Äußerungen in privaten Chatgruppen und arbeitsrechtliche Konsequenzen:

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Das Zeitalter der Chatgruppen:


Die Kommunikation zwischen Menschen wird immer stärker von der Digitalisierung getragen. Das private und persönlich geführte Gespräch wird immer öfter durch Kommunikation über Chat-Gruppen, wie z.B. WhatsApp, verdrängt. Welche arbeitsrechtlichen Folgen hat es, wenn möglicherweise nicht „angemessene“ Äußerungen an den Arbeitgeber weiter geleitet werden? Kann hier sogar eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses drohen?


Diverse Urteile:


Mit der dargestellten Problematik haben sich inzwischen diverse Arbeitsgerichte beschäftigt.


Das Arbeitsgericht Mainz gab mit Urteil vom 15.11.2017 ( Az.: 4 Ca 1241/17 ) der Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers gegen eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers statt.

Der Kläger war Mitarbeiter eines Kontroll- und Vollzugsdienstes einer Stadt, die unter anderem an Abschiebungen beteiligt war. Er war mit 3 weiteren Männern und zwei Frauen in einer WhatsApp-Gruppe verbunden, in der über die privaten Smartphones der Gruppenteilnehmer sowohl private als auch dienstliche Belange sowie auch im Internet herunter geladene Bilder geteilt wurden. Diese Bilder hatten teilweise eindeutigen rechtsextremistischen Bezug. Die fraglichen Inhalte kamen zur Kenntnis des Arbeitgebers, der hierauf eine fristlose Kündigung aussprach.

Das Arbeitsgericht Mainz argumentierte, dass die geteilten Inhalte grundsätzlich geeignet gewesen seien, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB darzustellen. Die Inhalte unterlägen aber der Vertraulichkeit des Chats. Der Chat habe einen geschlossenen Teilnehmerkreis gehabt, so dass jeder Teilnehmer habe darauf vertrauen dürfen, dass die Äußerungen nur von den 5 anderen Teilnehmern gelesen würden.

Schließlich habe es sich um eine private Kommunikation gehandelt, da sie ausschließlich auf privaten Smartphones statt gefunden habe. Vertrauliche Äußerungen würden aber dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unterliegen und könnten daher nicht als Kündigungsgrund heran gezogen werden.

Äußerungen, die wegen ihres ehrverletzenden Charakters gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit geäußert nicht schutzwürdig seien, würden in Vertraulichkeitsbeziehungen verfassungsrechtlichen Schutz genießen.


In ähnliche Richtung geht ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (Az.: 21 Sa 1291/20) vom 19.07.2021.

Auch hier ging es um eine WhatsApp-Gruppe. Arbeitgeber war ein gemeinnütziger Verein, der u.a. im Bereich der Flüchtlingshilfe tätig war. Der Kläger beteiligte sich an der besagten WhatsApp-Chatgruppe mit dem Namen „Die Nicht-Verstrahlten!“. Diese Gruppe wurde zunächst von zwei im Bereich Migration bzw. Jugendhilfe tätigen Mitarbeitern des beklagten Vereins, Herrn B und Frau C, auf ihren privaten Handys betrieben und das Profil später auf das private Handy des Klägers erweitert. Für dienstliche Telefonate stellte der beklagte Verein dem Kläger ein Diensthandy zu Verfügung. Dieses nutzte er für die Beteiligung an dem Chat nicht.

Im fraglichen Chat kam es dann auch von Seiten des Klägers zu menschenverachtenden, beleidigenden Äußerungen, von denen der Arbeitgeber Kenntnis erlangte und fristlos kündigte.

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg geschah all dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen. So etwas könne eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne Weiteres rechtfertigen. Der oder die Arbeitnehmer dürften anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf vertrauen, dass seine oder ihre Äußerungen nicht nach außen getragen würden. Er oder sie müsse nicht damit rechnen, dass durch die Äußerungen der Betriebsfrieden gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belastet werde. Vertrauliche Äußerungen würden unter den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 GG) fallen.



Trügerische Tendenz:


Durch die dargestellten Urteile scheint sich die Tendenz abzuzeichnen, dass Arbeitnehmer in geschlossenen Chatgruppen, die über private Handys betrieben werden, auf der sicheren Seite sind.


Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts ( BAG ) vom 24. August 2023 ( Az.: 2 AZR 17/23) verdeutlicht, dass Kleinigkeiten entscheiden können und eben keine absolute Sicherheit für Arbeitnehmer besteht.

Ein Arbeitnehmer gehörte seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz langjährig befreundet, zwei sogar miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Arbeitnehmer - wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder - in beleidigender und menschenverachtender Weise u.a. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Auch hier folgte die Kündigung. Entsprechend der vorstehend aufgezeigten Tendenz hatte der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage in den beiden ersten Instanzen Erfolg. Der Arbeitgeber blieb standhaft und legte nun zum BAG Revision ein, mit der er auch Erfolg hatte. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen. Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen könnten. Das wiederum sei abhängig vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sei Gegenstand der Nachrichten - wie vorliegend - beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben. Das Berufungsurteil wurde daher aufgehoben und der Fall an das Landesarbeitsgericht zurück verwiesen, damit der Kläger nun vortragen könne, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.


Fazit:

Die Urteile machen klar, dass die Grenzen zwischen privater und beruflicher Kommunikation in der digitalen Welt immer mehr verschwimmen. Es zeigt sich auch, dass Arbeitnehmer gut beraten sind, wenn sie im privaten Kontext auf ihre Wortwahl achten. Dies gilt insbesondere wenn sie berufsbezogene Themen diskutieren.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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