Abgasskandal: KBA-Rückruf 010493 trifft Wohnmobil-Luxusliner

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Die Teuersten zuerst: Die Wohnmobil-Szene ist in Aufruhr, denn ausgerechnet zum Auftakt der Camping-Saison bringen Rückrufe des Flensburger Kraftfahrtbundesamt die Reisepläne zahlreicher Nutzer von exklusiven Modellen durcheinander. Der Rückruf ist amtlich. Wer der Aufforderung nicht folgt, muss eine Zwangsstilllegung des Fahrzeugs befürchten. Bis dahin ist aber viel Zeit.

Werkstatt oder Westerland?

Werkstatt oder Westerland? Das Thema trifft die sogenannten Luxusliner, z.B. von Morelo, Concorde oder Niesmann + Bischoff. Die verbauten Diesel-Aggregate sollen mit einer Software ausgerüstet sein, die für einen Schadstoff-Ausstoß sorgt, der im Bereich Nox über den geltenden EU-Grenzwerten liegt. Ob dabei konkret von einer Abschaltvorrichtung die Rede ist, oder ob es sich grundsätzlich um den Mangel handelt, dass Grenzwerte nicht eingehalten werden, ist derzeit noch unklar. Der Rückruf mit der Kennzifffer 010493 ist beim KBA zwar veröffentlicht , aber mit dem Staus "In Untersuchung" wohl noch in einem frühen Entwicklungsstand.  Hersteller und Motor-Lieferanten halten sich – natürlich – bedeckt.


Morelo und Concorde betroffen

Der Dauerläufer-Motor „Daily“ ist auf jeden Fall ganz tief unten im Wohnmobilskandal angekommen und mit ihm auch die Traumschiffe, die auf Europas Straßen für Eindruck sorgen: Neben Morelo und Niesmann +  Bischoff nutzen auch die Ausbauer Bimobil, Bocklet, Dethleffs Concorde, Laika, Pilote, Phoenix und Woelcke den Motor mit der Bezeichnung F1C. Deutschlandweit geht es um knapp 900 Fahrzeuge, weltweit um etwa 20.000.


„Nach dem Rückruf besteht ein Schadenersatzanspruch, teils sogar ein Rücknahmeanspruch gegenüber dem Händler“ – Rechtsanwalt Gisevius von bruellmann.de aus Stuttgart ist als Anwalt schon länger mit Dieselskandal-Fällen im Freizeitmobil—Bereich befasst und vertritt bereits Wohnmobil-Besitzer in Verfahren gegen Volkswagen. Für ihn hat der Wohnmobil-Dieselskandal allerdings ein paar Besonderheiten.

Deliktische Haftung oder Gewährleistung?

Die Rückrufe betreffen nur Fahrzeuge der Baujahre 2016 bis 2019, also ausschließlich Modelle der Schadstoffklasse 6.  Wohnmobile, die gebraucht oder neu gekauft wurden, können im Rahmen der Gewährleistung an den Händler zurückgegeben werden, wenn der Kauf nicht länger als zwei Jahre zurückliegt.

Bei Modellen, die schon länger im Besitz sind, stellt sich die Frage nach der deliktischen Haftung und dem Anspruch gegenüber dem Hersteller – hier also gegenüber Iveco (Fiat bzw. Stellantis) und/oder dem Ausbauer. Problematisch ist - wie im "normalen" Dieselskandal auch - der Nachweis der sittenwidrigen und vorsätzlichen Schädigung nach § 826 BGB.

Gisevius: „In der aktuellen Situation müssen Wohnmobilisten daher den Kalender im Auge behalten, denn eine Rückgabe nach Gewährleistungsrecht erscheint aktuell als am ehesten durchsetzbar – immerhin offenbart der Rückruf ja einen Mangel. Da dieser wohl kaum durch ein schnelles Software-Update aufgehoben werden kann, besteht ein Rückgaberecht ohne Zahlung eines Nutzungsentgeltes. Heißt: Der klagende Verbraucher gibt das Auto ab und erhält den kompletten Kaufpreis zurück!“ Unter Umständen gibt es auch keine technische Lösung. Derzeit muss die neue Software erst einmal entwickelt werden und dann den Genehmigungsprozess durchlaufen: Die Verantwortlichen sind unter Umständen gar nicht in der Lage, den Mangel - in diesem Fall eine ungeeignete Software - kurzfristig abzuschalten

Rückgabe oft nicht wirtschaftlich

Nach Rechtsprechung des BGH muss bei Klagen nach Paragraf 826 BGB (sittenwidrige Schädigung) ein Entgelt für die gefahrenen Kilometer gezahlt werden. "Trotzdem", so Gisevius, "sind zu erwartende Rückzahlungen schon aufgrund der Verzinsung während der Verfahrensdauer sehr hoch!“

Problem dabei: Im Segment der Luxusliner gibt es aktuell auch wegen Corona erhebliche Preissteigerungen und unter Umständen sogar Wartelisten, sodass ein Verfahren zwar gewonnen werden kann, wirtschaftlich aber unter Umständen keinen Sinn macht.

Hier tut anwaltliche Beratung  wirklich not. Gisevius: „Überlegenswert wäre auch eine sogenannte Feststellungsklage, die noch keinen konkreten Folgen im Falle eines Obsiegens festgelegt. Die Schuld wird festgestellt, mehr nicht!“

Vorteil: Der Kläger muss das Wohnmobil nicht unbedingt abgeben und damit einen wirtschaftlichen Nachteil akzeptieren. Wie immer im Abgasskandal: Es ist kompliziert und fängt bei der Erarbeitung der geeigneten Verfahrensstrategie an. Frederick Gisevius steht Campern gern zur als Ansprechpartner für eine kostenlose Erstberatung und Abfrage der Rechtschutzversicherung zur Verfügung. Gisevius ist Kooperationsanwalt der IG Dieselskandal und vor den Landgerichten München und Heilbronn bereits mit Klagen gegen VW für Freizeitmobil-Beisitzer erfolgreich.

Unter www.wohnmobil-dieselskandal.de bietet Brülllmann Rechtsanwälte auch einen eigens für Wohnmobile konzipierten Rechner an. Dieser geht davon, dass für Wohnmobile mit LKW-Motoren bei der Berechnung des Nutzungsentgeltes eine deutlich höher mögliche Gesamtlaufleistung angesetzt werden muss, als in der Rechtsprechung für PKW aktuell üblich.

Die kostenlose Service-Hotline der Kanzlei Brüllmann ist unter 0800 000 1959 erreichbar

Foto(s): Screenshot KBA-Rückrufdatenbank vom 5. April 2021


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