Berufsunfähigkeitsversicherung – Anforderungen an die Tätigkeitsschilderung dürfen nicht überzogen werden!
- 3 Minuten Lesezeit
Lehnt der Versicherer Leistungen wegen Berufsunfähigkeit ab, verbleibt dem Versicherten oftmals nur die Möglichkeit, Klage zu erheben. Im Klageverfahren trifft ihn die sogenannte Darlegungs- und Beweislast. Das bedeutet, dass er darzulegen und zu beweisen hat, dass (und wann) Berufsunfähigkeit eingetreten ist.
Versicherter muss seine berufliche Tätigkeit darlegen
Hierzu muss der Versicherte (unter anderem) umfangreiche Angaben zu seinem Beruf machen. Die bloße Angabe des Berufstyps und der Arbeitszeit genügen nicht. Vielmehr verlangt die Rechtsprechung eine ganz konkrete Arbeitsbeschreibung (etwa in Form eines Stundenplans), mit der die Einzeltätigkeiten, die mit dem Beruf verbunden sind, ihrer Art, ihres Umfanges und ihrer Häufigkeit nach für einen Außenstehenden nachvollziehbar gemacht werden (hierzu grundlegend: BGH, Urteil vom 30. September 1992, Aktenzeichen IV ZR 227/91).
Anforderungen an die Darlegung dürfen nicht überspannt werden
Die Tätigkeitsbeschreibung führt in der Praxis immer wieder zu Schwierigkeiten. Sind die Angaben des Versicherten unzureichend, wird seine Klage abgewiesen. Versicherungsleistungen erhält er in diesem Fall nicht.
Wohl auch deshalb haben in der Vergangenheit bereits einige Instanzgerichte betont, dass die (strengen) Anforderungen an die Darlegung der Tätigkeit nicht überzogen werden dürfen. Sie verfolgt letztlich (nur) den Zweck, dem Sachverständigen die notwendigen Vorgaben zur medizinischen Beurteilung des Leistungsvermögens des Versicherten an die Hand zu geben (z.B. OLG Brandenburg, Urteil vom 17. April 2019, Aktenzeichen 11 U 137/17).
Bundesgerichtshof (BGH) stärkt Versicherten den Rücken
Dass die Anforderungen an die Schilderung des Berufs nicht überspannt werden dürfen, hat nun auch der BGH in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 21. April 2021, Aktenzeichen IV ZR 88/20) klargestellt.
In dem entschiedenen Fall hatte ein selbstständiger Zahntechnikermeister geklagt. Dessen Arbeitszeit betrug in gesunden Tagen ca. 50 bis 60 Wochenstunden, die er hauptsächlich mit der handwerklichen Herstellung von Zahnersatz zubrachte. Daneben arbeitete er etwa eine Stunde pro Tag im Büro (z.B. für Rechnungsstellungen) und verbrachte etwa eine weitere halbe Stunde mit Besprechungen bei Zahnärzten. Die handwerklichen Tätigkeiten konnte er aufgrund orthopädischer Beschwerden spätestens ab Oktober 2015 zu 50% nicht mehr ausüben. Hingegen war er zur Ausübung der übrigen Tätigkeiten (Bürotätigkeiten und Zahnarztbesuche) weiterhin imstande. Deren Umfang hing jedoch ab von dem Umfang der handwerklichen Tätigkeit und sank in verhältnismäßig gleicher Weise.
Seine Klage wurde abgewiesen mit der Begründung, er habe seine Darlegungslast nicht erfüllt. Seinem Vortrag sei nicht zu entnehmen, worin die Bürotätigkeit im Einzelnen bestanden und inwieweit und warum sich diese auf maximal 50% reduziert habe.
Angaben des Versicherten waren ausreichend
Der BGH stellte klar, dass der Vortrag des Versicherten, wonach der Umfang der Bürotätigkeit von der handwerklichen Produktion abhänge, ausreichend sei. Hierbei handele es sich um eine Tatsachenbehauptung, die geeignet sei, die Rechtsfolge einer insgesamt 50%igen Berufsunfähigkeit und damit einen Anspruch auf Versicherungsleistungen zu begründen.
Überlassen Sie den Erfolg Ihrer Klage nicht dem Zufall!
Die BGH-Entscheidung stärkt die Rechte von Versicherten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche und ist insoweit zu begrüßen. Nichtsdestotrotz dürfen die Anforderungen an die Tätigkeitsbeschreibung nach wie vor nicht unterschätzt werden. Klageabweisungen aufgrund einer unzureichenden Darlegung kommen leider immer wieder vor, sind jedoch vermeidbar. Lassen Sie sich deshalb unbedingt von einem Fachanwalt für Versicherungsrecht vertreten. Er weiß ganz genau, welche Angaben zu machen sind, und bereitet den Prozess optimal für Sie vor.
Artikel teilen: