§ 522 Abs. 2 ZPO: Verschärfte Anforderungen an die Gehörsrüge

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Wird ein Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO durch das Oberlandesgericht durch einen Hinweisbeschluss angekündigt und soll Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss eingelegt werden, so ist eine nachträgliche Stellungnahme auf den Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO erforderlich. Ansonsten soll die Nichtzulassungsbeschwerde vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen werden können, weil nicht vorinstanzlich alles unternommen worden ist, um mögliche rechtliche Fehler des Oberlandesgerichtes zu korrigieren (Subsidiaritätsgrundsatz). Dieses ergibt sich aus dem BGH-Beschluss vom 28. Januar 2020, VIII ZR 57/19, wie folgt:

„Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs  im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine solche zu verhindern (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 285/09, WuM 2011, 178 Rn. 10; vom 14. Juni 2018 - III ZR 54/17, BGHZ 219, 77 Rn. 37; Beschlüsse vom 17. März 2016 - IX ZR 211/14, NJW-RR 2016, 699 Rn. 4; vom 16. Oktober 2018 - VIII ZR 225/17, juris; vom 28. März 2019 - IX ZR 147/18, ZInsO 2019, 1026 Rn. 4; jeweils mwN). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 285/09, aaO; vom 14. Juni 2018 - III ZR 54/17, aaO; Beschlüsse vom 17. März 2016 - IX ZR 211/14, aaO mwN; vom 28. März 2019 - IX ZR 147/18, aaO mwN). Entgegen der unter Verweis auf den Aufsatz des drittinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin (JZ 2017, 598, 604 f.) von der Nichtzulassungsbeschwerde vertretenen Ansicht ist der bei Grundrechtsverletzungen eingreifende Subsidiaritätsgrundsatz damit nicht auf das Verhältnis zwischen Verfassungs- und Fachgerichtsbarkeit beschränkt, sondern gilt auch dann, wenn im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde eine Grundrechtsverletzung, insbesondere eine Gehörsverletzung, gerügt wird, BGH-Beschluss vom 28. Januar 2020, VIII ZR 57/19.

Soweit das Zitat aus dem BGH-Beschluss vom 28. Januar 2020, VIII ZR 57/19.

Für die Rechtspraxis bedeutet dieses, dass wahrgenommene Fehler beim Oberlandesgericht nach dem Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO gerügt werden müssen. Dazu ist es erforderlich, die zweite Hälfte des BGH-Beschlusses vom 28. Januar 2020, VIII ZR 57/19, in den erforderlichen Schriftsatz einzublenden und anschließend im Sinne einer Gehörsrüge vorzutragen, dass das Oberlandesgericht die Anforderungen an die Darlegungspflicht überspannt hätte. Dazu müsste im Grunde noch einmal alles dasjenige mit anderen Worten vorgetragen werden, was in der Berufungsbegründung sinngemäß ausgeführt wurde, versehen etwa mit einem Hinweis auf das insoweit entgegenstehende BGH-Urteil vom 12. 7. 2012 - III ZR 104/11; OLG Dresden  (Lexetius.com/2012,3235), die übertriebenen Anforderungen an die Schlüssigkeit eines Vorbringens zurückweisend.

Das Problem ist, dass die Nichtzulassungsbeschwerde möglicherweise ausschließlich auf den Schriftsatz nach dem Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO gestützt werden kann. Möglich ist, dass all dasjenige aus der Prüfung ausscheidet, was nach dem Subsidiaritätsgrundsatz nicht schon in der zweiten Instanz als fehlerhaft gerügt wurde. Nichtzulassungsbeschwerden werden häufig ohne Begründung zurückgewiesen, sodass eine Partei oft gar nicht genau weiß, worin ein prozessualer Fehler bestanden haben könnte.

Fazit: Wer die zweite Hälfte des BGH-Beschlusses vom 28. Januar 2020 nicht beachtet, läuft vermutlich in eine rechtliche Falle. All dasjenige, was also beim BGH vorzutragen sein wird, müsste bereits in der Stellungnahme zum angekündigten Beschluss nach § 522 ZPO enthalten sein. Die Verschärfung der Anforderungen an die Gehörsrüge erhöhen zwar nicht den Erkenntnisgewinn, beschleunigen ihn aber. 


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