Abgasskandal: VW-Dieselgate 2.0 nimmt weiter Fahrt auf!

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Die Volkswagen AG hat für Manipulationen an dem Vierzylinderdieselmotor EA288 vor dem Landgericht Stuttgart ein weiteres Schadenersatzurteil kassiert.

Wer meint, Dieselgate 2.0 der Volkswagen AG sei vorbei, wird immer wieder eines Besseren belehrt, des es nimmt weiter Fahrt auf! Denn der Dieselabgasskandal um den Vierzylinderdieselmotor EA288 mit der Abgasnorm Euro 6 wird regelmäßig vor deutschen Gerichten verhandelt. Und diese positionieren sich eindeutig verbraucherfreundlich. Jetzt hat das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 7. April 2022, Az.: 20 O 407/21) die Volkswagen AG verurteilt, an den Kläger 7.828,97 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juli 2021 zu zahlen und den Kläger von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 800,39 Euro freizustellen.

Der geschädigte Verbraucher kaufte am 2. Mai 2020 das streitgegenständliche Fahrzeug VW Touran 2.0 TDI SCR für 13.400 Euro. Damals betrug der Kilometerstand 142.500 km. Am 07.02.2022 betrug er 186.986 km. Das Fahrzeug unterliegt der Euro-6-Norm. In ihm ist ein Motor des Typs EA288 verbaut. Der Kläger behauptet, dass das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sei. Diese unzulässige Abschalteinrichtung diene dazu, die Schadstoffausstöße des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Testbedingungen so zu optimieren, dass – nur unter den Testbedingungen – die Grenzwerte eingehalten werden. Unter normalen Umständen emittiere das Fahrzeug erheblich mehr Schadstoffe, insbesondere Stickoxide. Die Beklagte habe vorliegend eine Software verwendet, durch die das Verhalten des Fahrzeugs bei Erkennen einer Prüfsituation grundsätzlich anders gesteuert werde als im Realbetrieb. Auf dem Prüfstand – und hauptsächlich nur dort – seien Emissionen feststellbar, die die gesetzlichen Grenzwerte einhalten würden, während im Realbetrieb die Grenzwerte erheblich überschritten würden. Der Grenzwert für Stickoxide von 80 mg/km werde außerhalb des NEFZ-Zyklus massiv überschritten.

Unter anderem habe die Beklagte ein sog. Thermofenster eingebaut, wonach die Emissionsstrategie bei Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad Celsius (den genormten Temperaturen für die NEFZ-Prüfung) optimal zu 100 Prozent funktioniere und der NOx-Ausstoß unter diesen Bedingungen minimiert werde. Unter anderen Temperaturbedingungen habe die Beklagte andere Aspekte in den Vordergrund gestellt (schnelleres Ansprechverhalten des Motors, geringerer Kraftstoffverbrauch, höhere Motorleistung, mehr Fahrkomfort usw.) und die Schadstoffwerte bewusst außer Acht gelassen.

„Das Landgericht Stuttgart hat den Schadenersatzanspruch des Klägers bestätigt. Der Kläger hat durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Schaden erlitten. Der Schaden liegt in der unter Beeinträchtigung seiner Dispositionsfreiheit eingegangenen Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises, vorliegend in Höhe von 13.400 Euro. Ein Schaden kann auch in der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung oder in der Vermögensgefährdung durch Eingehung eines nachteiligen Geschäfts bestehen, argumentiert das Gericht. Dabei sei bei dem Abschluss von Verträgen unter Eingriff in die Dispositionsfreiheit maßgeblich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, nicht auf die tatsächliche Realisierung eines Schadens zu einem späteren Zeitpunkt“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.

Das Argument der Verteidigung, der Kläger verkenne die konkrete Funktionsweise des Thermofensters beziehungsweise stelle diese unrichtig dar, hat das Gericht nicht gelten lasse. Aus rechtlicher Sicht sei das in dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz kommende Thermofenster schon nicht als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren, betont die Volkswagen AG. Jedenfalls läge keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vor. Der Einsatz von Thermofenstern sei technischer Standard in jedem modernen Dieselfahrzeug.

„Diese Strategie hat nicht verfangen und zeigt, dass der Volkswagen AG die Argumente ausgehen, sich im Dieselgate 2.0 aus der Verantwortung zu stehlen. Das ist ein gutes Zeichen für geschädigte Verbraucher“, betont Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung.

Foto(s): Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH


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