Abgasskandal – LG Stuttgart spricht Schadenersatz bei Mercedes E-Klasse zu

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Mercedes ist vom Landgericht Stuttgart im Abgasskandal zu Schadenersatz verurteilt worden. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass bei einem Mercedes E 350 BlueTec unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet wurden. Mercedes habe zumindest fahrlässig gehandelt und müsse den sog. Differenzschaden ersetzen (Az.: 56 O 17/23). Damit folgte das LG Stuttgart der Rechtsprechung des BGH, der am 26. Juni 2023 entschieden hat, dass im Abgasskandal schon Fahrlässigkeit des Autoherstellers zu Schadenersatzansprüchen führt.

Der Kläger hatte den Mercedes E 350 im Februar 2015 als Gebrauchtwagen zum Preis von 61.490 Euro gekauft. Das Fahrzeug ist mit dem Dieselmotor des Typs OM 642 ausgestattet und verfügt über die Abgasnorm Euro 6. Mercedes bietet für das Modell ein freiwilliges Software-Update der Abgassteuerung an.

Der Kläger machte Schadenersatzansprüche geltend, weil in seinem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien. Neben der sog. Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung käme u.a. auch ein Thermofenster bei der Abgasreinigung zum Einsatz. Dieses bewirke, dass in einem festgelegten Temperaturkorridor die Abgasreinigung zwar vollständig arbeite, bei sinkenden Außentemperaturen aber reduziert werde. Dies sei schon bei Außentemperaturen unter 17 Grad der Fall. Auf dem Prüfstand herrschen in der Regel Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad. Zudem sei das SCR-System so programmiert, dass unter Prüfbedingungen eine höhere Dosis des Harnstoffs AdBlue zugeführt werde, so dass der Stickoxid-Ausstoß gemindert wird. Außerhalb dieser Bedingungen werde die AdBlue-Zufuhr jedoch reduziert. Folge der Abschalteinrichtungen sei, dass der Emissionsausstoß steigt und die gesetzlichen Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß nicht eingehalten werden.

Das Landgericht Stuttgart sah zwar keine Anhaltspunkte dafür, dass Mercedes das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) arglistig getäuscht habe. Daher habe der Kläger keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH habe er aber Anspruch auf Ersatz des sog. Differenzschadens, der nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises beträgt. Das LG Stuttgart bezifferte den Differenzschaden auf 10 Prozent des Kaufpreises, der Kläger erhält also 6.149 Euro.

Die Grenzwerte für den Emissionsausstoß müssten nicht nur im Prüfmodus, sondern unter normalen Betriebsbedingungen eingehalten werden. Diese Anforderungen habe Mercedes nicht erfüllt. Nur aufgrund der Verwendung der verbauten Abschalteinrichtungen wie dem Thermofenster und der SCR-Programmierung würden die zulässigen Emissionswerte im Prüfmodus eingehalten, im Realbetrieb sei das aber nicht der Fall, stellte das LG Stuttgart klar.  Daher handele es sich hier um unzulässige Abschalteinrichtungen.

Mercedes habe zumindest fahrlässig gehandelt und könne sich nicht auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen. So könne Mercedes nicht darlegen, dass das KBA die konkrete Ausgestaltung des Thermofensters genehmigt habe, so das Gericht. Auch im Hinblick auf das SCR-System könne sich Mercedes nicht auf eine hypothetische Genehmigung des KBA berufen, auch wenn dieses keinen verpflichtenden Rückruf angeordnet, sondern eine freiwillige Servicemaßnahme durch Mercedes genehmigt hat. Es sei auch hier nicht ersichtlich, dass Mercedes sämtliche Funktionen des Systems und seine Auswirkungen offengelegt habe, so das Gericht.

In diesen Zusammenhang passt auch, dass das KBA bei einem Mercedes E 350 BlueTec mit dem Dieselmotor unzulässige bzw. kritische Abschalteinrichtungen entdeckt hat. Dabei geht es u.a. um das Thermofenster und die AdBlue-Dosierstrategie. „Das KBA hat Mercedes aufgefordert, Abhilfemaßnahmen aufzuzeigen. Gut möglich, dass den betroffenen Fahrzeugen ein Rückruf  droht“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.

Der Abgasskandal bei Mercedes geht weiter. Gerade nach der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung des BGH, haben betroffene Mercedes-Käufer gute Aussichten, Schadenersatz durchzusetzen.

Die Kanzlei BRÜLLMANN Rechtsanwälte ist Kooperationspartner der IG Dieselskandal und bietet Ihnen eine kostenlose Ersteinschätzung Ihrer Möglichkeiten an. Sprechen Sie uns an.

Mehr Informationen: https://www.bruellmann.de/faelle/mercedes-benz-daimler-ag




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