zusätzlichen Urlaub im Jahr. Gemäß § 124 SGB IX sind sie auf Verlangen von Mehrarbeit freizustellen. Außerdem ist je nach Geburtsjahrgang auch ein vorzeitiger Eintritt in die Altersrente möglich.

Schließlich gibt es einen Steuervorteil in Form eines Pauschalbetrags für die Einkommensteuererklärung. Dieser ist entsprechend § 33b Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) je nach GdB gestaffelt:

  • GdB ab 25: 310 Euro
  • GdB ab 35: 430 Euro
  • GdB ab 45: 570 Euro
  • GdB ab 55: 720 Euro
  • GdB ab 65: 890 Euro
  • GdB ab 75: 1060 Euro
  • GdB ab 85: 1230 Euro
  • GdB ab 95: 1420 Euro

Diese staatlich gewährten Vorteile können nicht die Krankheit besiegen. Aber sie sind zumindest ein kleiner rechtlicher und finanzieller Nachteilsausgleich, der guten Gewissens in Anspruch genommen werden kann.

(ADS)

Foto(s): ©Fotolia.com

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