A8, Neunkirchen (Saarland): hunderte Geblitzte pro Tag – zu Unrecht wg. Verfassungsgerichtsurteil?

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Viele Verkehrsteilnehmer, die in den letzten Tagen im Saarland auf der Bundesautobahn A 8 in Fahrtrichtung Zweibrücken unterwegs waren, müssen sich auf ungeliebte Post der Bußgeldbehörde einstellen: Allein am 06.08.2019 wurden nach Polizei-Angaben in Höhe Neunkirchen in einer Baustelle bei höchstzulässigen 80 km/h binnen dreieinhalb Stunden fast 800 Fahrzeuge geblitzt.

320 davon befanden sich im Punktebereich, wurden also mit einer (angeblichen) Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit von mindestens 21 km/h gemessen. 35 Fahrzeugführer erwarten nach Darstellung der Polizei ein Fahrverbot, was auf Überschreitungswerte von mindestens 41 km/h schließen lässt. 

Tatsächlich dürfte die Fahrverbotszahl aber deutlich höher liegen, wenn man berücksichtigt, dass bei Verkehrsteilnehmern mit einer einschlägigen Voreintragung in Flensburg wegen mindestens 26 km/h Überschreitung und ausreichend engen zeitlichen Zusammenhängen zur aktuellen Fahrt bereits ein Geschwindigkeitsverstoß um neuerliche 26 km/h ein Fahrverbot auslösen kann.

Noch ist unklar, welche Messtechnik dort eingesetzt wird sowie ob das Gerät korrekt funktioniert und die Messungen ordnungsgemäß ausgewertet werden. Derartige Erkenntnisse können erst im Laufe der Zeit gewonnen werden.

Beachtlich ist aber, dass die Messstelle eben im Saarland liegt.

Der dortige Verfassungsgerichtshof hatte erst am 05.07.2019 entschieden, dass es einen geblitzten Verkehrsteilnehmer in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt und somit verfassungswidrig ist, wenn der Hersteller des Geschwindigkeitsmessgeräts die sogenannten Roh-Messdaten löscht und damit Beweismittel vernichtet, die dann nicht mehr zur Überprüfung der Messung vorhanden sind. 

Bezogen war diese Entscheidung im Einzelfall auf ein Laser-Messgerät vom Typ XV 3 – sie beschränkt sich aber keineswegs nur auf diesen einzelnen Messtyp, im Gegenteil: Bei sämtlichen anderen Lasermessgeräten wird ebenso wie auch bei den auf Radar-Basis beruhenden Geräten und den mit druckempfindlichen Asphalt-Schleifen gekoppelten Geräten von der Herstellerseite gleichermaßen vorgegangen. 

Auch bei ihnen werden Messdaten systematisch gelöscht. Mit Ausnahme weniger Messgeräte (z. B. der Einseitensensoren ES 3.0 und videobasierter Geräte) ist das Urteil des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs somit auf fast alle im Saarland verwendeten Geschwindigkeitsmessverfahren zu beziehen, so lange die Software nicht umgestellt wird und Rohmessdaten wieder gespeichert werden.

Bis zu einem solchen Software-Update dürfen Geräte im Saarland nicht mehr eingesetzt werden.

Sollte sich für die Messstelle an der Autobahn A 8 bei Neunkirchen in Richtung Zweibrücken feststellen lassen, dass dort keine Berücksichtigung der eindeutigen Vorgaben des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs erfolgt, wären die eingeleiteten Bußgeldverfahren einzustellen.

Eine ganze Reihe von uns geführter Bußgeldverfahren an anderen Stellen des Saarlandes hat in den vergangenen Wochen bereits zu Verfahrenseinstellungen geführt.

Es sollte daher unbedingt in jedem punkte- oder gar fahrverbotsbewehrten Einzelfall mit Überschreitungswerten von 21 km/h aufwärts überprüft werden, ob die auf der A 8 bei Neunkirchen durchgeführte Geschwindigkeitsmessung korrekt war oder Verkehrsteilnehmer in der Baustelle zu Unrecht geblitzt und belangt wurden. 

Natürlich überprüfen wir dabei noch abhängig vom Gerätetyp eine Vielzahl anderer technischer Aspekte, aber auch Fragen der Fahreridentifizierung etc., weshalb keine vorschnellen Angaben gegenüber den Verfolgungsbehörden zur vorgeworfenen Tat gemacht werden sollten.

Rechtschutzversicherer kommen für die Kosten des anwaltlichen Verteidigers auf.

Ach übrigens: Die Polizei hat bereits kurzfristig weitere Kontrollen an gleicher Stelle angekündigt …

Dr. Sven Hufnagel ist auf dem ganzen Bundesgebiet tätig und spezialisiert auf die Abwehr von Fahrverboten und Punkten im Bußgeldbereich, insbesondere nach Geschwindigkeitsverstößen. Er weist Erfahrungen aus mehreren tausend geführten Bußgeldverfahren auf. 

Von 2015 bis 2019 wurde er in der Liste des Focus-Verlags als „Top-Anwalt für Verkehrsrecht“ aufgeführt. Nähere Informationen: www.fahrverbot-rechtsanwalt.de


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