1. Fahrt unter Wirkung von THC führt bei gelegentlichen Konsumenten nicht mehr zur Entziehung der FE

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Das BVerwG hat heute (BVerwG 3 C 13.17 – Urteil vom 11. April 2019) entschieden:

"Erstmaliger Verstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Gebot des Trennens von Konsum und Fahren führt regelmäßig nicht unmittelbar zur Entziehung der Fahrerlaubnis."

Das bedeutet, dass vor allem in strengen Bundesländern wie z. B. Schleswig-Holstein und NRW die Fahrerlaubnis bei der ersten aktenkundigen Fahrt unter Wirkung von Cannabis bzw. THC entzogen werden kann. Fehlendes Trennungsvermögen wird angenommen ab einem THC Wert von 1,0 ng/ml THC. 

Die zweite Voraussetzung für die direkte Entziehung ist bzw. war der gelegentliche Konsum. Dieser wurde je nach Behörde bei Werten zwischen 10 und 100 ng/ml THC COOH (Hauptabbaustoff des THC) angenommen. Jeder hat da einfach die Studien herangezogen, die zur Hauspolitik passten.

Viele Gerichte und Behörden nahmen den zumindest gelegentlichen Konsum einfach mit der Annahme an, dass es unwahrscheinlich sei, nach dem ersten Konsum noch in eine Kontrolle zu geraten. 

Damit ist jetzt erfreulicherweise Schluss – jedenfalls im Hinblick auf die Konsequenz der direkten Entziehung des Führerscheins.

Statt der direkten Entziehung muss die Behörde jetzt die Eignung des Betroffenen mittels einer MPU prüfen. Es wird also eine MPU ohne die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet.

Und – das ist der Haken an der Sache – diese MPU wird häufig ohne richtige Vorbereitung (Screenings, Verkehrstherapie, Kenntnis der Inhalte der Begutachtungskriterien für Kraftfahrteignung) nur schwer zu bestehen sein. Hierbei helfe ich Ihnen gerne. Auch bei der Anfechtung der leider oft fehlerhaften Gutachten.

Hier der Text der Entscheidung des BVerwG – ein sehr lobenswertes Urteil, welches manch Führerschein retten wird:

"Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, in der Regel nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen darf. In solchen Fällen haben die Fahrerlaubnisbehörden gemäß § 46 Abs. 3 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der durch diese Fahrt begründeten Zweifel an der Fahreignung zu entscheiden.

In den beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren war bei Verkehrskontrollen jeweils festgestellt worden, dass die Kläger, die gelegentliche Cannabiskonsumenten waren, trotz vorangegangenen Konsums ein Kraftfahrzeug geführt hatten. Aufgrund der ermittelten Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC), dem psychoaktiven Cannabiswirkstoff, im Blutserum von 1 ng/ml oder mehr gingen die Fahrerlaubnisbehörden davon aus, dass die Fahrsicherheit der Kläger beeinträchtigt sein konnte. Daher fehle ihnen nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung wegen fehlender Trennung zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges die Fahreignung. Die Fahrerlaubnisbehörden entzogen den Betroffenen deshalb gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV ohne die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die Fahrerlaubnis.

Die hiergegen erhobenen Klagen sind erfolgreich gewesen, soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Berufung entschieden hat. Er ist der Auffassung, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis nicht unmittelbar von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen darf, sondern zur Klärung der damit begründeten Zweifel an der Fahreignung im Ermessenswege über die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu entscheiden hat. Dagegen hat das Nordrhein-Westfälische Oberverwaltungsgericht in dem bei ihm anhängigen Berufungsverfahren die unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis für zulässig erachtet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat seine bisherige Rechtsprechung (Urteil vom 23. Oktober 2014 – BVerwG 3 C 3.13) bestätigt, dass ein gelegentlicher Konsument von Cannabis den Konsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennt (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung), wenn bei der Fahrt die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit besteht. Von einer solchen Möglichkeit kann nach wie vor ausgegangen werden, wenn beim Betroffenen im Anschluss an die Fahrt eine THC-Konzentration von 1 ng/ml oder mehr festgestellt wird. Allein dieser erstmalige Verstoß gegen die gebotene Trennung von Konsum und Fahren rechtfertigt indes in der Regel nicht die Annahme, dass sich der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. An seiner gegenteiligen Annahme im Urteil vom 23. Oktober 2014 hält das Bundesverwaltungsgericht nicht fest. Auch ein einmaliger Verstoß begründet aber Bedenken gegen die Fahreignung, denen die Fahrerlaubnisbehörde nachgehen muss. Erforderlich ist eine Prognose, ob der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem möglicherweise die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Fahren trennen wird. Um hierfür eine ausreichend abgesicherte Beurteilungsgrundlage zu haben, bedarf es in der Regel der Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Fahrerlaubnisbehörde hat gemäß § 46 Abs. 3 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anordnung der Beibringung eines solchen Gutachtens und die hierbei einzuhaltende Frist zu entscheiden."

Bei Fragen rund um das Thema Drogen und Führerschein / Begutachtungen (MPU / ärztliches Gutachten) stehe ich Ihnen mit meiner langjährigen Expertise bundesweit gerne zur Verfügung.


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