Aktuelles Urteil zum Ehegattenunterhalt und zur Erwerbspflicht bei der Betreuung von Kindern

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Der Bundesgerichtshof hat seine strenge Rechtsprechung im Urteil vom 18.4.2012 etwas gelockert und klargestellt, dass eine Mutter mit drei Kindern (12 Jahre, 15 Jahre und 17 Jahre) erheblich mit der Betreuung und Erziehung belastet sein kann, sodass ihr, auch wenn die Kinder schon älter sind, nicht ohne weiteres automatisch eine Vollzeittätigkeit zumutbar ist. Im entschiedenen Fall meinte der BGH, dass der Mutter nur eine Erwerbstätigkeit im zeitlichen Umfang von 30 Wochenstunden statt 40 Wochenstunden zumutbar ist. Es sei plausibel, dass ein zwölfjähriger Junge in den Nachmittagsstunden nach der Rückkehr aus der Schule nach der Lebenserfahrung die Hausaufgaben nicht unbedingt selbständig erledigen könne und deswegen ein besonderer Betreuungsbedarf bestehen kann. Zu berücksichtigen sei auch eine besondere Betreuungsbedürftigkeit bei sportlichen Aktivitäten der Kinder, die wegen des unzureichenden öffentlichen Nahverkehrs von der Mutter gefahren werden müssen (BGH XII ZR 65/10, OLG Schleswig vom 18.04.2012).

Allerdings bleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung, dass im Einzelfall geprüft werden muss, ob eine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung steht. Es besteht generell die Obliegenheit, sich ab dem 3. Lebensjahr des Kindes um eine geeignete Betreuungseinrichtung auch dann zu bemühen, wenn z. B. ein Kind unter ADS leidet (BGH, FamRZ 2009, 1124).

Gegebenenfalls muss die Mutter darlegen und nachweisen, dass ein besonderer Betreuungsbedarf besteht, wenn das Kind infolge der Trennung der Eltern erhebliche psychische Probleme hat.

Nach wie vor kommt es auch auf die in der Ehe vereinbarte praktizierte Rollenverteilung sowie die bisherige gemeinsame Ausgestaltung der Betreuung der Kinder an.

Der BGH bejaht einen besonderen Betreuungsbedarf bei sportlichen, musischen oder anderen Beschäftigungen und bei der Hausaufgabenbetreuung. An die Darlegung kindbezogener Gründe dürften keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, wie es in der Rechtsprechung der Instanzgerichte in letzter Zeit häufiger vorkam. Vor allem bei der Betreuung mehrerer minderjähriger Kinder kann sich eine zeitliche Einschränkung zur Ausübung einer Berufstätigkeit ergeben.

Der BGH bestätigt, dass „am Morgen oder am späten Nachmittag und Abend" jeweils weitere Erziehungs- und Betreuungsleistungen - je nach den individuellen Verhältnissen - zu erbringen sind, die einer vollschichtigen Tätigkeit des betreuenden Elternteils entgegenstehen.  

Es empfiehlt sich, dass der beweisbelastete Ehegatte derartige kindbezogene Gründe konkret darlegt und z. B. beschreibt, welche Tätigkeiten er ausführen muss, z. B. Fahrt zum Kindergarten oder zur Schule, Zubereitung von Mahlzeiten, Reinigung der Wohnung, Wäsche waschen, Anziehen, Versorgung mit Medikamenten, Arztbesuche usw. Es soll nach dem Willen des Gesetzgebers immer eine individuelle Abwägung im konkreten Einzelfall erfolgen, so dass sich eine schematisierende Betrachtung verbietet.


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